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       # taz.de -- American Football in den sozialen Medien: Die Kabinenpredigt
       
       > Die Pittsburgh Steelers bereiten sich auf ihre Weise auf das Spiel gegen
       > die New England Patriots vor – wie der Film eines Spielers aus der Kabine
       > zeigt.
       
   IMG Bild: Stellt sich gern selbst dar: Antonio Brown von den Pittsburgh Steelers
       
       Eine wacklige Handkamera, grobkörnige Bilder. Gewagte Kameraführung und
       eine nicht vorhandene Dramaturgie. Die Protagonisten: halbnackte, überaus
       verschwitzte, aber dafür sehr muskulöse Männer.
       
       Nein, es ist wahrlich kein filmisches Meisterwerk, das Antonio Brown da
       live [1][auf seiner Facebook-Seite] übertragen hat. Aber trotzdem zählte
       [2][das Video des Profis der Pittsburgh Steelers], bis es am Montagmorgen
       aus dem Netz genommen wurde, weit über eine Million Aufrufe. Ein
       Klick-Monster.
       
       Die unautorisierte Liveübertragung aus dem Umkleideraum der Steelers nach
       ihrem 18:16-Erfolg im Viertelfinale der NFL-Playoffs am Sonntag bietet
       einen seltenen, weil unzensierten Einblick hinter die Kulissen des größten
       Sportentertainmentkonzerns der Welt.
       
       Gewöhnlich bekommt man von der jährlich 13 Milliarden Dollar umsetzenden
       NFL nur die glitzernde Oberfläche zu sehen, eine Welt aus stahlharten
       Burschen, die von genialen Strategen an der Seitenlinie in einem brutalen
       Schachspiel dirigiert werden, in Szene gesetzt von unzähligen Kameras in HD
       und Superzeitlupe als Ballett aus fliegenden Gliedmaßen und knackenden
       Knochen.
       
       ## Spieler dürfen nicht in den sozialen Medien posten
       
       Dass die Heldenproduktion reibungslos abläuft, dafür hat die NFL eine
       eigene Filmabteilung, die Dokus, Fernsehserien und sogar Kinofilme
       produziert. Der TV-Kritiker Matt Zoller Seitz bezeichnete „NFL Films“
       einmal als „großartigste Marketingmaschine in der Geschichte des
       Profisports, die in der Lage ist, sogar ein ödes Unentschieden so bedeutend
       erscheinen zu lassen wie die Schlacht von Alamo“.
       
       Dagegen ist es den Spielern verboten, direkt vor und nach den Spielen auf
       den sozialen Medien irgendetwas zu posten. Brown muss sich nun Kritik von
       Experten anhören und mit einer Geldstrafe der NFL rechnen.
       
       In seinem Video sind nicht die Gladiatoren zu sehen, die dem Zuschauer
       sonst präsentiert werden, sondern große Männer, die sich freuen wie kleine
       Kinder. Tatsächlich ist das Filmchen eher banal – es zeigt eben den Alltag
       hinter dem Glamourbetrieb.
       
       Vor allem sieht man Brown, den überragenden Passempfänger, wie er selig in
       sein Handy lächelt, Witze reißt, sich die Haare richtet und dem lieben Gott
       dankt, während ab und zu ein Mannschaftskollege seinen Kopf in die Kamera
       hält und seine Zufriedenheit mit dem Sieg gegen die Chiefs zum Ausdruck
       bringt.
       
       ## „Diese Arschlöcher“
       
       Wirklich spannend wird es, als Mike Tomlin um Ruhe bittet. Der Chefcoach
       der Steelers ist zwar nicht zu sehen, weil Brown hinter einer Wand aus
       Spinden steht, aber seine kurze Rede ist deutlich zu hören. Der Effekt ist
       ein ähnlicher wie damals, als der „Sommermärchen“-Film eher unangenehme
       Umgangsformen in DFB-Umkleideräumen enthüllte.
       
       Tomlin fordert seine Spieler zwar nicht – wie einst Jürgen Klinsmann – dazu
       auf, den Gegner „durch die Wand“ zu hauen. Aber immerhin bezeichnet er die
       New England Patriots, bei denen die Steelers kommenden Sonntag antreten
       müssen, wenn es um den Einzug in den Superbowl geht, als „diese
       Arschlöcher“.
       
       Die Patriots sind der Erzfeind der Steelers, gegen die erfolgsverwöhnte
       Truppe um Quarterback Tom Brady aus der Intellektuellenhochburg Boston ist
       der traditionell auf eine harte Defense setzende Klub aus der
       Stahlarbeiterstadt Pittsburgh immer besonders motiviert. „Wir werden bereit
       sein für ihren Arsch“, bellt Tomlin – man darf in Gedanken ergänzen, dass
       der versohlt werden soll.
       
       18 Jan 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.facebook.com/AntonioBrown84
   DIR [2] https://youtu.be/NpuhCdQv6iw
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Winkler
       
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