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       # taz.de -- Hansekultur: Hamburg lässt Lübeck im Stich
       
       > Lübeck und Hamburg wollen sich als „Europas Kulturhauptstadt“ bewerben.
       > Doch an der Elbe herrscht Angst vor Kosten und dem Volk.
       
   IMG Bild: Weltkulturerbe, aber nicht Teil der Kulturhauptstadt Europas: Das Holstentor in Lübeck
       
       HAMBURG taz | Gute Nachbarschaft könnte anders aussehen, als es zwischen
       Hamburg und Lübeck derzeit der Fall ist: Von der Idee einer gemeinsamen
       Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ im Jahr 2025 ist nicht
       mehr viel übrig. Anscheinend gibt es nicht einmal mehr eine Kommunikation
       zwischen den beiden Hansestädten über dieses Thema. „Wir wissen nicht, ob
       es in Lübeck noch Planungen an einem Konzept zur Kulturhauptstadt gibt“,
       sagte Marion Köhler, Sprecherin der Metropolregion Hamburg, in der Lübeck
       die zweitgrößte Stadt ist. „Derzeit ruhen alle Gespräche.“
       
       Die Lübecker indes planen munter weiter vor sich hin. In diesem Jahr feiert
       die einstige Königin der Hanse ihren 30. Geburtstag als
       Unesco-Weltkulturerbe: 1987 wurde die gesamte historische Innenstadt als
       erstes derartiges Ensemble in Nordeuropa in die Liste der
       Weltkulturerbe-Stätten aufgenommen und befindet sich seitdem in einer Liga
       mit der Chinesischen Mauer, der Akropolis in Athen oder etwa den Pyramiden
       von Gizeh.
       
       Dieser Titel würde bei einer Bewerbung um die europäische Kulturhauptstadt
       „natürlich in die Waagschale geworfen“, sagte Nina Jacubczyk, Leiterin des
       Kulturbüros in Lübeck. „Wenn es um konzeptionelle Inhalte geht, liegt das
       auf der Hand.“ Dass Hamburg nicht mehr mitspielen will, sei ihr indes nicht
       bekannt, sagte sie. Derzeit lässt Jacubczyk eine Machbarkeitsstudie
       erarbeiten – 25.000 Euro hat die Bürgerschaft der finanziell klammen
       Hansestadt hinterm Holstentor dafür bewilligt. Wenn die Empfehlungen der
       Studie im Sommer vorlägen, müsste der Austausch über die gemeinsame
       Bewerbung zusammen mit Hamburg intensiviert werden, sagte Jacubczyk.
       
       In diesem Fall von einer Wiederbelebung zu sprechen, wäre aber wohl
       treffender. Denn in Hamburg will sich offiziell niemand mehr für die
       Bewerbung aussprechen. Seit dem verlorenen Referendum über Olympische
       Spiele im November 2015 ist in Senatskreisen die Bereitschaft zu einem
       weiteren großen Bewerbungsverfahren begrenzt. „Nicht noch eine Klatsche“,
       wehrt einer alle Gedankenspiele ab, der mit den Gesprächen hinter den
       Kulissen vertraut ist.
       
       Seit 2015 hatten Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) und Hamburgs
       Wirtschafts-Staatsrat Andreas Rieckhoff (SPD) mehrfach über Möglichkeiten
       einer Bewerbung gesprochen. Eine gemeinsame Bewerbung von Lübeck, Hamburg
       und der Metropolregion Hamburg „sei durchaus vorstellbar“, hieß es damals.
       
       Rieckhoff ist Vorsitzender des Lenkungsausschusses, des höchsten Gremiums
       der Metropolregion. Diese umfasst außer Hamburg und Lübeck 17 Landkreise in
       Nordniedersachsen, im Süden Schleswig-Holsteins und im Westen von
       Mecklenburg-Vorpommern mit insgesamt mehr als fünf Millionen Einwohnern.
       Auf dieser Ebene wurden eine Reihe von Gesprächen geführt, doch, so hieße
       es, kam „nichts Abstimmungsreifes“ dabei heraus.
       
       Das hatte im September 2016 auch Lübecks Kultursenatorin Kathrin Weiher
       bestätigt. Sie habe eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis November ein
       erstes Konzept erarbeiten solle, sagte die parteilose Senatorin im Gespräch
       mit der taz. „Wir fühlen uns als Kulturstadt, aber alleine können wir das
       nicht schaffen.“ Deshalb sei eine regionale Bewerbung unter dem
       Hanse-Etikett sinnvoll.
       
       Doch die liege in Hamburg „auf Eis“, so ein Insider zur taz. „Da traut sich
       jetzt niemand ran.“ Neben der Angst vor einem verlorenen Volksentscheid
       gibt es dafür drei weitere Gründe. Erstens seien die Kosten einer Bewerbung
       noch unkalkulierbar, zweitens müsse die Eröffnung der Elbphilharmonie erst
       einmal verdaut werden, bevor dem Volk neue Leuchtturmprojekte präsentiert
       werden können. Und drittens gibt es noch immer keine Nachfolgerin für die
       im Oktober verstorbene Kultursenatorin Barbara Kisseler.
       
       Entsprechend wortkarg erklärt denn auch die Hamburger Kulturbehörde, mit
       einer Bewerbung um Europas Kulturhauptstadt nicht befasst zu sein. Das sei
       ein Thema für Wirtschaftsbehörde und Metropolregion. Liest man zwischen den
       Zeilen, geht es also mehr um Standortmarketing und Tourismuswerbung als um
       kulturelle Highlights.
       
       Das wird Lübecks Kultursenatorin Weiher kaum erfreuen. Sie hat gute
       Chancen, in diesem Jahr zur ersten Bürgermeisterin in der Geschichte
       Lübecks gewählt zu werden; gut aber sind ebenfalls ihre Chancen, von
       Hamburg bei der Kulturbewerbung düpiert zu werden. Gute Nachbarschaft sähe
       anders aus.
       
       9 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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