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       # taz.de -- EU-Gipfel in Brüssel: Sackgasse Aleppo
       
       > Der Bürgermeister von Ost-Aleppo berichtet von Gräueln. Merkel wirft Iran
       > und Russland Vergehen in Syrien und dem UN-Sicherheitsrat Versagen vor.
       
   IMG Bild: Wie Fähnchen im Wind verhält sich die EU zum Krieg in Syrien
       
       Brüssel dpa/rtr | Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Russland und dem Iran
       schwerste Vergehen im Kampf um die syrische Stadt Aleppo vorgeworfen. Sie
       sprach von „gezielten Angriffen auf Zivilpersonen (…), auf Krankenhäuser“
       und nahm auch das Regime von Baschar al-Assad in die Pflicht. „Verstöße
       gegen das Völkerrecht“ müssten geahndet werden, verlangte sie nach dem
       Brüsseler EU-Gipfel am späten Donnerstagabend. Unterdessen zeichnet sich
       ab, dass die Evakuierungsmission in den weitgehend zerstörten
       Rebellengebieten Ost-Aleppos noch Tage dauern könnte.
       
       Das Drama um Aleppo überschattete den EU-Gipfel, bei dem unter anderem auch
       Beschlüsse zur Steigerung der Verteidigungsausgaben und längere Sanktionen
       gegen Russland wegen der Ukraine-Krise fielen. Während Merkel dem
       UN-Sicherheitsrat Versagen vorwarf, forderte Frankreichs Präsident François
       Hollande: „Die Zivilbevölkerung muss Aleppo verlassen können, ohne um ihr
       Leben fürchten zu müssen. Es sind noch 50.000 eingeschlossen.“
       
       Hollande machte auch deutlich, dass für ihn auch Sanktionen gegen Russland
       wegen seiner Rolle im Syrien-Konflikt denkbar sind. Der Bürgermeister des
       umkämpften Ostteils der Stadt, Brita Hagi Hasan, warnte die Staats- und
       Regierungschefs vor den Folgen unterlassener Hilfe für die eingeschlossenen
       Menschen: „Sie sind kurz davor massakriert zu werden.“
       
       Angesichts der Kriegsgräuel will die EU nach eigenem Bekunden alle
       verfügbaren diplomatischen Kanäle nutzen, um die Not der Menschen zu
       lindern. „Uns ist das Leiden nicht egal“, sagte Ratspräsident Donald Tusk.
       Ziel seien humanitäre Korridore nach Ost-Aleppo, freier Zugang für Helfer
       und eine Evakuierung unter internationaler Aufsicht. Tusk gestand
       allerdings ein, dass „wir nicht so effektiv sind, wie wir es gerne wären“.
       Er hatte den Bürgermeister von Ost-Aleppo zum Gipfel geladen, um „die
       Stimme der Menschen von Aleppo zu hören, zumindest auf diese symbolische
       Weise“. Merkel nannte dessen Bericht sehr deprimierend.
       
       Laut der Leiterin der Mission des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz
       (IKRK), Marianne Gasser, wurden bis zum späten Donnerstagabend trotz
       Verzögerungen durch Schüsse etwa 3000 Zivilisten und einige Verletzte aus
       der Stadt herausgebracht. Auch bei Dunkelheit lief die Mission demnach
       zunächst weiter, die Busse brachen erneut in die Rebellengebiete auf. Bis
       zuletzt sei nicht klar gewesen, ob die internationalen Helfer ihre Mission
       durchführen konnten. Mit tagelangen Verzögerungen bei der Evakuierung sei
       zu rechnen.
       
       Wie die Nachrichtenagentur reuters berichtet, haben die Weißhelme und
       andere Bürgerrechtsgruppierungen ein 39-seitiges Schreiben an einen
       Untersuchungsausschuss der Vereinten Nationen geschickt, in dem sie
       Russland Kriegsverbrechen vorwerfen. Durch Luftangriffe russischer
       Kampfflugzeuge seien 1207 Zivilisten, darunter 380 Kinder ums Leben
       gekommen. Demzufolge gab es zwischen Juli und Dezember in der Region Aleppo
       etwa 304 Angriffe, für die mit großer Wahrscheinlichkeit Russland
       verantwortlich ist.
       
       ## Dauerstreit Asylpolitik
       
       Kaum voran kamen die Staats- und Regierungschefs in Brüssel auch im
       Dauerstreit über die EU-Asylpolitik. Tusk räumte ein: „Wir wissen, dass
       noch mehr zu tun ist.“ Merkel hatte schon zu Beginn klargestellt, dass sie
       verstärkt auf den Kampf gegen Menschenschlepper und Fluchtursachen setzt.
       Die Debatte soll nach Tusks Worten beim informellen EU-Gipfel auf Malta im
       Februar fortgesetzt werden.
       
       Die Kanzlerin traf gemeinsam mit Hollande und den Regierungschefs aus
       Italien und Spanien, Paolo Gentiloni und Manuel Rajoy, Mahamadou Issoufou,
       den Präsidenten des westafrikanischen Staates Niger. Dieser steht als
       Beispiel für die von der EU angestrebte „Migrationspartnerschaft“ mit
       Ländern Afrikas. Flüchtlingsströme möglichst dauerhaft zu reduzieren, das
       ist Merkels großes Ziel, es wird auch über ihren Erfolg oder Misserfolg bei
       der Bundestagswahl 2017 entscheiden.
       
       Die Staats- und Regierungschefs bekannten sich aber erneut zum
       Flüchtlingspakt mit der Türkei. Tusk stellte dem türkischen Präsidenten
       Recep Tayyip Erdogan einen Gipfel Anfang 2017 in Aussicht. Dann könnte es
       auch um die Vertiefung der Zollunion mit Ankara gehen, sagte Tusk.
       
       ## Verteidigung ausweiten
       
       Ferner sind sich die 28 EU-Staaten nun auch grundsätzlich einig über den
       Ausbau ihrer Zusammenarbeit bei der Verteidigung. Sie bekannten sich dazu,
       zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen – also mehr für das Militär
       auszugeben.
       
       Trotz Milliardenverlusten für die eigene Wirtschaft sprachen sie sich auch
       für die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland bis
       mindestens 31. Juli 2017 aus. Verhängt worden waren sie 2014 wegen der
       Ukraine-Krise. Verlängert werden die Handels- und
       Investitionsbeschränkungen nun, weil das Minsker Waffenstillstandsabkommen
       nach wie vor nicht umgesetzt ist.
       
       Auch mit einer weiteren Entscheidung stellten sich die 28 Staats- und
       Regierungschefs gegen Russland: Mit einer Zusatzerklärung wollen sie den
       Weg zur Ratifizierung des von Moskau scharf kritisierten
       Partnerschaftsabkommens mit der Ukraine ebnen.
       
       Das Abkommen lag auf Eis, weil niederländische Wähler im Frühjahr bei einem
       Referendum mehrheitlich dagegen gestimmt hatten. Die rechtsverbindliche
       Erklärung soll die Bedenken ausräumen. Sie hält vor allem fest, dass das
       Abkommen der Ukraine nicht die Tür zur EU-Mitgliedschaft öffnet. Es sieht
       deutlich engere Beziehungen sowie Zollfreiheit zwischen der Ukraine und der
       EU vor. Russland sieht die Westbindung der Ukraine grundsätzlich kritisch.
       
       Ohne Großbritannien vereinbarten die 27 bleibenden Mitglieder auch einige
       Grundsätze für die Verhandlungen über den Brexit, die nächstes Jahr
       beginnen sollen.
       
       16 Dec 2016
       
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