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       # taz.de -- Reaktionen auf Björn Höckes Rede: Im Dauerkampf
       
       > Nach der Dresden-Rede des AfD-Rechtsaußen bricht ein Proteststurm los.
       > Parteichefin Frauke Petry geht auf Distanz.
       
   IMG Bild: Höckes Auslassungen richteten sich auch gegen das Holocaust-Mahnmal
       
       BERLIN taz | Das Papier stammt aus dem Dezember. Mit „sorgfältig geplanten
       Provokationen“ wolle man in die Öffentlichkeit gehen, beschloss der
       AfD-Bundesvorstand damals. Je mehr die anderen Parteien die AfD in der
       Folge stigmatisierten, „desto positiver ist das für das Profil der Partei“.
       
       Nun hat einer der Parteivorderen wieder eine Provokation gesetzt, just am
       Tag des gescheiterten NPD-Verbots: Björn Höcke. Mit seiner Dresdner Rede
       löste der AfD-Rechtsaußen und Thüringer Parteichef am Mittwoch einen
       bundesweiten Proteststurm aus. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sprach von
       „Demagogie“. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden Josef Schuster von
       „in höchstem Maße menschenfeindlichen Worten“. Die Linksfraktionschefs
       Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch stellten Strafanzeige gegen Höcke.
       Dessen Rede sei „schlicht Nazi-Diktion“.
       
       Die Provokation, sie könnte diesmal für die AfD nach hinten losgehen. Am
       Mittag fühlte sich selbst Parteichefin Frauke Petry zu einer Distanzierung
       gezwungen. „Björn Höcke ist mit seinen Alleingängen und ständigen
       Querschüssen zu einer Belastung für die Partei geworden“, sagte sie einer
       Rechtspostille. Die AfD müsse sich entscheiden, ob sie wie einst die
       Republikaner untergehen wolle oder Erfolge feiern wie die österreichische
       FPÖ. „Wir werden Realisten sein oder politisch irrelevant.“
       
       Scharfe Kritik kam auch von NRWs AfD-Chef Marcus Pretzell, Petrys Ehemann.
       Er warf Höcke „größte Ignoranz“ vor. Die Revision der deutschen NS-Zeit sei
       „wahrlich nicht Aufgabe der AfD“. Pretzell drohte offen Höcke: Auch andere
       europäische Parteien hätten Vertreter gehabt, die dem „Irrweg“ erlagen,
       sich an Debatten über die Vergangenheit zu klammern. Dort seien es
       „schmerzhafte Trennungen“ gewesen, die „den Weg zur Volkspartei geebnet“
       hätten.
       
       ## Nicht das erste Mal
       
       Schon im Dezember 2015 hatte Petry versucht, gegen Höcke vorzugehen. Damals
       hatte der Rechtsaußen zuvor in einer Rede über einen „afrikanischen
       Ausbreitungstyp“ schwadroniert. Der AfD-Bundesvorstand beließ es am Ende
       bei einem Appell: Höcke solle prüfen, „inwieweit seine Positionen sich noch
       in Übereinstimmung mit denen der AfD befinden“. Der nahm es folgenlos zur
       Kenntnis.
       
       Am Mittwoch verteidigte sich Höcke mit einer Erklärung. Die Interpretation
       seiner Rede sei „bösartig und bewusst verleumndend“. Zweifellos müssten
       sich die Deutschen ihrer „immensen Schuld bewusst sein“. Aber:
       „Schuldbewusstsein allein kann keine gesunde Identität stiften.“
       
       Seine Kritiker konnte Höcke damit nicht besänftigen. „Hier geht es nicht um
       irgendeine Provokation“, sagte SPD-Parteichef Gabriel. „Björn Höcke
       verachtet das Deutschland, auf das ist stolz bin.“ Josef Schuster vom
       Zentralrat der Juden sagte: „Dass 70 Jahre nach der Schoah solche Aussagen
       eines Politikers in Deutschland möglich sind, hätte ich nicht zu glauben
       gewagt.“
       
       ## Beobachtung durch den Verfassungsschutz
       
       Der Grünen-Innenexperte Volker Beck forderte eine Beobachtung von Höckes
       AfD-Flügel durch den Verfassungsschutz. Dieser mache die AfD „zur
       parlamentarischen Repräsentanz der NPD in den Parlamenten“. Eine Reihe von
       Abgeordneten und NSU-Nebenklägern forderten auch ein Disziplinarverfahren
       gegen Höcke durch das hessische Kultusministerium. Dort ist der der
       44-Jährige Abgeordnete verbeamteter Lehrer im ruhenden Verhältnis.
       „Niemand, der rhetorisch und inhaltlich an die NS-Zeit anknüpft und sich
       dies zu eigen macht, kann und darf Geschichtslehrer sein“, heißt es in der
       Erklärung.
       
       Für Höcke war die Rede in Dresden indes mehr als eine Provokation. Schon
       länger bedient sich der AfD-Rechtsaußen dieses Duktus und dieser Topoi.
       Schon 2014, damals noch Spitzenkandidat der Thüringer AfD, erklärte Höcke,
       die AfD verfolge „eine historische Mission“. Seine Partei nannte er eine
       „identitäre Kraft“. Er selbst, so Höcke, sei angetreten, um „den Mehltau
       der politischen Korrektheit auf unserem Land abzuräumen“.
       
       In der AfD ist Höcke damit längst nicht isoliert. Der Thüringer ist
       Anführer des radikalrechten Parteiflügels. Zu dessen „Kyffhäuser-Treffen“
       kamen zuletzt auch Bundeschef Jörg Meuthen, ursprünglich mal als Liberaler
       eingepreist, und AfD-Vize Alexander Gauland. Letzterer schlug Höcke gar als
       Teil des Spitzenkandidatenteams für die Bundestagswahl in diesem Jahr vor.
       
       Das lehnte Höcke vor wenigen Tagen ab: Er wolle in Thüringen bleiben und
       dort 2019 die rot-rot-grüne Regierung stürzen. Auch in dieser Erklärung
       sparte Höcke nicht an Radikalität. Die AfD führe einen „Kampf“ darum, „ob
       wir und unsere Kinder noch eine deutsche Zukunft in der Mitte Europas
       haben“, schrieb er. Gegner seien die „Altparteien“, die „Kräfte der
       Auflösung“ und der „erzwungenen Multikulturalisierung“. Es gehe, so Höcke,
       um „Sein oder Nichtsein“.
       
       18 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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