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       # taz.de -- Oxfam-Report zu Steuererleichterungen: Europa, deine Oasen
       
       > Mit dem Geld könnte man sechs Millionen Kinder retten: Ein Bericht zeigt,
       > dass sich Staaten wieder vermehrt bei Steuersätzen für Unternehmen
       > unterbieten.
       
   IMG Bild: Hier verschwinden die Steuergelder: die Bermudas
       
       Berlin taz | Gerne zeigen die Regierungen in der EU auf Steueroasen, in
       denen Firmen und Reiche ihre Gelder horten, um sie – legal oder illegal –
       dem Fiskus zu entziehen. Allerdings ist es Europa selbst, das ursächlich
       für die Problem ist. Die britische Hilfsorganisation Oxfam [1][listet jetzt
       die 15 schlimmsten Steueroasen] auf. 12 davon sind entweder europäische
       Länder oder solche, die von EU-Ländern protegiert werden.
       
       Platz eins und zwei gehen an die britischen Überseegebiete Bermudas und
       Cayman Islands, gefolgt von einem Europa-Block: den Niederlanden (Platz 3),
       der Schweiz (4), Irland (6), Luxemburg (7), Platz 10 geht an das EU-Land
       Zypern. Dazu kommen Curaçao (Platz 8, Niederlande), Bahamas, Jersey,
       Barbados, British Virgin Islands (11, 12, 14, 15, alles britische
       Überseegebiete). Lediglich Mauritius (13), Hongkong (9) und Singapur (5)
       scheren aus dem Europa-Block aus.
       
       Der Bericht verdeutlicht eines der größten Probleme im Kampf gegen
       Steuerdumping: Zwar wollen die G-20-Staaten die Oasen durch diverse
       Initiativen austrocknen. Allerdings sitzen in dem Gremium eben auch die
       Länder, die das Problem verursachen.
       
       Allein Entwicklungsländer nehmen durch Steueroasen [2][laut der
       UN-Organisation Unctad] mindestens 100 Milliarden US-Dollar weniger an
       Steuern ein als möglich wäre. Oxfam zitiert die Zahl und rechnet sie in
       Kinderleben um. Sechs Millionen pro Jahr ließen sich mit dem Geld retten,
       schreibt Oxfam: Laut einer im Fachmagazin The Lancet [3][veröffentlichten
       Studie] fehlen dazu weltweit 32 Milliarden Dollar im Jahr in den
       Gesundheitssystemen.
       
       ## Detailliert nach Ländern aufschlüsseln
       
       Was Oxfam nicht erwähnt: Die UNCTAD listet auch auf, dass multinationale
       Konzerne 725 Milliarden Dollar an Steuern in Entwicklungsländer zahlen
       (siehe [4][Seite 185 dieses Reports]). „Einfach nur mehr Steuereinnahmen
       lösen die Probleme in den Entwicklungsländern natürlich nicht“, sagt ein
       Sprecher von Oxfam Deutschland. „Es ist aber Realität, dass das Geld ganz
       konkret fehlt“, ergänzt er.
       
       Die Steuerausfälle beziehen sich auch nur auf die Entwicklungsländer. In
       den Industrieländern gibt es derzeit einen beunruhigenden Trend: Die
       Konkurrenz zwischen Staaten um niedrigste Steuersätze nimmt wieder zu – was
       weltweit im Schnitt zu sinkenden Einnahmen für die Staaten führt.
       
       Dennoch wäre es zu einfach zu sagen, es passiere nichts. Die wohl
       bedeutendste Initiative derzeit ist die von OECD und G 20 mit dem
       englischen Begriff „Base Erosion and Profit Shifting“. Sie soll verhindern,
       dass Konzerne ihre Gewinne geschickt in Länder mit niedrigen oder gar
       keinen Steuern verlagern. Dazu sollen Konzerne künftig ihre Umsätze und
       Gewinne detailliert nach Ländern aufschlüsseln müssen.
       
       ## Deutschland kommt gut weg
       
       Die Regeln zur Umsetzung sind aber oft lasch und voller Ausnahmen, die
       Unternehmen können sie leicht umgehen. So schreibt Oxfam von einem
       besonders absurden Beispiel: Die Steuerbehörden der Bermudas und der Cayman
       Islands müssen neuerdings beweisen, dass die Umsätze von Briefkastenfirmen
       auf ihren Territorien nicht komplett virtuell sind. So muss es auch dort
       echte Menschen geben, die echte Umsätze generieren. Der Witz dabei: Oft
       reicht genau ein Mitarbeiter aus und schon können Konzerne ihre Gewinne
       steuerfrei überweisen.
       
       Und selbst wenn Steueroasen ausgetrocknet werden, müssen die Konzerne ihre
       Milliardengewinne irgendwo verbuchen. Der Druck, das in Industrieländern zu
       tun, wird höher und damit auch der Anreiz dieser Länder, das Geld mit
       niedrigen Steuersätzen zu sich zu locken. Genau das geschieht momentan.
       Laut Oxfam ist 2016 das Jahr des Steuerdumpings. Belgien, Großbritannien,
       die Niederlande, die Schweiz, Irland und Luxemburg senkten ihre Steuersätze
       auf Unternehmen.
       
       Deutschland kommt in dem Bericht übrigens relativ gut weg. Die
       Bundesregierung, die jetzt die G-20-Präsidentschaft innehat, müsse
       ebendiese nutzen, um Steuerdumping zu bekämpfen, fordert Oxfam.
       
       12 Dec 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.oxfam.org/en/pressroom/pressreleases/2016-12-12/four-eu-countries-among-worlds-worst-corporate-tax-havens-new
   DIR [2] http://unctad.org/en/pages/PublicationWebflyer.aspx?publicationid=1245
   DIR [3] http://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(13)62231-X.pdf
   DIR [4] http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/wir2015_en.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
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