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       # taz.de -- Von der Mobilität ausgeschlossen: Gefährliche Geschosse
       
       > Der HVV lässt seit 1. Januar keine E-Mobile mehr in den Bus, weil sie
       > alle keine Feststellbremse haben, eine Bundes-Regelung soll folgen.
       > Rollstühle betrifft das nicht
       
   IMG Bild: Dürfen vorerst nicht in Hamburger Busse: E-Scooter
       
       Hamburg taz | In der scharfen Kurve kippt er um, trudelt durch den Bus,
       überrollt Mann und Kind: Ein Elektro-Mobil kann zum gefährlichen Geschoss
       werden, wenn der Busfahrer ausweichen muss. Deshalb hat der HVV – als einer
       der bundesweit ersten öffentlichen Verkehrsbetriebe – seit dem 1. Januar
       die Mitnahme von E-Scootern verboten. Allerdings nur in Linienbussen, nicht
       in Bahnen und auf Fähren. Eine bundesweite Regelung soll im Laufe des
       Jahres folgen.
       
       Diskutiert wird das Problem der E-Scooter, die sich – anders als
       Elektro-Rollstühle – jeder rezeptfrei kaufen kann, seit 2014. Da ließ die
       Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen (Stuva) ein erstes
       Gutachten zur Sicherheit von E-Scootern in Linienbussen erstellen. Im
       Oktober 2016 folgte ein zweites, im Dezember ein drittes.
       
       Jedes verschärfte die Voraussetzungen für die Mitnahme. Waren zunächst nur
       eine Maximallänge von 1,20 Metern und ein Höchstgewicht von 300 Kilo
       vorgeschrieben, muss das E-Mobil seit Neuestem ein zusätzliches drittes
       Bremssystem haben. Das legten Fahrversuche der Dekra nahe, bei denen die
       E-Scooter während der Busfahrt ins Kippen und Rutschen geraten waren.
       
       Die mangelnde Standsicherheit ist tatsächlich ein lange bekanntes – und
       ignoriertes – Defizit. Kein Hersteller bietet derzeit ein E-Mobil mit
       Feststellbremsen an, wie sie etwa Kinderwagen und Rollstühle haben.
       Stattdessen wirken E-Scooter-Bremsen nur auf die Achsen und versagen wegen
       eines Ausgleichsgetriebes, sobald eins der Räder den Bodenkontakt verliert.
       
       Bisher habe der HVV diese Fahrzeuge, die nicht einmal von den Herstellern
       explizit für die Fahrt im Bus zugelassen seien, stillschweigend befördert,
       sagt Johannes Köhn, Geschäftsführer der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für
       behinderte Menschen (LAG). Und Elektro-Rollstühle würden ja auch weiterhin
       transportiert. „Aber es steht außer Frage, dass der HVV auch bei E-Scootern
       auf Sicherheit achten muss“, sagt er. Und auch wenn der LAG nicht viele
       E-Scooter-Fahrer vertrete, habe man gemeinsam mit dem HVV seit Oktober
       Trainings für die Fahrt mit E-Mobil im Bus angeboten.
       
       Diesen Scooter-„Führerschein“ oder -pass – nebst Plakette mit Angaben zu
       Größe und Gewicht – hatte der HVV seit Oktober 2016 vorgeschrieben. Und
       damit die Pass-Inhaber durch das neue Verbot nicht abgehängt werden, gilt
       derzeit eine Übergangsregelung: „Wer einen E-Scooter-Pass hat, kann
       telefonisch einen kostenlosen Shuttle-Service bei uns anfordern“, sagt
       HVV-Sprecher Rainer Vohl.
       
       Dies soll bis zu einer bundesweiten Regelung gelten, die die Mitnahme im
       Bus wieder möglich macht. Und zwar dann, wenn endlich E-Mobile mit
       Feststellbremse erhältlich und alte Fahrzeuge umrüstbar sind. Die Branche
       zögert allerdings noch: Hierzulande entwickelt derzeit eine einzige Firma
       einen E-Scooter mit dritter Bremse. Bis April/Mai will man fertig sein und
       dann auch alte Modelle umrüsten können.
       
       Unklar ist indes, wie stark sich die Krankenkassen, die behinderten
       Menschen nicht nur E-Rollstühle, sondern auch E-Scooter finanzieren, an den
       Kosten für die Umrüstung oder den Neukauf beteiligen. Konkrete Aussagen
       gibt es dazu bislang noch nicht.
       
       3 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Schellen
       
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