# taz.de -- Das war die Woche in Berlin I: Nüchtern bis ernüchtert
> Aufbruchstimmung? Kampf für progressive Ziele von Rot-Rot-Grün?
> Fehlanzeige bei Michael Müllers Regierungserklärung am Donnerstag.
IMG Bild: 35 Minuten Michael Müller: Nur zweimal blitzte bei seiner Regierungserklärung am vergangenen Donnerstag Leidenschaft auf
Lange bevor die rot-rot-grüne Koalition von den Berlinern überhaupt gewählt
war, wurde diskutiert, ob dieses Bündnis mehr sein würde als die
rechnerisch einzige Möglichkeit des Regierens. Ob es ein Projekt sein
könnte mit der Botschaft an den Bund: Hey, es gibt eine funktionierende
linke Mehrheit ohne die Union! Ob es einen Aufbruch transportieren könnte.
Danach sieht es nicht aus. Derzeit wirkt R2G wie ein pragmatisches
Zweckbündnis, zumindest seitens der SPD. Letztes Beispiel dafür war die
Regierungserklärung von Michael Müller letzten Donnerstag im
Abgeordnetenhaus. Knapp, oft sehr technisch formuliert, ohne Pathos, im
besten Fall nüchtern arbeitete sich Müller durch seine 35 Minuten. Zweimal
blitzte ein wenig Leidenschaft auf, als er – ohne sie wörtlich zu erwähnen
– den Populismus der AfD anprangerte und als er – eher überraschend – die
Prüfung der Causa Holm verteidigte.
Aber Aufbruchstimmung, Kampf für progressive Ziele von Rot-Rot-Grün, ein
Label für das neue Bündnis? Fehlanzeige. Müller wirkte müde, ernüchtert.
Natürlich war der Start schwierig gewesen. Schon die Einigung auf einen
Koalitionsvertrag Mitte November wurde von den Koalitionären wie eine
Formalie vorgetragen; es folgten der Streit um Staatssekretär Andrej Holm
und der Anschlag am Breitscheidplatz. Trotzdem: Ein klares, vielleicht
sogar euphorisches Signal von Müller, dass diese Koalition es besser machen
will und muss als die rot-schwarze Gurkentruppe zuvor, wäre nötig gewesen.
Müller hat im Wahlkampf gezeigt, dass er keineswegs der blasse
Wowereit-Nachfolger ist; dass er Einsatz für seine Ideen zeigen kann.
Und er dürfte wissen, dass viele in der SPD-Fraktion die Koalition mit
Vorbehalten betrachten. Das zeigte sich, als Fraktionschef Raed Saleh in
seiner Rede kurz nach Müller den erst wenige Tage zuvor erarbeiteten
Kompromiss zur Videoüberwachung infrage stellte. Wenn der Regierende seine
Koalition wirklich regieren will, muss er das schnell deutlich machen.
Sonst wird es nicht mal mit dem Zweckbündnis was.
14 Jan 2017
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DIR Bert Schulz
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