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       # taz.de -- Musicalfilm „La La Land“: Im Look einer Langnesewerbung
       
       > „La La Land“ triumphierte bei den Golden Globes, nun startet der Film in
       > Deutschland. Die Optik ist schön, die Protagonisten können bloß nicht
       > tanzen.
       
   IMG Bild: Die dauertanzenden Hauptdarsteller des Films: Emma Stone und Ryan Gosling
       
       In wenigen Momenten verwandelt sich die Blechlawine eines der unzähligen
       Staus auf den Straßen von Los Angeles in eine singende, swingende
       Massentanzszene. Ein liebenswerter Parcours der Lebensfreude. Damien
       Chazelles dritte Regiearbeit verliert keine Zeit und zeigt sich vom ersten
       Moment an als unbeschwerte Gute-Laune-Maschine – [1][eben als „La La
       Land“]. Spielerisch greift der Film tief in die Retrokiste und verbindet
       den Look einer Langnesewerbung aus den 1980er Jahren (die sich ihrerseits
       an den Hollywoodfilmen jener Jahre orientierte) mit der Betonung von
       Primärfarben, wie sie in den Technicolor-Musicals der 1940er und 1950er
       Jahre üblich war.
       
       Diese Mischung hält sich auch dann noch eine Weile, als der Film beginnt,
       sich seinen beiden Protagonisten zuzuwenden: dem erfolglosen Jazzpianisten
       Sebastian, der davon träumt, einen eigenen Jazzclub zu eröffnen,
       einstweilen jedoch gezwungen ist, sich als Hotelpianist über Wasser zu
       halten; und Mia, die von einer Karriere als Schauspielerin träumt, in der
       Realität jedoch nur auf einem Studiogelände Kaffee verkauft und von einem
       frustrierenden Casting zum nächsten zieht. Immer wieder kreuzen sich die
       Wege der beiden erfolglosen Idealisten inmitten einer Welt des strahlenden
       Erfolgs.
       
       Mit jedem Treffen der beiden driftet der Film weiter von der singenden und
       tanzenden Handlungslosigkeit in Richtung romantische Komödie. Ein paar
       Sing- und Tanzeinlagen später verlieben sich Mia und Sebastian ineinander
       und wir nähern uns allmählich der Spoilerzone.
       
       Halten wir also fest, dass „La La Land“ auf den ersten Blick ein
       lebensfreudiger Film ist, der es einem in vieler Hinsicht durchaus leicht
       macht, ihn zu mögen. Kein Wunder, dass der Film am Wochenende bei den
       Golden Globes abgeräumt hat: sieben Preise in sieben Kategorien verlieh die
       Hollywood Foreign Press Association an Chazelles Film, darunter für die
       beste Komödie/Musical und die beste Regie.
       
       ## Keine coole Körperlichkeit
       
       Ein wenig überrascht die scheinbar einhellige Begeisterung, die „La La
       Land“ entgegengebracht wird: Denn jenseits einer
       Happy-go-lucky-Retroseligkeit ist Chazelle nicht viel eingefallen.
       Chazelles Film findet weder zu der surreal enthemmten, alles überlagernden
       Tanzfreude seiner Vorbilder in der US-Filmgeschichte der 1940er Jahre wie
       „Hellzapoppin'“ oder „Ziegfeld Follies“ noch zu der Slacker-Coolness seiner
       Vorbilder unter den romantischen Komödien der 1980er Jahre. Schlimmer noch
       – selbst für die wenigen Einfälle fehlt ihm die richtige Besetzung.
       
       Kombiniert Ryan Gosling seine arg antrainierte Melancholie noch mit einer
       leicht slackerhaften Körperlichkeit, die seinen Beiträgen zu den Tanzszenen
       immerhin bisweilen einen Hauch von Lässigkeit gibt, so scheint Emma Stone
       in den Tanzszenen so ungelenk, dass sie immer dann am souveränsten wirkt,
       wenn sie im Kleidchen auf High Heels über die Leinwand huscht.
       
       Gosling und Stone sind weit entfernt von der coolen Körperlichkeit früherer
       Jahrzehnte Hollywoods – von James Cagneys Auftritten in den 1930er Jahren
       ebenso wie von der artistischen Leichtigkeit, die Katharine Hepburn und
       Cary Grant in George Cukors „Holiday“ zeigten oder Patrick Swayze und
       andere in den romantischen Tanzfilmen der 1980er (man denke an „Dirty
       Dancing“, „Footloose“ oder „Breakin‘“). Fast scheint es, als hätte das
       Hollywoodkino im Laufe der letzten Jahre die Körperlichkeit seiner
       Schauspielerinnen und Schauspieler entsorgt.
       
       Stellt man „La La Land“ neben Robert Zemeckis unlängst in den deutschen
       Kinos gestarteten Spionagehistorienschinken „Allied“, verstärkt sich der
       Eindruck, dass den großen US-Studios in jenem Segment, das auf ein
       erwachsenes Publikum abzielt, derzeit nicht viel einfällt. Das Bedürfnis
       nach Verlässlichkeit an den Kinokassen führt wieder und wieder zu sterilem
       ideenlosen Marktforschungskino voller Selbstzitate. Innovation findet
       anderswo statt: 2015 wandte sich Hongkong-Großmeister Johnnie To auf der
       Suche nach Bildern für den Arbeitswahn seiner Umgebung dem Musical zu. Der
       entstandene Film, „Office“, ist einer der innovativsten Filme dieses
       Jahrhunderts, „La La Land“ nur ein leidlich unterhaltsames Dokument
       verwalteter Stagnation.
       
       11 Jan 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=0pdqf4P9MB8
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Tietke
       
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