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       # taz.de -- Staatlich finanzierte Sexualassistenz: Inklusion mal anders
       
       > Sollen Krankenkassen für den Sex pflegebedürftiger Menschen zahlen? Eine
       > Debatte über Sexualassistenz ist nötig.
       
   IMG Bild: Alle entspannt? Sexualassistentin bei der Arbeit
       
       Sex haben und dafür nichts zahlen: Hier ist nicht die Rede von einer
       Affäre, einer Liebesbeziehung oder einem One-Night-Stand, wofür
       normalerweise kein Geld fließt, weil es im Einvernehmen der Beteiligten
       passiert. Hier geht es um einen Vorstoß der pflegepolitischen Sprecherin
       der Grünen, Elisabeth Scharfenberg.
       
       Sie fordert, dass nach niederländischem Vorbild die Krankenkassen den Sex
       von pflegebedürftigen Menschen mit einem/einer SexualbegleiterIn bezahlen.
       
       Krankenkassen sind keine Einrichtungen, die die Privatsphäre ihrer Kunden
       schätzen. Für alles braucht man ein Attest, die kleinste Veränderung des
       gesundheitlichen Zustandes muss mitgeteilt werden. Pflegestufen werden
       immer wieder minutiös überprüft.
       
       So braucht man auch ein Attest für Sex. Dann heißt es Scham überwinden und
       einen Arzttermin vereinbaren. Dem Doktor wie auch immer glaubhaft machen,
       dass man sich nicht selbst befriedigen kann. Und dann muss die Krankenkasse
       ihr Einverständnis geben.
       
       Man legt eine intime Sache in die Hände von Gutachtern, also Medizinern,
       die Feingefühl beweisen müssen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, da man als
       PatientIn vom Urteil des Fachpersonals abhängig ist – und dabei geht es um
       kein akutes Leiden.
       
       ## Auseinandersetzung wünschenswert
       
       Die Gesellschaft braucht diese Debatte; das Thema Sex und Behinderung ist
       ein Tabu, außer im Fetischbereich. „Sex für Pflegefälle“ titeln die Medien;
       Menschen werden als Fälle bezeichnet, die keine Bedürfnisse haben (dürfen).
       
       Die Auseinandersetzung mit dem Thema seitens der Pflegeheime, Krankenkassen
       und Ärzte wäre wünschenswert. Ihnen würde dadurch wieder in Erinnerung
       gerufen, dass Menschen mit Pflegebedarf keine geschlechtslosen Wesen sind;
       dass sie auch sexuelle Bedürfnisse haben.
       
       Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte
       der dpa: „Wer täglich damit zu kämpfen hat, beim Stuhlgang, Waschen und
       Essen Hilfe zu erhalten, hat andere Sorgen.“ Mit seinem Statement
       unterstreicht er die fürsorgliche, bevormundende Sicht auf die betroffenen
       Personen, denen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung einmal mehr
       abgesprochen wird.
       
       Das Bundesgesundheitsministerium lehnt den Vorschlag ebenso ab wie der
       Pflegeforscher Wilhelm Frieling-Sonnenberg. Er findet das Konzept sogar
       „menschenverachtend“. Die Menschen könnten durch die sexuelle Befriedigung
       Druck abbauen und dadurch seien sie pflegeleichter – nur deswegen würde
       dies das Pflegepersonal befürworten.
       
       Inklusion einmal andersherum: Die pflegebedürftigen Menschen würden aus
       Rücksicht auf das betreuende Personal Sex haben – da hätten alle was davon.
       
       10 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Judyta Smykowski
       
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