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       # taz.de -- Bildung in Niedersachsen: Kinder als Wahlkampfschlager
       
       > Ein seltsamer Wettlauf: SPD und Grüne peilen 2019, die CDU das Jahr 2018
       > an. Ausgerechnet die wirtschaftsnahe FDP will noch schneller sein.
       
   IMG Bild: Das Wettenrennen um das sozialste Image hat begonnen
       
       Hannover taz | Im Wahlkampf-Wettlauf um das sozialste Image versucht in
       Niedersachsen ausgerechnet die FDP, SPD und Grüne, aber auch die CDU zu
       übertrumpfen: Schon im August wollen die wirtschaftsfreundlichen Liberalen
       die kostenlose Betreuung von Drei- bis Sechsjährigen in Kindertagesstätten
       einführen. „Wir werben um eine breite Mehrheit“, sagte FDP-Fraktionschef
       Christian Dürr bei der Vorstellung eines entsprechenden Gesetzentwurfes am
       Mittwoch im Landtag in Hannover.
       
       In Niedersachsen ist bisher nur das dritte und damit letzte Kita-Jahr
       beitragsfrei. SPD-Ministerpräsident Stephan Weil hatte deshalb zu Beginn
       des Jahres angekündigt, seine Partei werde den kostenlosen Kita-Besuch zu
       einem der zentralen Themen des Landtagswahlkampfs machen – in Niedersachsen
       wird am 14. Januar 2018 gewählt. Danach könne „schrittweise“ das zweite und
       später auch das erste Kindergartenjahr kostenlos werden, sagte Weil, der
       auch Landesvorsitzender der Sozialdemokraten ist. Für den niedersächsischen
       Haushalt rechne er pro Kita-Jahr mit einer zusätzlichen Belastung von rund
       100 Millionen Euro.
       
       Doch Regierungschef Weil hatte die Rechnung ohne seinen CDU-Herausforderer
       Bernd Althusmann gemacht. Der einstige Bundeswehroffizier der Panzertruppe,
       der bisher vor allem mit dem Thema Innere Sicherheit punkten wollte,
       fürchtet mittlerweile offenbar ein zu hartes, unsoziales Image. „Der
       Kita-Besuch soll kostenlos sein“, heißt es deshalb in einem Beschluss, den
       die Christdemokraten bei einer Klausurtagung am 21. Januar in Walsrode in
       der Lüneburger Heide verabschiedeten.
       
       „Wir können das gemeinsam durchziehen. Dann tritt es zum 1. August 2018 in
       Kraft“, tönte Althusmann danach – und motivierte die fixen Liberalen so,
       noch ein Jahr schneller sein zu wollen. Angesichts von Steuereinnahmen auf
       Rekordniveau und sinkenden Ausgaben für Geflüchtete stehe kostenlosen Kitas
       noch in diesem Jahr nichts im Weg, warb FDP-Bildungsexperte Björn
       Försterling bereits vor der gestrigen Landtagsdebatte: „Die Familien dürfen
       nicht bis nach der Wahl vertröstet werden.“
       
       Im Landtag mussten deshalb ausgerechnet SPD und Grüne bremsen: Die
       Vorschläge von CDU und FDP seien nicht gegenfinanziert und damit
       „unseriös“, konterte die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Julia
       Willie Hamburg. Zwar machen die geschätzten Kosten bei einem aktuellen
       Haushaltsvolumen von 30,39 Milliarden Euro nicht einmal 0,7 Prozent des
       Landesetats aus – doch Weil, dessen SPD-Finanzminister Peter-Jürgen
       Schneider 2017 erstmals in der Landesgeschichte einen Haushalt ohne neue
       Schulden vorlegen konnte, will im Wahlkampf auch als ultra-seriöser
       Finanzpolitiker punkten.
       
       SPD-Kultusministerin Frauke Heiligenstadt versicherte in der Debatte
       trotzdem, Chancengleichheit im Bildungsbereich bleibe „das zentrale Motiv“
       der rot-grünen Landesregierung. Dazu diene etwa die von Sozialdemokraten
       und Grünen beschlossene dritte Betreuungskraft für Kleinkinder in den
       Krippen sowie 60 Millionen Euro mehr Geld für die Kindertagesstätten: Dort
       könnten dafür 1.500 zusätzliche BetreuerInnen eingesetzt werden.
       
       Langfristig seriös finanziert werden könne die kostenlose Betreuung der
       Drei- bis Sechsjährigen nur durch das Kita-Qualitätsgesetz des Bundes, dass
       allein Niedersachsen etwa 500 Millionen Euro bringen werde, glaubt auch die
       Grüne Willie Hamburg: „Wenn 2017 Martin Schulz zusammen mit den Grünen
       regiert und die Umverteilung startet, haben wir noch mehr Geld“, meinte sie
       – und klang dabei fast selbstironisch.
       
       Denn beiden Regierungsparteien scheint klar, dass sie ihr Sozialprofil
       jetzt umso deutlicher schärfen müssen: Unmittelbar nach der Kita-Debatte
       beschlossen sie mit ihrer Landtagsmehrheit einen Antrag, mit dem die eigene
       Landesregierung aufgefordert wird, sich bei der Bundesregierung für mehr
       Geld für SchülerInnen aus finanzschwachen Familien einzusetzen. Begründung:
       Die von SPD und Grünen selbst beschlossenen Hartz-Gesetze sicherten für
       deren Kinder „eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe der Kinder
       nicht“.
       
       1 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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