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       # taz.de -- Anti-Drogen-Kampf auf den Philippinen: Zwischen Sicherheit und Todesangst
       
       > In Davao, wo Präsident Duterte Bürgermeister war, wird hart in Fällen von
       > Drogenkriminalität durchgegriffen. Das Beispiel macht Schule.
       
   IMG Bild: Überall Duterte: T-Shirt-Verkäufer in Davao
       
       Davao taz | Auf dem Roxas-Boulevard im Geschäftsviertel der philippinischen
       Millionenstadt Davao zeigt eine Marmorplatte die Namen von 15 Opfern eines
       Bombenanschlags. Am 2. September 2016 starben vor allem Masseurinnen und
       Masseure, die unter freiem Himmel Verspannungen im Nacken und Rücken
       behandelten. Der Attentäter hatte ihre Dienste genutzt und dann einen
       Sprengsatz hinterlassen.
       
       Bis heute ist unklar, wer dahinter steckt. Vieles deutet auf die
       radikal-islamistische Gruppe Abu Sayyaf hin, die im Westen der Insel
       Mindanao und im Sulu-Archipel ihr Unwesen treibt. Es gibt aber auch
       Hinweise, dass Drogenbosse ein Zeichen setzen wollten. Mindanaos Hauptstadt
       Davao gilt als eine der sichersten Millionenstädte weltweit, seit Rodrigo
       Duterte dort in zwei Jahrzehnten mit brachialen Methoden dem Verbrechen den
       Kampf ansagte.
       
       Drogenhändler wurden von Killerkommandos unter Dutertes Beifall
       hingerichtet. Inzwischen ist Davaos früherer Bürgermeister Präsident der
       Philippinen. Wurde er landesweit mit 39 Prozent der Stimmen gewählt, waren
       es in Davao 96 Prozent. Im Wahlkampf hatte er versprochen, das Modell Davao
       auf die ganze Nation auszuweiten.
       
       In dieser großflächigen Stadt im Süden Mindanaos sprechen fast alle in den
       höchsten Tönen von ihrem Präsidenten. Viele tragen Duterte-T-Shirts oder
       kleben seine Slogans auf ihre Autos. Sein grünes Privathaus am Stadtrand
       ist eine Pilgerstätte. Souvenirhändler verkaufen vor dem Eckhaus
       Duterte-Tassen, -Aufkleber und -T-Shirts. Eine lebensgroße Pappkopie
       Dutertes lädt zum Selfie ein.
       
       ## Im Crystal Meth-Rausch
       
       Jüngsten Umfragen zufolge begrüßen landesweit 84 Prozent seinen „Krieg
       gegen die Drogen“. Viele teilen die unentwegt getrommelte Botschaft,
       Drogenkonsum und -handel seien das zentrale Problem des Landes.
       
       Der Bauer Gilbert konsumierte hier schon vor Jahren Crystal Meth. Die auf
       den Philippinen als Shabu gehandelte Synthetikdroge macht schnell süchtig.
       Gilbert vernachlässigte seine Familie und macht sich für den Tod seiner
       noch nicht zweijährigen Tochter verantwortlich: „Statt sie ins Krankenhaus
       zu bringen, habe ich zuerst an meine Sucht gedacht.“
       
       Bald dealte er im Freundeskreis und wurde von der Polizei erwischt. „Der
       Polizeichef stellte mich vor die Wahl: Gefängnis, Entzug oder Friedhof.“
       Gilbert ließ sich in die kommunale Klinik für Drogenabhängige einweisen.
       
       Die Patienten müssen dort früh aufstehen und werden den ganzen Tag
       beschäftigt, wie Schwester Eleanor Gabato schildert. Sie müssen ihr Essen
       selbst kochen, ihre Schlafsäle sauber halten und ihre Wäsche waschen.
       Straff gezogene Bettlaken und Morgenappell tragen militärische Züge.
       Mindestens sechs Monate werden Süchtige dort therapiert.
       
       ## Gefängnisse total überbelegt
       
       Angaben zur Erfolgsquote gibt es nicht, da die Patienten danach dem
       Gesundheitsministerium für weitere 18 Monate zur Nachbehandlung übergeben
       werden. Nur wenige bekommen diese Entzugsmöglickeit. Davaos Gefängnisse
       seien zu 600 Prozent überbelegt, sagt die Sozialforscherin Mags Maglana.
       Sie diagnostiziert ein völliges Versagen der Justiz. So endeten viele im
       Visier der Polizei auf dem Friedhof.
       
       Für über 2.000 der bisher rund 6.000 Todesopfer von Dutertes inzwischen
       landesweitem Drogenkrieg übernimmt die Polizei die Verantwortung. Auch wer
       sich freiwillig stelle, sei keineswegs sicher, kritisiert Maglana.
       
       Die Sozialarbeiterin Cherry Ann Malencion aus der Rehabilitationsklinik
       glaubt nicht, dass die Polizei absichtlich töte: „Sie schießen nur zurück.
       Drogensüchtige sind geisteskrank. Will man sie festnehmen, wehren sie
       sich.“ So ähnlich steht es auch in den Polizeiprotokollen, deren
       Wahrheitsgehalt fast nie überprüft wird.
       
       Die Sozialarbeiterin schwärmt, wie sicher die Stadt geworden sei. „Früher
       konnte man nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr unterwegs sein, ohne
       überfallen zu werden.“ Inzwischen setzt Dutertes Tochter Inday Sara als
       neue Bürgermeisterin die Politik ihres Vaters hier fort. Auch die
       Entzugspatienten befürworten die harte Hand gegen Süchtige.
       
       ## Armut als größtes Problem
       
       Bauer Gilbert schränkt ein: „Man muss sie nicht gleich umbringen.“ Bernie
       Mondragon, der in Davao eine Kinderrechtsorganisation leitet, sieht
       Dutertes Vorgehen kritisch: „Viele Kinder werden so zu Waisen.“ Die Armut
       sei das größte Problem. „Die meisten dealen, weil sie ihre Familien
       durchbringen müssen.“
       
       Menschenrechtsaktivisten wie er sind Duterte ein Dorn im Auge. Sollten sie
       seinen Drogenfeldzug behindern, würden auch sie getötet, drohte er. Während
       sich die einen sicher fühlen, haben jetzt nicht nur Kriminelle Todesangst.
       
       3 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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