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       # taz.de -- Überfälle nach Anschlag in der Türkei: Parteibüros besetzt und demoliert
       
       > Nach dem Anschlag in Kayseri greifen Nationalisten Büros der
       > pro-kurdischen HDP an. Kurden sprechen von einer „Pogromstimmung“.
       
   IMG Bild: „Wir sind gekommen, aber ihr wart nicht da“: Drohungen im demolierten Istanbuler HDP-Büro
       
       ISTANBUL taz | Mit Angriffen auf Büros der kurdisch-linken Partei HDP haben
       türkische Nationalisten auf einen neuen Anschlag auf türkische Soldaten
       reagiert. Eine Woche nach dem Doppelanschlag in Istanbul zündete am Samstag
       in Kayseri ein Selbstmordattentäter unmittelbar neben einem Bus voller
       Soldaten eine Bombe [1][und tötete 14 Menschen]. Weitere 55 Personen wurden
       teils schwer verletzt.
       
       Wenige Stunden später marschierte ein nationalistischer Mob vor das Gebäude
       der pro-kurdischen Partei HDP in Kayseri und beschoss das Haus mit
       Feuerwerkskörpern. Die Menge drang in das Gebäude ein, zerstörte die
       Einrichtung und hängte eine große türkische Fahne aus dem Fenster.
       
       Der Angriff auf das HDP-Gebäude fand überall im Land Nachahmer. Am
       Schwarzen Meer in Samsun, in Erzurum, Ankara, Kocaeli und Istanbul wurden
       am Samstagabend und in der Nacht zu Sonntag Büros der HDP angegriffen.
       Dabei wurde niemand verletzt, weil die Räume nicht besetzt waren.
       
       Die Soldaten in Kayseri hatten Wochenendausgang und fuhren mit einem
       öffentlichen Bus ins Stadtzentrum, als ein mit einer Bombe beladenes Auto
       an einer Haltestelle direkt neben dem Bus stoppte und der Fahrer eine
       mehrere hundert Kilo schwere Bombe zündete. 13 Soldaten waren sofort tot,
       einer starb später im Krankenhaus.
       
       ## „Im Rechtsstaat gibt es keine Selbstjustiz“
       
       Die Soldaten kamen aus einer Luftwaffenkaserne, in der auch Fallschirmjäger
       stationiert sind, die in den kurdischen Gebieten im Kampf gegen die PKK
       eingesetzt werden. Aufgrund der Zusammensetzung der Bombe und dem Ziel des
       Anschlages gehen Polizei und Regierung davon aus, dass die PKK für die Tat
       verantwortlich ist.
       
       Die Tat löste Entsetzen, aber auch eine gewisse Ratlosigkeit aus. Allen
       martialischen Ankündigungen von Präsident Recep Tayyip Erdoğan zum Trotz
       bombt die PKK weiter. Erdoğan hatte zuletzt sogar von einer allgemeinen
       Mobilmachung gesprochen. Später sprach er von einem Aufruf an das ganze
       Volk. Alle sollten künftig noch wachsamer sein und Vorkommnisse den
       Behörden melden.
       
       Angesichts dieser Rhetorik und der Ohnmacht gegenüber Attentätern droht die
       Wut in der Bevölkerung in offene Ausschreitungen gegen Kurden umzuschlagen.
       Der deutsch-türkische HDP-Politiker Ziya Pir sprach von einer
       „Pogromstimmung“, die sich breitmache, unabhängig davon, dass die HDP sich
       entschieden von den Anschlägen distanzierte.
       
       Besonnene Regierungsvertreter und bekannte Anhänger der AKP warnten aber
       auch davor, jetzt gegen die HDP oder andere Kurden vorzugehen. Der
       AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu, der dem Menschenrechtsausschuss im
       Parlament vorsitzt, verurteilte die Angriffe auf die HDP und rief dazu auf,
       die Täter anzuzeigen. „Im Rechtsstaat gibt es keine Selbstjustiz“, schrieb
       Yeneroğlu auf Twitter. Auch in Fernsehdiskussionen wurde zur Besonnenheit
       aufgerufen. Sogar eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit der PKK kam
       zur Sprache.
       
       18 Dec 2016
       
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