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       # taz.de -- Indietronic-Sound von Leichtmetall: Ein Tick neben der Spur
       
       > Leicht sediert und schwer versponnen: Das Elektronik-Duo Leichtmetall und
       > sein neues Album „Mit dem Bauch an die Wand“.
       
   IMG Bild: Leichtmetall sind am liebsten im Halbschatten: Marion Dimbath und Anja Morell
       
       Almut Klotz sprach es aus, das Dilemma des kunstvollen Dilettantismus. In
       ihrer postum erschienenen Autobiografie schreibt die vor drei Jahren
       verstorbene Künstlerin, Frauen beklagten sich gern, sie seien in der
       Musikszene unterrepräsentiert. Dabei beschäftige sich „kaum ein Mädchen“
       wirklich mit seinem Instrument, so die Behauptung von Klotz.
       
       Ein Seitenhieb gegen das Laisser-faire von DiY, mit dem viele Kolleginnen
       im Indiesektor kokettieren – so wie, nun ja, einst auch Klotz mit ihrer
       eigenen Band, den Lassie Singers. Wer alles selber macht und danach klingen
       mag, inszeniert sich als Herrin über Produktionsmittel, macht sich dabei
       aber auch angreifbar: Lässige, vermeintlich nachlässige Frauen gehen stets
       das Risiko ein, unterschätzt zu werden.
       
       Solche Überlegungen führt Marion Dimbath ad absurdum. Die
       Multiinstrumentalistin aus München spielte schon in vielen Bandprojekten,
       einst auch Posaune bei den Discopophelden Merricks. Und dennoch gehören
       Lo-Fi-Schrullen zum Programm ihres eigenen Bandprojekts Leichtmetall.
       
       ## Schrullen und Preziosen
       
       Gerade hat das Duo nach längerer schöpferischer Pause sein drittes Album,
       „Mit dem Bauch an die Wand“, veröffentlicht. Es ein Sammelsurium
       erstaunlicher Song-Preziosen. Als Chanson-Pop könnte man den Stil des Duos
       bezeichnen, würde das nicht nach Sonderpostentisch bei Weltbild klingen.
       Für das neue Album habe sie sich auf die Anfangstage der Band besinnen
       wollen, sagt Dimbath. Doch dafür musste sie erst einmal alles auf links
       drehen. Nach Album Nummer zwei, „Wir sind Blumen“, erschienen 2006, war das
       Projekt zum Stillstand gekommen.
       
       Nicola Schüpferling, Gründungsmitglied von Leichtmetall, verließ die Band
       aus Zeitgründen, Dimbath selbst war sich im Unklaren darüber, wohin sich
       ihre Musik entwickeln sollte. Erst als ein Bekannter sie vor zwei Jahren
       fragte, ob sie nicht Lust hätte, wieder aufzutreten, reaktivierte sie die
       Band.
       
       An Dimbaths Seite singt nun Anja Morell, eine Schauspielerin, keine
       ausgebildete Sängerin. Nach einer solchen habe Dimbath bewusst nicht
       gesucht. „Ich kann nicht professionell singen – und möchte es auch nicht
       lernen. Manche sagen, dieser Stil wirke mädchenhaft, aber ich mag es nun
       einmal ungekünstelt“, sagt sie. Frauen, die am Mikro stümpern: Zack –
       Niedlichkeitsverdacht. Doch so einfach macht es Leichtmetall den
       SkeptikerInnen nicht.
       
       Das liegt einerseits am Faible der Musikerinnen für anachronistische
       Elektronik, das sich in Songs wie „Ich bin nur eine Maschine in deinem
       Leben“ offenbart. Skurril wie alte Commodore-Computer muten die an der
       Neuen Deutschen Welle geschulten Beats an. Seit ihrer Jugend sei sie ein
       großer Fan von Kraftwerk, erklärt Dimbath. Es sei das Statische im Sound
       der Synthesizer-Pioniere, das sie fasziniere.
       
       Doch auch wenn zu den Spielzeug-Beats ein Akkordeon schwelgt, die Ukulele
       klimpert und die Glockenspiele klingeln: Nie flaniert Leichtmetall auf der
       Sonnenseite. Eher im Halbschatten sollte man sie suchen, bei den
       artverwandten, wenn auch morbider veranlagten Schweizerinnen Les Reines
       Prochaines. Mit ihnen hat Leichtmetall das schöne Talent gemein,
       Alltägliches einen Tick neben der Spur zu beschreiben. Songkomponistin
       Dimbath will „fliegen wie ein halber Ball“, schließlich gar den Mann vom
       Mond vertreiben. Als Dichterin sieht sie sich jedoch nicht; sie möge es
       schlichtweg, Sprichwörter oder Floskeln aus dem Kontext zu reißen.
       
       So sei auch der Albumtitel ein Zufallsprodukt. „Mir gefällt, dass er so
       widersprüchliche Reaktionen auslöst“, sagt Dimbath. Manche würden „Mit dem
       Bauch an die Wand“ als Befehl lesen, sich zu ergeben, für andere bedeute
       der Albumtitel, sich vom Geschehen abzuwenden. Wie auch immer man die Pose
       deuten mag: Es ist ein merkwürdiges Bild, zugleich amüsierend und mildes
       Unbehagen auslösend. Ebenso wie die Symbole des Leblosen, mit denen
       Leichtmetall seinen Dada-Pop ausstaffiert: Dimbaths und Morells Partnerlook
       – uniforme Kleider und Perücken –, ihr leicht sediert wirkender
       Stereo-Gesang.
       
       „Mit dem Bauch an die Wand“ ist ein Album, dass man nie unterschätzen
       sollte: Kein wurstiger Dilettantismus, sondern bittersüße Pop-Satire. Von
       Frauen, die gerade so viel Perfektion an den Tag legen, wie es ihnen
       beliebt.
       
       9 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Lorenz
       
       ## TAGS
       
   DIR München
   DIR Indietronic
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   DIR House
       
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