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       # taz.de -- Wohnungen für Flüchtlinge: Amt will mehr Arbeit
       
       > Bisher hat ein freier Träger Berliner Geflüchteten bei der Wohnungssuche
       > geholfen. Ab 2017 will das das Landesamt für Flüchtlinge selbst
       > übernehmen.
       
   IMG Bild: Wohnungsangebote für Geflüchtete sind knapp in Berlin
       
       Steuert das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) auf ein neues
       Desaster zu? Es spricht viel dafür, dass im kommenden Jahr die
       Wohnungsvermittlung an Flüchtlinge kollabieren wird.
       
       Drei Jahre lang hatte das Land Berlin in einem Modellversuch viele
       Formalitäten bei der Wohnungssuche Geflüchteter aus der Behörde an den
       freien Träger Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) ausgelagert.
       Doch der Vertrag läuft zum Jahresende aus. Dann soll das EJF nur noch bei
       der Wohnungssuche beraten dürfen. Die Vermittlung will das völlig
       überlastete LAF selbst stemmen.
       
       Das geht aus einer Neuausschreibung des Auftrages hervor, den noch die alte
       Landesregierung veranlasste, wie Regina Kneiding, Sprecherin von
       Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), und Katrin Wilcken vom EJF der
       taz bestätigten.
       
       Vor mehr als drei Jahren war kritisiert worden, dass Flüchtlinge Wohnungen
       nicht anmieten konnten, die sie selbst gefunden hatten. Das damalige
       Lageso, Vorgänger des LAF, hätte zuvor der Vermietung zustimmen, die
       Kostenübernahme bestätigen und die Mietüberweisung übernehmen müssen. Die
       Behörde war aber so überlastet, dass die Prüfung, ob das Amt dem
       Mietvertrag zustimmt, oft länger dauerte, als Vermieter warten wollten. Die
       Wohnungen bekamen andere Bewerber – die Geflüchteten gingen leer aus.
       
       Nach Kritik daran übernahm 2014 das EJF die Vermittlung von Wohnungen und
       einen Teil der damit verbundenen Formalitäten. Flüchtlinge, die eine
       Wohnung gefunden hatten, legten dort ihre Papiere vor. Der Träger prüfte,
       ob die Mietkosten übernommen werden dürfen, half beim Ausfüllen der
       Formulare und der Korrespondenz mit dem Vermieter und legte dem Amt dann
       die unterschriftsreifen Mietverträge vor. 2016 hat es das EJF sogar
       geschafft, auf dem schwierigen Berliner Wohnungsmarkt rund 60 Wohnungen für
       Flüchtlinge selbst zu aquirieren.
       
       ## Erfolgreiche Arbeit
       
       Insgesamt stieg dank der Arbeit des EJF die Wohnungsvermittlung an
       Geflüchtete stark an. 2014 wurden 500 Wohnungen an 1.200 Menschen
       vermittelt. 2015 verdoppelten sich die Zahlen: Es wurden 1.000 Wohnungen an
       2.300 Personen vermittelt. 2016 gab es erneut eine Verdoppelung: Gut 4.000
       Flüchtlinge konnten in rund 2.000 Wohnungen einziehen.
       
       Die Zahlen von 2016 entsprechen der Zahl der Bewohner von 16 bis 18
       Turnhallen. Warum in Zukunft die Behörde selbst Wohnungen vermitteln will,
       erklärt Breitenbachs Sprecherin Regina Kneiding damit, dass es sich dabei
       um eine hoheitliche Aufgabe handele. Aufgabe des freien Trägers sei in
       Zukunft vorrangig, Flüchtlinge für die Wohnungssuche fit zu machen, zu
       beraten und sie nach Abschluss eines Mietvertrages über ihre Rechte und
       Pflichten zu informieren. Das bestätigt Katrin Wilcken vom EJF: „Der
       gesamte Publikumsverkehr bei der Wohnungsvermittlung läuft in Zukunft
       wieder über das Amt. Bisher haben wir nur Akten weitergereicht, um das Amt
       zu entlasten.“ Dem EJF werden deshalb im kommenden Jahr drei
       Vollzeitstellen gestrichen, weil die Aufgaben geringer sind. Im Gegenzug
       hat die Behörde nach eigenen Angaben ihr Personal aufgestockt und will es
       weiter aufstocken.
       
       Diana Henniges von „Moabit hilft“ bezeichnet die Neuerung als
       „flüchtlingspolitischen Fehlstart von Rot-Rot-Grün und ein schreckliches
       Weihnachtsgeschenk für Geflüchtete.“ Henniges fürchtet, dass das Amt diese
       Aufgabe nicht bewältigen kann und Flüchtlinge wieder nach Hause geschickt
       werden, wenn Papiere vom Vermieter unvollständig sind. Sie fordert
       Rot-Rot-Grün auf, die Neuerung sofort rückgängig zu machen.
       
       Canan Bayram, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im
       Abgeordnetenhaus, ist bei ihrer Beurteilung vorsichtiger. „Ob das noch von
       Rot-Schwarz angeschobene neue Modell funktioniert, wird davon abhängen, ob
       es Elke Breitenbach gelingt, ihr Amt personell richtig auszustatten.“ Im
       November hatten sich die Mitarbeiter des LAF in einem Brandbrief an die
       Öffentlichkeit gewandt. Von 550 Stellen seien 100 nicht besetzt. Die
       Mitarbeiter seien überarbeitet und ihre Gesundheit leide darunter. Die taz
       hatte berichtet.
       
       Die Grüne Canan Bayram erinnert sich: „Ich habe Anfang 2016 im damaligen
       Landesamt für Gesundheit und Soziales, dem Vorgänger des LAF, hospitiert.
       Da konnte ich sehen, dass sie es nicht einmal schafften, die vom EJF
       vorsortierten Akten zu prüfen. Der Aktenschrank war so voll, dass die Tür
       nicht zuging.“
       
       27 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
       ## TAGS
       
   DIR Geflüchtete
   DIR Schwerpunkt Korruption
   DIR Geflüchtete
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Die Linke Berlin
       
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