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       # taz.de -- Pläne für ein Präsidialsystem in Türkei: Entwurf liegt dem Parlament vor
       
       > Die umstrittene Reform soll die Macht von Präsident Erdogan stärken, hat
       > im Parlament aber keine Zwei- Drittel-Mehrheit. AKP und MHP planen ein
       > Referendum.
       
   IMG Bild: CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu warnt, das Projekt gefährde die „140 Jahre alte parlamentarische Tradition“ in der Türkei
       
       Istanbul afp | Die türkische Regierung hat den Entwurf für die umstrittene
       Einführung eines Präsidialsystems ins Parlament eingebracht. Der Entwurf
       zur Änderung der Verfassung sei am Samstag Parlamentspräsident Ismail
       Kahraman übermittelt worden, meldete die amtliche Nachrichtenagentur
       Anadolu. Die Reform umfasst rund 20 Artikel und sieht die Übertragung eines
       Großteils der Befugnisse des Ministerpräsidenten auf den Staatspräsidenten
       vor. Das Gesetz würde die Machtbefugnisse von Präsident Recep Tayyip
       Erdogan massiv ausweiten.
       
       Trotz des Widerstands der Opposition und der Skepsis großer Teile der
       Bevölkerung verfolgt Erdogan die Einführung des Präsidialsystems mit großer
       Beharrlichkeit, seitdem er im August 2014 an die Staatsspitze gewählt
       wurde.
       
       Erdogans Gegner befürchten, dass die Reform vor allem der Stärkung seiner
       persönlichen Macht dient. Dagegen argumentiert die konservativ-islamische
       AKP-Regierung, die Aufwertung des Präsidenten sei notwendig, um dem Land in
       einer Zeit der Unsicherheit eine starke Führung zu geben. Der Staatschef in
       der Türkei hatte bisher eine vorwiegend repräsentative Funktion.
       
       „Wenn Gott will, wird dies der Beginn einer neuen Ära für die Türkei“,
       sagte Erdogan am Samstag in Istanbul. „Mein Wunsch ist, dass der Text mit
       Erfolg die Etappe des Parlaments nimmt.“ Auch mit der Unterstützung der
       ultrarechten Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) hat die regierende
       Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) nicht die nötige
       Zwei-Drittel-Mehrheit, um die Reform direkt durchs Parlament zu bringen.
       
       ## 330 Stimmen reichen für ein Referendum
       
       Die AKP will daher gemeinsam mit den MHP-Abgeordneten ein Referendum über
       die Verfassungsänderung ansetzen. Dafür reichen 330 Stimmen. Nach Angaben
       von Vize-Regierungschef Nurettin Canikli könnte die Volksbefragung bereits
       im März stattfinden. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte am Freitag,
       das Präsidialsystem werde der Zeit der instabilen Regierungskoalitionen ein
       Ende setzen und eine „starke Exekutive“ schaffen.
       
       Die AKP hatte nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli
       Verhandlungen mit der MHP über die Reform aufgenommen. Nach langen
       Verhandlungen gelang es Yildirim in den vergangenen Wochen, die
       Unterstützung des MHP-Vorsitzenden Devlet Bahceli für das umstrittene
       Projekt zu gewinnen. Mögliche Gegenleistung ist die Wiedereinführung der
       Todesstrafe, die Bahceli entschieden befürwortet, und ein harter Kurs
       gegenüber den kurdischen Separatisten.
       
       Sowohl die kemalistische Republikanische Volkspartei (CHP) als auch die
       prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) lehnen die Pläne für das
       Präsidialsystem vehement ab. Die HDP-Abgeordnete Meral Danis Bestas warnte,
       das Präsidialsystem würde das Land „dem Willen einer einzigen Person
       ausliefern“. CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu warnte, das Projekt gefährde die
       „140 Jahre alte parlamentarische Tradition“ in der Türkei.
       
       Die Reformen sollen laut Canikli 2019 in Kraft treten, wenn
       Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden. Einzelheiten wollen die
       AKP und die MHP bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Abend bekannt
       geben. Laut türkischen Presseberichten sieht die Reform die Abschaffung des
       Amts des Ministerpräsidenten vor sowie die Übertragung seiner Vollmachten
       auf den Präsidenten. Statt des Regierungschefs soll es demnach zwei
       Vize-Präsidenten geben.
       
       10 Dec 2016
       
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