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       # taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Game Over
       
       > Im digitalen Spiel „Dumb Ways to Die“ amüsieren wir uns über tödiche
       > Dummheit. Schaue ich auf den Artenschutz, vergeht mir das Lachen.
       
   IMG Bild: Kettensägen-Massaker am Amazonas
       
       Da vorn kommen die Elektrozäune. Ich tippe hektisch auf dem iPad herum,
       komme über den ersten und zweiten rüber, werde aber am dritten gegrillt.
       Ich sitze in der Skihütte und muss so schnell wie möglich die Fenster
       schließen, weil draußen … zu spät, die Lawine hat mich verschüttet. Und so
       geht´s weiter. Immer wenn ich zu langsam bin: Game Over.
       
       „Gar nicht so schlecht“, sagt mein Sohn gönnerhaft, ehe er dran ist und den
       High Score auf das Sechsfache meines Ergebnisses hochschraubt. Aber ich
       habe eigentlich gar nichts dagegen, rauszufliegen. Dann kommt diese coole
       Musik: „Dumb Ways to die“ singen und swingen lauter niedliche bunte
       Männchen, die aussehen wie Würstchen und auf die denkbar dümmste Weise zu
       Tode kommen: „Set fire to your hair, poke a stick at a grizzly bear; eat
       medicine that´s out of date, use your private parts as piranha bait“. Und
       immer, wenn sich eine niedliche kleine Wurst die Haare anzündet, einen
       Grizzly reizt, abgelaufene Medizin schluckt oder seinen Schniedel ins
       Piranjabecken hält, ist die Botschaft klar: Leute, seid nicht bescheuert!
       Denkt nach, ehe ihr Euch in Gefahr begebt!
       
       Das digitale Spiel [1][„Dumb Ways to die“] ist ein Riesenhit. Gratis zu
       spielen, 200 Millionen Downloads. Entworfen von der Verkehrsgesellschaft in
       Melbourne mit dem einfachen Slogan: „Be safe around trains!“. Sicher
       effektiver als der erhobene Zeigefinger des Zugführers und vor allem viel
       lustiger. Wer will schon so blöd sein und auf diese Weise sein Leben
       riskieren: Superkleber schlucken; mit der Gabel im Toaster unter Strom
       rumstochern; eine Klapperschlange als Haustier halten; vor einem Zug über
       die Gleise rennen.
       
       Ja, wer würde so etwas machen? Nun, wenn Sie eine Ärztin kennen, die in der
       Notaufnahme arbeitet, fragen Sie sie mal. Oder ihren Bekannten, der für die
       Unfallversicherung die Schadensfälle im Haushalt betreut. Oder sie blicken
       dieser Tage mal ins mexikanische Cancún. Da sitzen noch bis nächste Woche
       die UN-Staaten zusammen und beraten darüber, wie der Verlust an
       Artenvielfalt auf der Welt zu stoppen ist. Da erfahren Sie viel darüber,
       wie bescheuert man sein kann.
       
       ## Wir sind der Meteorit. Jeden Tag.
       
       Die Details sind wichtig: Wie kommt der Artenschutz aus der Öko-Ecke raus
       und wird auch in der Landwirtschaft, der Stadtplanung und dem Tourismus
       wichtig? Was tun mit der Gentechnik, die es erlaubt, extrem nervende
       Spezies wie Malariamücken auszurotten? Und soll man den Regenwald lieber
       als Kapitalanlage sehen, um ihn zu schützen? Im Kern aber geht es um die
       Frage: „Dumb Ways to die“ oder „smart ways to live“?
       
       Mit jedem Hektar Regenwald, den wir für unseren Rinderwahnsinn umpflügen,
       vernichten wir ein ganzes Arsenal an Pflanzen und Tieren, die vielleicht
       einmal die Basis für die nächsten Medikamente werden. Mit jedem
       Feuchtgebiet, das wir trocken legen, erhöhen wir die Chance auf
       Überschwemmungen und Milliardenschäden beim nächsten Regen. Mit jeder
       kleinen Art von Tieren und Pflanzen, die endgültig verschwindet, schwächen
       wir das gesamte Netz des Lebens, das auch uns trägt.
       
       Bislang löschen wir durch unsere Landwirtschaft, durch Straßenbau, Chemie,
       Klimawandel und Wasservergeudung so viele Tiere und Pflanzen aus, als habe
       ein riesiger Meteorit auf der Erde eingeschlagen. Mit dem Unterschied, dass
       wir diesen Einschlag jeden Tag durch politische Planung, technischen
       Fortschritt und Milliardensubventionen wiederholen. Wir sägen nicht nur an
       dem Ast, auf dem wir sitzen, sondern wir entwurzeln gleich den ganzen Baum.
       Wir ruinieren nicht nur unseren Lebensraum, sondern auch noch den aller
       anderen Lebewesen um uns herum.
       
       Das sind echte dumb ways to die. Im Vergleich dazu ist es fast schon
       rational, sich mal aus Spaß die Haare anzuzünden. Und wer weiß, dass „Game“
       auch „Jagdwild“ bedeutet, versteht den Computerbildschirm plötzlich auch
       als Warnung vor einer geplünderten Natur: Game Over.
       
       10 Dec 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.dumbwaystodie.com/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
       ## TAGS
       
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