# taz.de -- „Nafri“ in der politischen Debatte: Kartoffeln wollen Antworten
> Alexander Dobrindt ist Verkehrsminister und möchte nicht auf
> problematische Begriffe wie „Nafri“ verzichten. So normalisiert sich
> Rassismus.
IMG Bild: Reproduziert den Begriff „Nafri“: Alexander Dobrindt
Nachdem die Kölner Polizei sich auf Twitter [1][zur Praxis des Racial
Profilings und internem rassistischen Jargon] für ihre Kontrollen in der
Silvesternacht outete, ist die #Köln-Debatte für 2017 gesetzt: Das
Feindbild ändert sich nicht, aus „nordafrikanisch oder arabisch aussehenden
Männern“ wurden „nordafrikanische Intensivtäter“, kurz „Nafris“.
So bezeichne die Polizei in NRW schon seit 2013 intern Straftäter aus u. a.
Ägypten, Tunesien, Marokko und sogar Syrien. Dass letzteres Land auf einem
anderen Kontinent liegt, ist geschenkt, Hauptsache Schwarzköpfe halt.
Kennste einen, kennste alle. Menschenfeindliche Stammtischparolen kann die
Polizei ja im Schlaf mitsingen.
Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies erklärte nach dem Tweet über das
Racial Profiling, dass der behördeninterne Begriff nicht hätte nach Außen
kommen dürfen. Unerwähnt blieb, dass diese rassifizierende Benennung
mutmaßlicher Täter an sich rassistisch ist, und, wie auch die Praxis das
Racial Profilings, gegen das Grundgesetz verstößt. Wahrscheinlich, weil
viele Beamt_innen und Politiker_innen diesen Wisch nicht so Ernst nehmen.
Vielleicht glauben sie, sie stünden als Organe des Staates drüber.
Vielleicht ist ihnen die Annahme, dass alle Menschen gleich seien und in
ihrer Würde nicht verletzt werden sollten, auch einfach zu wild.
Warum sonst, wenn nicht aus purem Rassismus heraus, würde
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt den Begriff reproduzieren? „Die
Menschen wollen klare Antworten auf die Frage, wie der Staat bestmöglich
für ihre Sicherheit sorgt und sie zum Beispiel vor Nafris schützt“, sagte
der CSU-Politiker der Passauer Neuen Presse. Von der CSU zur AfD ist es
ohnehin nicht mehr weit, würden viele sagen. Von „Nafri“ zum N-Wort auch
nicht.
## Respekt auch für nicht-weiße Menschen
Dobrindt zeigt sich in vieler Hinsicht absurd und ignorant. Stellen wir uns
vor, alle Personen in öffentlichen Positionen, die „Nafri“ sagen, würden
auch weiße Deutsche konsequent als „Kartoffeln“ bezeichnen – ein Wort, das
im Gegensatz zum ersten nicht mal rassistisch ist, sondern nur abwertend.
Wir können uns sicher sein: „Die Kartoffeln wollen klare Antworten …“ würde
niemals aus dem Mund eines CSU-Politikers kommen. Und das ist okay so, weil
es häufig als beleidigend empfunden wird. Warum gilt der Respekt dann nicht
auch für nicht-weiße Menschen?
Für sie hört nicht nur die Beachtung, sondern auch das Ernstnehmen ihrer
Ängste auf. Angehörige der NSU-Opfer wünschen sich sicherlich auch klare
Antworten auf die Frage, wie der Staat für ihre Sicherheit sorgt und sie
zum Beispiel vor rechtem Terror schützt. Denn der ist definitiv nicht mit
den beiden Uwes gestorben, sondern setzt sich täglich fort, wie die über
900 Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte allein im Jahr 2016 quittieren.
Mich würde auch interessieren, wie viele Passkontrollen es eigentlich bei
Pegida-Märschen gibt, denn Tatverdächtige tummeln sich dort in großen
Scharen. Wenn Rassist_innen und Nazis auf die gleiche Art dämonisiert und
verfolgt würden wie muslimische Männer, würden deutsche Zustände gleich
ganz anders aussehen.
Doch darum soll es nicht gehen. Wenn sich Politiker_innen reihenweise für
das Racial Profiling bei der Polizei bedanken und jene, die diese
rassistische Praxis kritisieren, als Wahnsinnige denunziert werden, wenn
sich Termini wie „Nafri“ in alltägliches Vokabular etablieren und Menschen
aus einer sehr großen Region pauschal zu gefährlichen Täter_innen gemacht
werden, dann geht es um die Normalisierung von Rassismus.
Und darin sind Kartoffeln aller Parteien, Beamt_innenpositionen und
politischen Ausrichtungen, wie auch von Alice Schwarzer jüngst vorgeführt,
ziemlich gut.
6 Jan 2017
## LINKS
DIR [1] https://twitter.com/polizei_nrw_k/status/815318640094572548
## AUTOREN
DIR Hengameh Yaghoobifarah
## TAGS
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR Polizei
DIR Alexander Dobrindt
DIR Racial Profiling
DIR Köln
DIR Silvester
DIR Theater
DIR Schwerpunkt Pegida
DIR Polizei
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR Köln
DIR Sexismus
DIR Lesestück Interview
DIR CSU
DIR Silvester
DIR Köln
DIR Köln
DIR Schwerpunkt AfD
DIR Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Regisseur Vontobel über das N-Wort: „Theater ist ständiges Hinterfragen“
Roger Vontobel hat in Bochum Bernard-Marie Koltès’ „Kampf des Negers und
der Hunde“ inszeniert. Ein Gespräch über Political Correctness und
Kunstfreiheit.
DIR Sachbuchautor über „besorgte Bürger“: „In einem kontrafaktischen Raum“
Von A wie Abendland bis Z wie Zionisten: Der Leipziger Politologe Robert
Feustel erklärt die vielen Kampfbegriffe der „besorgten Bürger“.
DIR Kriminologin über „Racial Profiling“: „Andere Methoden bringen mehr“
Polizeikontrollen allein aufgrund des Aussehens sind gesetzwidrig. Und auch
nicht effektiv, sagt die Kriminologin Daniela Hunold.
DIR Diskriminierungserfahrungen: Schwarzweißland
Ob in der U-Bahn oder am Flughafen: Nicht-weiße Personen werden anders
behandelt. Fünf Betroffene berichten von Alltagsrassismus und Racial
Profiling.
DIR Racial Profiling in Köln: Zu früh für einen Schlussstrich
Die Politik möchte die Debatte um Racial Profiling beenden. Doch sie
beginnt erst, denn die Behauptungen der Polizei sind fragwürdig.
DIR Debatte Silvesternacht in Köln: Jetzt reden die Männer
Die Diskussion um die Silvesternacht macht aus Frauen Opfer, die es zu
beschützen gilt. Wo sind die weiblichen Stimmen, die dem widersprechen?
DIR Boris Palmer über Polizeieinsatz in Köln: „Das muss man aushalten“
Die Grünen dürfen der Polizei nicht in den Rücken fallen, meint Tübingens
grüner OB Boris Palmer. Man könne nicht die ganze Republik gegen sich
aufbringen.
DIR CSU-Klausurtagung in Seeon: Es grummelt im Kloster
Während Seehofer weiter den Streit sucht, hat die CSU im Bund davon
zunehmend die Nase voll. In kleiner Runde fallen auch mal deutliche Worte.
DIR Nach Silvester in Köln: Ein Kessel Behauptungen
Haben junge Männer nordafrikanischer Herkunft an Silvester in Köln eine
„Machtprobe“ mit dem Staat gesucht? Dafür gibt es keinerlei Belege.
DIR Debatte Silvester in Köln: In der weißen Blase
Die Kritik an rassistischen Polizeikontrollen sollte in Deutschland
Bürgerpflicht sein. Stattdessen wird sie jetzt diffamiert.
DIR Silvesternacht in Köln: Polizei lässt Kritik gelten
Die Landespolizei verteidigt verschärfte Kontrollen und wehrt sich gegen
den Vorwurf eines Racial Profiling. Der „Nafri“-Tweet sei aber falsch
gewesen.
DIR Faktencheck zur Silvesternacht: Die Phantom-Banden der Rechten
Die AfD spricht von „nordafrikanischen Flashmobs“ in Dortmund, Hagen und
Frankfurt. Andere Rechte steigen mit ein, aber die Polizei widerspricht.
DIR Kommentar Racial Profiling auf Twitter: Die Sprache der Kölpos
Die Kölner Polizei bezeichnet Männer, die mutmaßlich aus Nordafrika kommen,
als „Nafris“. Das klingt nicht nur rassistisch – das ist es auch.