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       # taz.de -- Kommentar Karlsruher NPD-Urteil: Ein starkes Zeichen
       
       > Die Entscheidung der Richter war richtig. Der Kampf gegen rechts wäre mit
       > einem Verbot nicht erledigt, schon gar nicht, solange die AfD Erfolg hat.
       
   IMG Bild: Der Kampf gegen Rechtsextremismus muss direkt geführt werden – nicht stellvertretend über die NPD
       
       Es war die Hoffnung vieler im Vorfeld dieser Entscheidung. Karlsruhe möge
       doch ein starkes Zeichen setzen gegen den Rechtsextremismus – gerade in
       diesen Zeiten, in denen die Verachtung gegen Flüchtlinge und gegen die
       Demokratie grassiert. Mit einem Verbot der NPD sollten die Richter ein
       Signal aussenden: Bis hierhin und nicht weiter.
       
       [1][Die Verfassungsrichter haben das nicht getan]. Sie haben die NPD nicht
       verboten. Und sie hatten keinen Zweifel an ihrem Urteil: Als viel zu
       bedeutungslos befanden sie die Neonazi-Partei derzeit. Und sie haben
       richtig entschieden. Das Verbotsansinnen krankte an vielem. Schon sein
       Ursprung war ein schneller Impuls: eine Reaktion auf die NSU-Verbrechen.
       Eine, die nicht passte – denn der NSU mordete auch ohne NPD-Hilfe.
       
       Und es war ein Ansinnen, das auch danach übers Ziel hinausschoss. Die
       Verfassungsrichter haben recht, wenn sie in Erinnerung rufen, dass das
       Parteiverbot eine der schwersten Waffen dieser Demokratie ist, welches
       nicht leichtfertig einzusetzen ist. Der Parteienstreit, der Wettbewerb um
       das beste Argument, ist eine grundgesetzlich festgeschriebene
       Errungenschaft. Ein Verbot aber greift hier maximal ein – indem es einen
       politischen Mitbewerber aus dem Diskurs nimmt und dessen Argumente vor dem
       Bürger verbannt.
       
       Nicht ohne Grund wurde dieser Urteilsspruch seit 1945 überhaupt erst zwei
       Mal angewandt. Dass es diesmal die NPD hätte treffen sollen, mag auf den
       ersten Blick gefallen. Die Neonazi-Partei hetzt gegen Minderheiten, sie
       relativiert NS-Verbrechen, sie predigt eine krude Volksgemeinschaft. Ja,
       sie versucht nicht einmal, ihre Menschenverachtung zu kaschieren. Und es
       mutet unerträglich an, dass sie dafür auch noch mit Steuergeldern
       alimentiert wird. Die Frage nur ist: Kann diese Demokratie das aushalten?
       Sie kann.
       
       ## Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen
       
       Die NPD ist momentan ein Winzling. In keinem Landtag ist die Partei mehr
       vertreten, in allen Umfragen nicht mehr messbar, fast überall wird sie als
       braune Schmuddelpartei geschmäht. Rund 340 Mandate hält die Partei noch –
       von bundesweit 230.000. Gegen diese „Gefahr“ das schwerste Geschütz der
       Demokratie einzusetzen, das Verbot – es wäre nicht nur eine rechtstaatliche
       Überreaktion gewesen, sondern auch zu viel der Ehre für diese Kleinpartei.
       
       Um nicht falsch verstanden zu werden: Auch 340 Mandate sind ein Problem.
       Gerade in einigen Orten Mecklenburg-Vorpommerns oder Sachsens, in denen
       sich die Rechtsextremen über Jahre festgesetzt haben. In denen ihre
       Ressentiments weit in die Bewohnerschaften einsickern und
       [2][Andersdenkende zum Schweigen gebracht werden] sollen. Und auch dort, wo
       NPD-Funktionäre vielfach tatsächlich Proteste und Hass auf Flüchtlinge
       anstacheln. Aber auch hier stellt sich die Frage: Hätte ein Verbot dagegen
       geholfen? Leider nicht.
       
       Die ganz Rechten, nicht nur die NPD-Anhänger, hätten sich in ihrer
       Verachtung der Demokratie bestätigt gesehen. Davor müsste man nicht
       kuschen. Aber: Es hätte sich durch ein Verbot eben auch nichts geändert.
       Weil die überzeugten Hetzer ihr Tun auch danach nicht gelassen hätten. Weil
       sie auch ohne NPD-Fahne weiter gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht oder
       Gegner bedroht hätten. Und das Problem ist längst größer als die NPD.
       
       Inzwischen eilt die AfD von Erfolg zu Erfolg, die gerade im Osten der
       Republik ganz ähnliche Parolen wie die NPD verbreitet – damit aber viel
       weitreichender das gesellschaftliche Klima kontaminiert. Und auch die
       Zahlen rechter Gewalttaten stiegen in den letzten Jahren – verübt längst
       nicht nur von Parteigängern der NPD. Das Bemühen der Bundesländer um ein
       Verbot der NPD mutete da wie eine politische Kampfaufgabe an: Soll es doch
       Karlsruhe richten.
       
       Dass die Richter diese Aufgabe nun an die Länder zurückgeben, ist die
       finale Blamage für die Innenminister. Der Einsatz gegen den
       Rechtsextremismus lässt sich eben nicht delegieren. Die Richter
       formulierten derweil eine viel stärkere Botschaft als ein Verbot: Der
       liberale Rechtsstaat lässt sich nicht von einer Hass predigenden
       Splittergruppe aus der Reserve locken. Er ist stark genug, um auf
       Symbolpolitik verzichten zu können. Und er vertraut auf seine Argumente.
       
       ## Kampf gegen die NPD ist nur stellvertretend
       
       Damit haben die Richter eben doch ein Zeichen der Stärke gesetzt, ein
       eigenes. Ein überzeugenderes. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus, er
       muss nun direkt geführt werden, nicht stellvertretend über die NPD.
       Diejenigen, die Gewalt ausüben, muss der Staat mit der Härte des
       Strafrechts in die Schranken weisen. Er muss in die Niederungen der rechten
       Hochburgen gehen – werden sie nun angeführt von NPD, AfD oder Pegida. Dort,
       im Lokalen, braucht es den demokratischen Widerspruch, das alltägliche
       Engagement von Parteien und Bürgern. Es ist ein Kampf, der ungleich
       aufwändiger ist als die Formulierung eines Verbotsantrags. Aber nur er wird
       am Ende auch Wirkung entfalten.
       
       17 Jan 2017
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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