# taz.de -- Kommentar Zentraler Verfassungsschutz: Mammutbehörde nicht notwendig
> Es gibt keine Gewähr dafür, dass eine zentrale Sicherheitsbehörde
> effektiver arbeitet. Es gibt gute Gründe, die föderale Struktur
> beizubehalten.
IMG Bild: Nichts deutet darauf hin, dass eine Mammuthbehörde auch mehr Sicherheit bedeutet
Der Vorschlag klingt einleuchtend: Als Lehre aus dem Terroranschlag in
Berlin will Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Sicherheitsbehörden
zentralisieren – allen voran den Verfassungsschutz, dessen Landesämter
abgeschafft gehörten. Das rührt tatsächlich an einen Kern des Problems. Die
Behörden hatten den Täter Anis Amri zwar als Gefährder ausgemacht, ihn in
ihrem Geflecht aber aus den Augen verloren. Warum also nicht tatsächlich
die Informationen bündeln?
Diese Debatte ist ein Wiedergänger. Schon nach dem NSU-Versagen sollte der
Verfassungsschutz zentralisiert werden. Auch damals wurden Informationen
über Terroristen nicht zusammengeführt. Am Ende standen zehn Tote. Und
damals wie heute leisten die Länder frontalen Widerstand. Das hat mit
Besitzstandswahrung zu tun.
Aber die Verteidigung des Föderalismus hat auch gute Gründe. Die
Landesämter für Verfassungsschutz waren zuvorderst eine Reaktion auf das
NS-Regime. Nie wieder sollte eine zentral gesteuerte Gestapo entstehen
können. Föderale, kleinteilig kontrollierte Ämter anstelle eines
Supergeheimdiensts – das hat auch heute noch seinen Wert.
Umso mehr, als auch in einer solchen Großbehörde längst nicht ausgemacht
wäre, dass sie effizienter arbeitet. Gerade der Fall NSU hat dem
Verfassungsschutz dabei ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt: Die
rechtsextreme Terrorgefahr wurde lange verkannt, Informationen über das
Trio wurden gebunkert, die Aufklärung wird bis heute eher ausgebremst.
Ausgerechnet hieraus soll ein neuer Mammutdienst erwachsen?
Was jetzt gebraucht wird, ist zuallererst eine klare Analyse. Woran genau
scheiterte der Informationsaustausch der Behörden im Fall Amri? Dazu
bleiben Antworten bisher aus. Auch weil der Fall in einer Institution
behandelt wurde, die bereits Großformat hat: dem Gemeinsamen
Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ). 40 Sicherheitsbehörden sind dort
versammelt, ihre Arbeit aber bleibt weitgehend im Dunklen.
Hier braucht es mehr Kontrolle. Wie genau werden im GTAZ Gefährder im Blick
behalten? Wo gibt es Hindernisse? Werden Einblicke in diese Arbeit
geschaffen, besteht auch die Chance, Defizite oder Irrwege zu korrigieren.
Das ist das eine. Das andere ist: die Qualifizierung innerhalb der
Behörden. Dem Verfassungsschutz ist die Öffnung bislang nicht gelungen. Die
meisten Mitarbeiter sind weiterhin Verwaltungsjuristen, Quereinsteiger mit
externem Sachverstand bleiben selten. Darauf aber käme es jetzt an. Denn
zentral für die Bekämpfung von Terror ist das Wissen über Strukturen und
Netzwerke. Und das dafür qualifizierte Personal ist letztlich wichtiger als
die Frage, ob es mehr oder weniger Behörden braucht.
3 Jan 2017
## AUTOREN
DIR Konrad Litschko
## TAGS
DIR Sicherheitsbehörden
DIR Verfassungsschutz
DIR Föderalismus
DIR Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
DIR Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
DIR Rechtsextremismus
DIR Innere Sicherheit
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Verfassungsschutz
DIR Anschläge
DIR Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
DIR Schwerpunkt Rechter Terror
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Kommentar zur Verfassungsschutzreform: Schneidig, aber falsch
Föderalismus ist kein Überbleibsel von Spinnereien nach dem 2. Weltkrieg.
Wer in der Verfassungsschutzdebatte mehr Zentralisierung will, braucht gute
Gründe.
DIR Ermittlungen nach Berliner Anschlag: Die Jagd nach Komplizen
Nach dem Terroranschlag nehmen die Ermittler zwei Verdächtige ins Visier.
Für die Bundesanwaltschaft sind noch einige Fragen offen.
DIR Umgang mit Extremisten in Deutschland: Regierung will Fußfesseln zulassen
Extremistischen Straftätern, die aus der Haft entlassen werden, will
Justizminister Heiko Maas künftig eine Fußfessel auferlegen können.
DIR Konzeptpapier zu innerer Sicherheit: SPD-Chef für einen starken Staat
Sigmar Gabriel spricht sich unter anderem für mehr Videoüberwachung aus.
Gleichzeitig ist er bemüht, sich von der CDU abzugrenzen.
DIR Sicherheitsbehörden zentralisieren: Bundesländer gegen de Maizière
Bei den Landesinnenministern kommen die Sicherheitspläne de Mazières nicht
gut an. Er will die VS-Landesämter abschaffen.
DIR Maßnahmen gegen Terror: De Maizière will den Bund stärken
Der Innenminister fordert mehr Vollmachten für den Bund, um besser gegen
Terroristen vorgehen zu können. „Ausreisezentren“ sollen Abschiebungen
erleichtern.
DIR Kommentar Sicherheit nach Anschlägen: In der Dauerschleife
Nach dem Terroranschlag von Berlin ist die Sicherheitsdebatte erneut
entbrannt. Doch: Am Kern des Problems geht die Diskussion vorbei.
DIR Ermittlungen nach dem Berliner Anschlag: Was für ein Fiasko
Die Sicherheitsbehörden hatten den mutmaßlichen Attentäter über Monate im
Visier – und verloren seine Spur. Die Politik reagiert fassungslos.
DIR Verfassungsschutz und NSU: Das Rätsel Andreas Temme
Die Rolle des Verfassungsschützers wird dubioser. Er führte mehr V-Leute
als bekannt – trotz Mordverdacht sollte er früh in den Dienst zurück.