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       # taz.de -- Syrien-Konferenz in Astana: Konflikte hinter den Kulissen
       
       > In Kasachstan verhandeln syrische Rebellen und Regierungsvertreter.
       > Russland, Iran und die Türkei haben verschiedene Interessen.
       
   IMG Bild: Immerhin in einem Raum: Treffen syrischer Rebellen mit Vertretern des Assad-Regimes
       
       Moskau taz | Zwei Tage sollen syrische Regierungsvertreter und Abgesandte
       mehrerer Oppositionsgruppen im kasachischen Astana über Verlängerung und
       Stärkung des bislang brüchigen Waffenstillstands verhandeln. Nach dem
       blutigen Fall von Aleppo Ende Dezember hatte Moskau die Inititiative
       durchgedrückt und war dabei von der Türkei und Iran unterstützt worden.
       
       Der Auftakt der Zusammenkunft in Astana war noch kein großer Erfolg. Im
       Vergleich zum Genfer Treffen im letzten Jahr saßen die Kriegsparteien
       diesmal jedoch bei der Eröffnungsveranstaltung schon mal zusammen in einem
       Saal. „Die Zeit ist noch nicht reif“, um rund um den Verhandlungstisch
       zusammenzusitzen, meinte der Sprecher der Syrischen Nationalen Koalition,
       des wichtigsten Bündnisses der Opposition.
       
       Von Moskau meldete sich Außenminister Sergei Lawrow mit der Botschaft, er
       sei froh, dass die Gespräche begonnen hätten trotz allen Versuchen sie zu
       behindern. Russland schickte keine hochkarätige Delegation nach Kasachstan.
       Nicht einmal der für Syrien zuständige Sonderbeauftragte und
       stellvertretende Außenminister, Michail Bogdanow, gehört der Delegation an.
       Das hat etwas mit geringen Erfolgsaussichten zu tun, aber auch mit der
       Weigerung Irans und Damaskus’, Fragen der weiteren politischen Regulierung
       mit auf die Tagesordnung zu setzen. Dies soll bei den UN-Verhandlungen in
       Genf im Februar erneut versucht werden.
       
       Gleichzeitig signalisiert Russland durch Understatement indes auch, dass es
       zurück ist auf dem außenpolitischen Olymp: Wo die USA nicht mehr für
       Ordnung sorgen, wird Moskau übernehmen. Seit Langem ist diese
       Friedenskonferenz die erste, die Russland initiiert und die ohne
       nennenswerte Abgesandte des Westens stattfindet. Die USA sind lediglich
       durch ihren Botschafter in Kasachstan George Krol vertreten. Er nimmt nur
       als Beobachter an dem Treffen teil. Das ist ein kleiner Triumph, der jedoch
       nicht wesentlich geschmälert worden wäre, hätte die neue Administration
       unter Donald Trump Vertreter entsandt. Moskau hatte Washington denn auch
       als Zeichen des guten Willens für einen Neuanfang letzte Woche eingeladen.
       
       ## Zerbrechliche Allianz
       
       Ausgerechnet damit legte Russland offen, wie zerbrechlich doch die Allianz
       der drei Friedensbroker ist. Teheran widersetzte sich öffentlich Moskaus
       Wünschen. „Iran erhebt Anspruch auf die Führungsrolle in einer strategisch
       wichtigen Region und ist nicht bereit, diese einem anderen zu überlassen,
       auch nicht Russland“, meint der Nahostexperte Alexei Malaschenko von
       Carnegie Moskau. Iran erinnerte an Russlands jahrelanges Mantra einer
       multipolaren Welt als neuem internationalem Ordnungsprinzip, so
       Malaschenko.
       
       Sollte US-Präsident Donald Trump weiter drohen, die Atomvereinbarung von
       2015 mit Iran zu widerrufen, wäre eine Eintrittskarte zu den
       Nahostgesprächen für Teheran ein Druckmittel, wenn auch nur ein kleines.
       Auch Saudi-Arabien und andere Golfstaaten schloss Iran von den
       Syriengesprächen aus.
       
       Moskau hat es nicht leicht mit Teheran. Eigentlich möchte es sich aus den
       aktiven Kriegshandlungen in Syrien zurückziehen, meinen russische
       Beobachter. Moskau bestünde aber auf einer Garantie des Damaszener Regimes,
       dass militärische Infrastruktur und frühere Vereinbarungen erhalten
       blieben.
       
       Der Iran setzt unterdessen auf die aggressivsten Elemente des
       Assad-Systems. Sie wollen erst Ruhe geben, wenn Syrien ganz eingenommen
       ist. Teheran will Assad an der Macht halten, um eine schiitische
       Einflusszone und einen Landkorridor zum Mittelmeer zu errichten. Russische
       Medien berichten, dass Iran auch etwas gegen Russlands Basis in Tartus
       einzuwenden hätte. Es widerspräche iranischem Interesse, Moskaus Macht im
       Mittelmeer wachsen zu sehen.
       
       Im Vergleich dazu sind die Interessenunterschiede zwischen Russland und der
       Türkei zwar auch nicht unbedeutend. Beide Seiten scheinen aber zumindest
       vorübergehend an einem Strang zu ziehen. In Davos räumte die Türkei ein,
       dass es „unrealistisch“ sei, von einer Syrienlösung ohne Assad auszugehen.
       Russland kam Ankara entgegen, indem es fast alle Vertreter der Kurden von
       den Gesprächen in Astana ausschloss. Eine syrische Kurdenregion darf es
       laut Ankara nicht geben, um einer Sezession der türkischen Kurden keinen
       Vorschub zu leisten. Fraglich ist, wie lange die Kurden, die sich im Kampf
       gegen den Islamischen Staat verdient machen, sich diesen Ausschluss noch
       gefallen lassen.
       
       Nach der jetzigen Blaupause bleibt Syrien als Ganzes erhalten, wird aber
       von den drei Mächten in Einflusssphären aufgeteilt.
       
       24 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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