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       # taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Braun
       
       > Die Farbe steht schon seit geraumer Zeit dafür, dass etwas nicht klappt.
       > Wie eine Schweizer Schule zeigt: Umdenken ist angebracht.
       
   IMG Bild: Auch Erde ist braun. Und da kann was wachsen
       
       Der Schweizer Rektor Marius Ettlinger vergibt in seiner Grundschule statt
       Noten oder Bemerkungen neuerdings Farben. Und zwar nicht etwa in Form einer
       aggressiv warnenden Ampel, sondern einer sich entwickelnden Sonnenblume.
       
       So reicht die Farbnotenskala von der braunen Erde über den grünen Stängel
       und die orangefarbene Frühblüte bis hin zur leuchtend gelben Vollblüte.
       Braun ist also erst mal unten. Bodensatz. Buchstäblich, farbstäblich
       Scheiße. Doch so dürfen wir das nicht sehen. Ein Umdenken ist gefragt, eine
       positive Neubewertung – genau das ist schließlich auch die Idee hinter den
       kunterbunten Zeugnissen. „Die Farbe Braun steht für ‚Das klappt noch nicht.
       Ich brauche Hilfe‘ “, sagt Ettlinger.
       
       Dafür steht die Farbe allerdings schon lange: für Menschen, bei denen so
       einiges nicht klappt, ob im Kopf oder im Leben, und die aufgrund ihrer
       Einstellung auf die dringende Hilfe von Gegendemonstranten, Judikative und
       Exekutive angewiesen sind. Die Farbe Braun ist jedoch unschuldig daran.
       Zwar reklamierten ursprünglich auch die Nazis die Farbe des Heimatbodens
       für ihre Sache, doch das erweist sich als durchschaubarer Irrtum:
       Verbrannte Erde ist schwarz.
       
       „Braun steht für die Erde – und aus der kann schließlich was Gutes
       gedeihen“, belehrt denn der Schweizer Schulmeister mit einer Schafsgeduld
       die vernagelten Braunfeinde von Spiegel Online. Braun ist fruchtbar, Braun
       ist Leben, Braun ist schön. Nicht umsonst gilt die moderat gebräunte Haut
       vielen als attraktiv.
       
       Die neue Rechte ist ja nun auch blau. Mutter Erde, Vater blau – das wird
       den Farben weitaus gerechter. Das blöde Blau ist nämlich überschätzt. Und
       vergessen wir nicht den FC St. Pauli, diesen wackeren, linken Club, den
       einzigen in Deutschland mit braunen Vereinsfarben.
       
       Natürlich fragt man sich, warum irgendwelche Schwaben, die nicht mal die
       Abseitsregel kennen, sich unbedingt die Pose des St.-Pauli-Fans anziehen
       müssen, als wäre es ein fancy Tattoo. Aber da können ja weder Club noch
       Farbe was dafür.
       
       25 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uli Hannemann
       
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