URI: 
       # taz.de -- Flüchtlingsunterbringung: MUF für 100 Jahre
       
       > In Berlin-Marzahn wird ab Dienstag die erste Flüchtlingsunterkunft in
       > modularer Bauweise bezogen. Die 300 BewohnerInnen kommen aus
       > Steglitz-Zehlendorf.
       
   IMG Bild: Sozialsenatorin Elke Breitenbach, Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle, Claudia Langeheine, Leiterin des Landesamts für Flüchtlinge, und Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher in Marzahn vor der ersten MUF.
       
       Endlich selbst entscheiden können, wann man das Licht an- oder ausschaltet
       – einer der künftigen Bewohner kann sein bevorstehendes Glück noch kaum
       fassen. Ab Dienstag sollen 300 Flüchtlinge, die seit über einem Jahr ohne
       jede Privatsphäre in Turnhallen wohnen, die erste fertiggestellte „Modulare
       Unterkunft für Flüchtlinge“ – kurz MUF genannt – beziehen.
       
       Die zwei parallelen Riegel mitten im Plattenbauwohngebiet von Marzahn haben
       mehr Charme, als die wenig schmeichelnde Abkürzung ahnen lässt. Die Fassade
       aus grauen Betonplatten und bodentiefen Fenstern hat die schlichte Eleganz
       moderner Bürobauten. Dass auch der Außenbereich mit Spiel- und Ballplatz,
       Sitzgelegenheiten und Beeten für die AnwohnerInnen schön wird, verraten
       bislang nur Pläne – wegen des Frosts. Im Erdgeschoss bieten die Häuser
       abgeschlossene, teils barrierefreie Apartments mit Küche und Bad für vier
       Personen, in den Etagen darüber Wohneinheiten, in denen sich jeweils
       maximal 15 Menschen Küche und Bäder teilen. Die Einrichtung ist schlicht,
       die Räume erinnern an moderne Studentenwohnheime. Der größte Luxus: eine
       Fußbodenheizung.
       
       Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher und Sozialsenatorin Elke
       Breitenbach (beide Linke) sprechen lieber von „Flüchtlingsunterkünften in
       modularer Bauweise“ als von MUFs. Die neuen Senatorinnen haben von ihren
       Vorgängern zwar viele Probleme mit der Flüchtlingsunterbringung und – zu
       deren Lösung – das Projekt der modularen Wohnbauten übernommen, das
       „Wording“ übernehmen wollen sie aber offenbar nicht. 60 der Modularbauten
       für Geflüchtete sollen langfristig entstehen – die Initiative dazu kam Ende
       2015 angesichts der Probleme bei der Flüchtlingsunterbringung von (dem
       alten und neuen) Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Zehn der MUFs
       baut die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung selbst. Der Komplex in
       Marzahn-Hellersdorf ist eine davon.
       
       Vier weitere seien bereits zur Übergabe fertig, andere in Bau oder
       „unmittelbar vor Baubeginn“, erläutert die Stadtentwicklungssenatorin bei
       der Besichtigung der ersten MUFs am Freitag. Für eine werde noch ein
       Grundstück gesucht. Maximal 450 bis 500 Personen bietet eine MUF Platz.
       Langfristig können alle Etagen zu abgeschlossenen Einheiten umgestaltet
       werden, sodass die Gebäude auch wohnungsweise vermietet werden können,
       sollten sie als Unterkünfte für Geflüchtete nicht mehr gebraucht werden. In
       Ahrensfelde wird zunächst eine Gemeinschaftsunterkunft eingerichtet,
       Träger wird vorläufig die Volkssolidarität sein – von Senatorin Breitenbach
       nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog) dazu
       verpflichtet und nur so lange, bis ein langfristiger Träger die ordentliche
       Ausschreibung für den Betrieb der Unterkunft gewonnen hat.
       
       Sie wolle so die „elende Lebenssituation“ der Flüchtlinge in den Turnhallen
       möglichst schnell beenden, so Breitenbach. Die Modularbauten seien für
       diese eine „großartige Verbesserung“ ihrer Lebensqualität. Dass in die
       erste MUF am äußersten östlichen Stadtrand ausgerechnet Flüchtlinge aus
       dem weit entfernten Bezirk Steglitz-Zehlendorf ziehen, sei zwar „nicht
       optimal“. Doch es habe in dem Südwestbezirk keine alternativen
       Unterbringungsmöglichkeiten für diese gegeben.
       
       Marzahn-Hellersdorfs Bürgermeisterin Dagmar Pohle, ebenfalls bei der
       Besichtigung der ersten MUF dabei, kommentiert das mit etwas freundlichem
       Spott: Gerne sei sie bereit, die Flüchtlinge aus Steglitz-Zehlendorf
       unterzubringen, „wo das offenbar nicht so gut klappt wie hier“. Immerhin
       sei ihr Bezirk der erste gewesen, in dem kein Flüchtling mehr in einer
       Turnhalle leben muss.
       
       Schulplätze für die 50 schulpflichtigen Kinder unter den 300
       ErstbewohnerInnen stünden direkt nach den Winterferien bereit, einige
       ältere hätten sich entschlossen, an ihren bisherigen Schulen zu bleiben und
       den weiten Weg dorthin auf sich zu nehmen. Pohle nutzt die Gelegenheit,
       darauf hinzuweisen, dass es trotz der anfangs starken Proteste gegen
       Flüchtlingsunterkünfte in ihrem Bezirk mittlerweile eine weit stärkere
       Unterstützerbewegung gibt. Auch die nächsten bezugsfertigen MUFs sind in
       Marzahn-Hellersdorf. Der Bezirk erhöht damit die Zahl seiner bisher
       aufgenommenen Flüchtlinge von etwa 2.400 um bis zu 2.200. Nur in
       Lichtenberg und Spandau sind mehr Flüchtlinge untergebracht. In
       Steglitz-Zehlendorf werden es nach dem Umzug etwa 1.700 sein.
       
       Etwas gibt die Bezirksbürgermeisterin den Senatorinnen am Ende der
       Besichtigung deshalb mit auf den Weg: Sie erwarte, dass die Mittel für
       Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge, die der Senat den Bezirken mit dem
       Masterplan Integration 2016 zugewiesen hat, „entsprechend umverteilt
       werden“, mahnt Pohle ihre Parteigenossinnen.
       
       29 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alke Wierth
       
       ## TAGS
       
   DIR Unterbringung von Geflüchteten
   DIR Geflüchtete
   DIR Tempelhofer Feld
   DIR Matthias Kollatz-Ahnen
   DIR Matthias Kollatz-Ahnen
   DIR Elke Breitenbach
   DIR Die Linke Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Flüchtlingsunterbringung in Berlin: Kinderbetten verboten
       
       Seit einem Monat wohnen Flüchtlinge in der ersten Modularen Unterkunft in
       Marzahn. Es gibt mehr Privatsphäre, aber Konflikte mit Betreiber und
       Security.
       
   DIR Unterbringung von Geflüchteten in Berlin: Flucht aus Turnhallen ist gelungen
       
       Am Freitag wurde auch die letzte als Notunterkunft genutzte Halle in Pankow
       leer gezogen. Was alles saniert werden muss, sei auch klar, sagt der
       Finanzsenator.
       
   DIR Flüchtlings-Heim auf Tempelhofer Feld: „Eigentlich irre“
       
       Weil die temporäre Flüchtlingsunterkunft so teuer wird, befürchtet die
       Initiative 100 Prozent, dass damit das Bebauungsverbot des Feldes umgangen
       werden soll.
       
   DIR Flüchtlingsunterbringung: Der 180.000-Euro-Mann
       
       CDU und FDP kritisieren, dass der Senat das Parlament beim neuen
       Flüchtlingsmanager außen vor lässt.
       
   DIR Kommentar zum 180.000-Euro-Mann: Jetzt mal die Kirche im Dorf lassen
       
       CDU und FDP halten dem Senat vor, selbstherrlich und ohne das Parlament zu
       agieren.
       
   DIR Wohnungen für Flüchtlinge: Amt will mehr Arbeit
       
       Bisher hat ein freier Träger Berliner Geflüchteten bei der Wohnungssuche
       geholfen. Ab 2017 will das das Landesamt für Flüchtlinge selbst übernehmen.
       
   DIR Flüchtlinge in Turnhallen: Das Elend beenden
       
       Der Senat will jetzt schnell handeln: Bis Jahresende sollen alle
       Flüchtlinge aus Turnhallen in anderen Unterkünften untergebracht werden.
       
   DIR Berlins neue Sozialsenatorin: „Wir müssen Armut eingrenzen“
       
       Die Linke Elke Breitenbach ist seit Donnerstag Senatorin für Arbeit,
       Soziales und Integration – und hat da einiges vor.