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       # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Abschied vom Fahrensmann
       
       > Immer mehr Fußballclubs vertrauen in der Krise auf Berufsanfänger. Mit
       > Risikofreude hat das aber nichts zu tun.
       
   IMG Bild: Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann, 29, musste seine Karriere verletzungsbedingt frühzeitig beenden
       
       Das Wort gibt es noch nicht lange. Sein Geburtsdatum ist nicht wirklich zu
       ermitteln. Aber das Wort dürfte noch nicht über das Kindergartenalter
       hinausgekommen sein. Von Trainertalenten spricht man erst seit geraumer
       Zeit. Julian Nagelsmann, der Coach von Hoffenheim, wurde zuletzt gewiss am
       häufigsten mit dieser Bezeichnung bedacht. In dieser Saison sind wieder
       einige neu dazugekommen. In schweren Krisenzeiten vertrauten Werder Bremen,
       der FC Augsburg und der Zweitligist VfB Stuttgart auf die Anfänger
       Alexander Nouri (37), Manuel Baum (37) und Hannes Wolf (35).
       
       Das Besondere war, dass sie anders als bisher branchenüblich keine Meriten
       als aktive Fußballer vorweisen konnten. Torsten Frings (37), der diesen
       Samstag als Profitrainer bei Darmstadt 98 debütiert, erfüllt zwar als
       ehemaliger Nationalspieler das offenbar überholte Anforderungsprofil, aber
       anders als früher musste auch er erst einmal Ausbildungsstufen nehmen,
       bevor er eingestellt wurde. Als Co-Trainer bei Werder Bremen, sowohl in der
       zweiten als auch in der ersten Mannschaft, hat er, so hofft man in
       Darmstadt, ein gewisses Talent entwickeln können.
       
       Doch warum vertrauen die Vereine in Zeiten großer Nöte nicht mehr auf ihre
       alten Fahrensmänner? Über welche Vorteile verfügt Berufsanfänger Frings im
       Vergleich zu Bruno Labbadia, der schon reichlich Erfahrungen im
       Abstiegskampf gesammelt hat? Und was ist mit Mirko Slomka (49), Armin Veh
       (55) oder Michael Frontzeck (52)?
       
       Im Eifer der ligaweiten Trainertalentsuche scheint eine ganze
       Trainergeneration ins Abseits gedrängt zu werden. Ist dies ein Zeichen für
       eine neue Risiko- und Experimentierfreude im deutschen Profifußball?
       
       Das Gegenteil ist richtig. Die Entwicklung ist dem Umstand geschuldet, dass
       der Glauben an die Planbarkeit des Erfolgs nie größer war. Seitdem zur
       Jahrtausendwende der deutsche Fußball den Anschluss an die Spitze zu
       verlieren drohte, installierte der DFB ein viel bewundertes, ausgeklügeltes
       Überwachungs- und Ausbildungssystem, das ihm eine Vielzahl an
       Weltklassespielern und wieder eine erfolgreiche Nationalmannschaft
       bescherte.
       
       ## Die professionalisierte Ausbildung
       
       Dass zur Ausbildung begnadeter Fußballer auch die Trainerausbildung
       systematisiert und professionalisiert wurde, ging in der öffentlichen
       Wahrnehmung vielfach unter. Die Nachwuchsakademien stellten reichlich
       Vollzeittrainer ein, die unter Profibedingungen Jugendmannschaften
       betreuten und groß machten. Sie wurden während ihrer praktischen Tätigkeit
       laufend fortgebildet und konnten konzeptionell langfristig arbeiten, weil
       sie nicht fürchten mussten, nach drei, vier Niederlagen entlassen zu
       werden.
       
       Das sind Erfahrungswerte, die Julian Nagelsmann nicht nur Stefan Effenberg
       voraushat, der nach seinem Scheitern in Paderborn zuletzt öffentlich
       verzweifelt um eine zweite Chance bettelte. Auch Frontzeck oder Veh konnten
       so nie arbeiten.
       
       Frontzeck oder auch Thomas Schaaf (55) profitierten einst davon, dass sie
       den richtigen Stallgeruch mitbrachten und man ihnen ein gutes Gespür für
       die richtigen Entscheidungen zusprach. Reichlich spät ist im deutschen
       Fußball die Einsicht gereift, dass der Trainerberuf auch ein
       Ausbildungsberuf ist.
       
       21 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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