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       # taz.de -- Die Wahrheit: Die Friedensakrobatik
       
       > Innenminister Thomas de Maizière merzt den internationalen Terrorismus
       > jetzt endgültig aus: mit einem allgemeinen Taschenverbot.
       
   IMG Bild: Dieser Mann, ein Linksträger, hält sich an das Taschenverbot.
       
       „Mit diesem Verbot ist uns ein empfindlicher Schlag gegen den
       internationalen Terrorismus gelungen!“ Thomas de Maizière freut sich
       sichtlich. So wie die Sicherheitspolitik nach den letzten Terroranschlägen
       einen Aufschwung erlebt, lebt auch der Bundesinnenminister auf.
       
       Die kleinen Äuglein hinter den Brillengläsern leuchten in noch
       strahlenderem Rot. Wer für die innere Sicherheit sorgt, der hat keine Zeit
       zum Schlafen.
       
       Jüngst startete de Maizière die Initiative für ein bundesweites
       Taschenverbot. Nachdem Einzelhändler bereits dem freiwilligen
       Plastiktütenverbot Folge geleistet haben, wird das Erfolgsmodell jetzt
       ausgeweitet: Ab sofort ist das Tragen von Taschen jedweder Art verboten –
       Plastiktüten, Jutebeutel, Reisekoffer, Rucksäcke, Handtaschen, egal ob sie
       in der Freizeit, auf dem Weg zur Arbeit oder in den Urlaub getragen werden.
       Mitführen darf der Bürger nur noch das, was er in den Händen halten kann.
       
       „Überlegen Sie, was in so einem Jutebeutel unerkannt mitgeführt werden
       kann“, erläutert der Minister das Taschenverbot. „Wir wissen, dass es in
       den Terrorcamps ganztägige Packseminare gibt! Ein geübter Islamist zerlegt
       eine Panzerfaust so kleinteilig, dass sogar noch ein Koran mit in den
       Beutel passt!“
       
       Und auch die Schwesterpartei CSU war maßgeblich an der Initiative
       beteiligt. „Mit drei Orangen im Arm hat noch keiner einen Terroranschlag
       verübt“, ist Bayerns Innenminister Joachim Herrmann überzeugt. „Unsere
       Packobergrenze trifft die islamistische Szene hart!“
       
       ## Der Einzelhandel ist fassungslos
       
       Der Einzelhandel hingegen reagiert fassungslos auf das Verbot. „Die Kunden
       schnappen sich eine Tüte Milch, einen Weichkäse und zwei Tomaten, zahlen,
       rennen nach Hause, nur um direkt zurückzukommen, das Waschmittel, die
       Nudeln und den Aufschnitt mitzunehmen, und dann wiederholen sie das Spiel
       noch drei weitere Male“, so der Leiter eines Rewe-Marktes in Berlin-Mitte.
       
       Die Folge: hoffnungslos überfüllte Supermärkte, Busse, Bahnen und
       Innenstädte.
       
       Gewerkschaften fordern bereits die 35-Stunden-Woche, damit mehr Zeit für
       den Einkauf bleibt. „Wer jeden Tag mehrere Stunden an der Supermarktkasse
       verbringt, der hat keine Zeit mehr für Familie und Freizeit“, kritisiert
       ein Verdi-Sprecher und entschuldigt sich, um noch schnell Klopapier und
       drei Äpfel zu besorgen.
       
       Doch es gibt auch Lob für das Verbot. Es freut die – bei Deutschen
       beliebten – Urlaubsländer Italien, Spanien und Frankreich. Die Urlauber
       müssen nun alles vor Ort kaufen, denn viel mehr als eine Zahnbürste und
       einen Sonnenhut dürfen sie nicht mitnehmen.
       
       „Wir glauben, dass das deutsche Taschentrageverbot langfristig zu einer
       wirtschaftlichen Stabilisierung der Eurozone beiträgt“, analysierte
       entsprechend der Internationale Währungsfonds (IWF).
       
       ## Mit Waren jonglieren
       
       Und während Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften über Sinn und Unsinn des
       Verbots streiten, versuchen die Menschen einfach sich selbst zu helfen. Wer
       ein gewisses akrobatisches Geschick besitzt, probiert, den Wochenendeinkauf
       jonglierend nach Hause zu transportieren.
       
       Gesichtet wurden bereits Kunden mit bis zu zehn Teilen, häufig verunglücken
       die Einholer auf dem Heimweg schwer. Eine gekonnte Jonglage lässt eben
       nicht viel Aufmerksamkeit für den Straßenverkehr übrig.
       
       Das Taschentrageverbot hat zudem modische Konsequenzen. Selbst Hipster
       tauschen ihre Skinny-Jeans gegen breite Cargo-Hosen, um sich einen kleinen
       Hosentaschenvorteil zu verschaffen. Weite Kleidung ist wieder sehr beliebt,
       lässt sich doch so die ein oder andere Melone unter dem Pullover mitnehmen.
       
       Ein Dorn im Auge des Bundesinnenministers, der Träger dieses Aufzugs
       schlicht „Gefährder“ nennt.
       
       ## Auf dem Kopf balancierend
       
       Andere Menschen versuchen, ihr Hab und Gut auf dem Kopf zu balancieren.
       Diese Methode lässt sich sogar auf den Fluren des Bundestages beobachten.
       Immer mehr Parlamentarier probieren Tablet, Smartphone und Unterlagen auf
       diese Weise in ihre Ausschüsse zu tragen.
       
       Ein Grünen-Politiker lässt seinem Ärger freien Lauf, nachdem er sich bei
       dem Transport von drei Aktenordnern und einem Coffee-to-Go auf seinem Kopf
       schwer verbrüht hat. „Ich sitze jetzt seit über 20 Jahren im Bundestag und
       selten habe ich so ein Scheiß-Verbot erlebt!“, schimpft er.
       
       Thomas de Maizière aber lässt die Kritik kalt. Er hält das Verbot für
       entscheidend im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und will noch
       viel weiter gehen. „Greifen Sie mal einem angezogenen Islamisten in die
       Tasche! Was meinen Sie, was Sie da alles finden!“
       
       Am liebsten wäre es dem Bundesinnenminister, wenn sich die Menschen im
       öffentlichen Raum zukünftig ausschließlich nackt bewegten. Dem steht aber
       leider das Grundgesetz im Weg. „Wir werden daher in einem zweiten Schritt
       alle Jacken- und Hosentaschen verbieten und in einem dritten dann den
       hautengen Ganzkörper-Latex-Anzug zur Pflichtbekleidung machen.“
       
       Versöhnlich fügt de Maizière hinzu: „Wer nichts zu verbergen hat, der hat
       auch nichts zu befürchten.“
       
       10 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nico Rau
       
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