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       # taz.de -- Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh: War es Mord?
       
       > Er verbrannte vor zwölf Jahren in einer Polizeizelle. Am Samstag
       > forderten mehr als tausend Menschen in Dessau die Aufklärung des Falls.
       
   IMG Bild: War es Mord? Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ ist sich sicher
       
       Mehr als 1.100 Menschen aus ganz Deutschland haben am Samstag in Dessau an
       den Tod des Afrikaners Oury Jalloh vor zwölf Jahren in einer Polizeizelle
       erinnert. Es war die bislang größte Jalloh-Gedenkdemo. Das Ergebnis eines
       Brandgutachtens der Staatsanwaltschaft in der Sache soll demnächst
       veröffentlicht werden.
       
       Der damals 37-jährige Asylbewerber Jalloh war an Händen und Füßen gefesselt
       im Polizeigewahrsam verbrannt. Die Umstände sind trotz mehrerer
       Gerichtsverfahren bis heute ungeklärt.
       
       Die Demonstranten der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ zogen am
       Gebäude der Staatsanwaltschaft und des Gerichts vorbei. Die Initiative
       wirft der Justiz vor, vertuscht zu haben, wer für den Feuertod des Jallohs
       verantwortlich ist.
       
       Die Demonstranten skandierten in Sprechchören „Oury Jalloh – das war Mord“
       und trugen Transparente mit dieser Aufschrift. Sie protestierten gegen
       Rassismus und forderten eine weitere Aufklärung des Falls.
       
       ## Neuerlicher Brandversuch fehlerhaft?
       
       2008 waren in einem ersten Prozess zwei Polizisten in Dessau freigesprochen
       worden. Nachdem der BGH das Urteil gekippt hatte, wurde ein Beamter 2012
       vom Landgericht Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von
       10.800 Euro verurteilt. Eine erneute Revision verwarf der BGH 2014.
       
       In allen Prozessen ging die Anklage davon aus, dass Jalloh die Matratzem
       auf der er lag, mit einem Feuerzug selbst angezündet hatte. Das Feuerzeug
       sollen Polizisten bei Jallohs Durchsuchung übersehen haben. Daran gibt es
       Zweifel. Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau hatte im August einen neuen
       Brandversuch ausgeführt, um die Tatumstände zu rekonstruieren.
       
       Die Gedenk-Initiative hat selbst mittlerweile mehrere eigene Gutachten in
       Auftrag gegeben, um zu zeigen, dass das Feuer von Dritten entzündet wurde.
       Sie präsentierte am Samstag die Stellungnahme des Londoner Brandexperten
       Iain Peck.
       
       Der kritisierte den neuerlichen Brandversuch der Staatsanwaltschaft als
       fehlerhaft: „Angesichts der großen Anzahl der veränderten Variablen sind
       die Ergebnisse unserer Ansicht nach unbrauchbar.“
       
       Die Justiz habe den Versuchsaufbau so gewählt, dass der Brandverlauf „im
       Vergleich mit dem Original befördert“ wurde, so die Initiative. Ziel sei
       ein „maximaler Brandschaden in der Testzelle“.
       
       ## Brandbeschleuniger waren im Spiel
       
       Hintergrund des Streits ist die Frage, ob die starken Verbrennungen in
       Jallohs Zelle mit einem einfachen Feuerzeug überhaupt entstehen können. Die
       Initiative, die auch die Familie des Toten als Nebenkläger vertritt, sagt,
       ihre Gutachten hätten ergeben, dass Brandbeschleuniger im Spiel gewesen
       sein muss. Dies wäre ein klares Indiz dafür, dass Jalloh angezündet wurde.
       
       Die Staatsanwaltschaft hatte dies lange ausgeschlossen. 2013 aber eröffnete
       sie ein neues Ermittlungsverfahren, das auch die Mordthese untersucht.
       
       Der Staat habe „von Anfang an eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben und gegen
       alle Fakten und bis in die höchsten richterlichen Instanzen hinein die
       unbewiesene Hypothese von der Selbstverbrennung Oury Jallohs aufrecht
       erhalten“, hieß es am Samstag in einer Erklärung der Initiative.
       
       Das neue Gutachten des Schweizer Brandsachverständigen Kurt Zollinger wurde
       im August im sächsischen Dippoldiswalde durchgeführt. Die Ergebnisse
       sollten längst vorliegen.
       
       ## Die Demonstration verlief laut Polizei friedlich
       
       Im Dezember hatte die Staatsanwaltschaft Dessau angekündigt, dass das
       Gutachten nach einer Erkrankung des Sachverständigen nicht vor dem 7.
       Januar – Jallohs Todestag – bekannt gegeben werden kann. Ein genauer Termin
       wurde bislang nicht genannt, berichtet die Mitteldeutsche Zeitung.
       
       Spott zog derweil der Landesvorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt, André
       Poggenburg auf sich. Poggenburg hatte am Samstag vor Ort in Dessau
       gewittert, die AfD habe „an Seite der Polizei“ diese bei ihrer „schweren
       Aufgabe begleitet“. Die Demo sei „extrem aggressiv“ gewesen, es habe
       „tätliche Angriffe auf Abgeordnete“ gegeben.
       
       Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt twitterte hingegen kurz darauf, die
       Veranstaltung habe einen „friedlichen Verlauf“ gehabt und wünschte „allen
       einen guten Heimweg und noch ein angenehmes Wochenende“.
       
       8 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
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