URI: 
       # taz.de -- Informationsfreiheitsgesetze im Norden: Ein bisschen Transparenz
       
       > Eigentlich wollte Rot-Grün in Niedersachsen Behörden verpflichten,
       > umfassend zu informieren – doch der jetzt vorgelegte Entwurf ist
       > windelweich. Auch die Vorbilder Hamburg und Bremen veröffentlichen längst
       > nicht alles
       
   IMG Bild: Transparenz für alle? Informationen in Niedersachsen sollen bald digital einzusehen sein
       
       HAMBURG taz | Zumindest auf dem Papier will Niedersachsens rot-grüne
       Regierung ein zentrales Wahlversprechen umsetzen: Ein
       Informationszugangsgesetz soll BürgerInnen möglichst noch in dieser, bis
       Januar 2018 laufenden Legislaturperiode einen Auskunftsanspruch gegenüber
       Behörden einräumen. „Gerade in Zeiten von Fake News“ sei dies „von ganz
       neuer Bedeutung“, sagte die grüne Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz
       in Hannover.
       
       SPD und Grüne hatten die Verabschiedung eines Transparenzgesetzes bereits
       2013 in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt. „Staatliche Stellen“ sollten
       danach verpflichtet werden, „alle relevanten Informationen digital in einem
       Transparenzregister“ zu veröffentlichen. Der jetzt vorliegende
       Gesetzentwurf sichert dies zumindest theoretisch: Ohne Begründung sollen
       BürgerInnen künftig Auskünfte bei Ministerien und Kommunalverwaltungen,
       aber auch bei privatrechtlich organisierten Unternehmen wie etwa
       Wasserversorgern einfordern können.
       
       Auskunftsberechtigt sind auch Vereine und Bürgerinitiativen. „Von Interesse
       wird vor allem das Bauplanungsrecht sein“, glaubt Niewisch-Lennartz: „Wie
       geht’s mit meinem Wohngebiet weiter? Wo soll die Straßenbahn genau
       langfahren?“ Das Justizministerium rechnet damit, dass pro Jahr etwa 1.000
       Anfragen auf die Verwaltung zukommen.
       
       Allerdings müssen Behörden auch in Zukunft längst nicht jede Information
       weitergeben. Von jeder Auskunftspflicht ausgenommen ist nicht nur der
       Verfassungsschutz – auch der Landtag muss nicht aus laufenden
       Gesetzgebungsverfahren berichten. Ebenfalls geschützt ist der „Kernbereich
       der Exekutive“, also die Willensbildung etwa innerhalb der Landesregierung.
       
       Außerdem erhalten Behördenmitarbeiter einen Abwägungsspielraum: Zum „Schutz
       des behördlichen Entscheidungsprozesses“ dürfen Informationen
       zurückgehalten werden. Der Bürgerrechtler Michael Ebeling von der Gruppe
       Freiheitsfoo, die zusammen mit Gruppen wie Mehr Demokratie und Transparency
       International zunächst mit viel Hoffnung auf das Gesetzgebungsverfahren
       geblickt hatte, spricht deshalb heute von „Generalklauseln“, die den
       Auskunftsanspruch der BürgerInnen eben doch unterlaufen. Problematisch
       seien auch die Kosten, die auf Interessierte zukommen: Gebührenfrei sollen
       nur Anträge mit maximal einer halben Stunde Bearbeitungszeit sein. „Normale
       Leute werden so doch massiv abgeschreckt“, kritisiert Ebeling.
       
       Wie wichtig die Umsetzung des Gesetzestexts ist, zeigt sich in Bremen. Dort
       gibt es seit 2006 ein Informationsfreiheitsgesetz. 2015 zuletzt novelliert,
       gilt es mit dem in Hamburg eines der weitgehendsten Transparenzgesetze im
       Bundesvergleich. Zumindest auf dem Papier gilt etwa, dass Verträge ab einem
       Wert von 50.000 Euro in einem Online-Transparenzportal veröffentlicht
       werden müssen.
       
       In der Praxis aber bleiben Schwierigkeiten. Anfang 2016 musste der Bremer
       Senat auf Anfrage der Linken einräumen: Von 193 Verträgen waren nur 16 auf
       dem Onlineportal zu finden. Mittlerweile sind dort insgesamt 320
       Vereinbarungen eingestellt. Probleme gibt es zudem bei der Kontrolle: Die
       Bremer Beauftragte für Datenschutz- und Informationsfreiheit kann die
       Verwaltung nur „auffordern“, Daten freizugeben. Das Gesetz nicht
       einzuhalten, ist aber keine Ordnungswidrigkeit.
       
       Auch in Hamburg wird nicht alles gern an die große Glocke gehängt. Bei
       einem Test des NDR 2015 beließ es die Sozialbehörde auch nach mehrfacher
       Nachfrage bei Verweisen auf Bürgerschaftsdrucksachen, die ohnehin
       öffentlich zugänglich sind. Hamburgs oberster Datenschützer Johannes Caspar
       zog deshalb 2016 eine gemischte Bilanz. Nachholbedarf gebe es bei der
       mittelbaren Staatsverwaltung, also zum Beispiel bei Hochschulen, Kliniken
       oder den Kammern. Auch solle der Verfassungsschutz nicht pauschal
       ausgenommen werden.
       
       31 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
   DIR Sven-Michael Veit
   DIR Jean-Philipp Baeck
       
       ## TAGS
       
   DIR Informationsfreiheitsgesetz
   DIR Transparenzgesetz
   DIR Rot-Grün
   DIR Niedersachsen
   DIR Behörden
   DIR Hamburg
   DIR Bremen
   DIR Justizministerium
   DIR Finanzen
   DIR Informationsfreiheitsgesetz
   DIR Volksentscheid Fahrrad
   DIR Transparenz
   DIR Bundeswehr
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Corona-Erlasse in Niedersachsen: Intransparente Justiz
       
       Das niedersächsische Justizministerium verweigert die Veröffentlichung von
       Erlassen. Das ist legal – weil es immer noch kein Transparenzgesetz gibt.
       
   DIR Neues Geldwäschegesetz: Schleierhaftes Transparenzregister
       
       Verschachtelte Firmenkonstrukte sollen dank eines Registers transparenter
       werden. Einsicht erhält nur, wer ein „berechtigtes Interesse“ hat.
       
   DIR Transparenz in Bremer Behörden: Gesetz gut, Umsetzung schlecht
       
       Bremen hat Bronze im bundesweiten Transparenzranking. Behörden kommen
       jedoch ihrer Veröffentlichungspflicht deutlich zu selten nach
       
   DIR Berliner Fahrradpolitik: Mühsamer Start für Geisel
       
       Linken-Abgeordneter kritisiert Hinhaltetaktik von Innensenator Geisel. Der
       verspricht eine Entscheidung zur Zulässigkeit des Volksentscheids bis
       Anfang Februar.
       
   DIR Klagefonds für Auskunftsrechte: Stiftungen fördern Transparenz
       
       Wer von Behörden keine Auskünfte bekommt, kann Geld für Prozess- und
       Anwaltskosten beantragen. Die ersten zwei Projekte stehen schon fest.
       
   DIR Hochschule Bremen und Zivilklausel: Uniform im Hörsaal
       
       Ein Kooperationsvertrag der Hochschule Bremen mit der Bundeswehr ist nach
       Monaten zum ersten Mal öffentlich – und erntet Kritik.