URI: 
       # taz.de -- Kolumne Macht: Trumpst du oder schulzt du?
       
       > Die westlichen Länder sehnen sich nach Lichtgestalten. Diese können
       > sagen, was sie wollen – Hauptsache, sie gehören nicht zum Establishment.
       
   IMG Bild: Eine Begeisterung, die Züge des Irrationalen trägt
       
       Einen Knopf wünscht sich ein Leser, mit dem sich die online-taz
       „trumpfrei“ schalten lässt. Den Überdruss kann ich gut nachvollziehen.
       Allzu viel Drama schadet jeder Soap, sie bedarf auch ruhiger Phasen. Die
       gewährt Donald Trump nicht.
       
       Aber es geht ja nicht um Reality-TV – ungeachtet des Interesses von Trump
       an Einschaltquoten –, sondern um Tatsachen, um alternative und andere.
       Deshalb müssen Medien neue Entwicklungen wohl auch zur Kenntnis nehmen.
       Jedenfalls solche, die sich nicht als Teil der Unterhaltungsindustrie
       verstehen.
       
       Dennoch ist es schön, dass es noch andere Meldungen gibt. Wenn es denn
       wirklich andere Meldungen sind. „Trumpst du noch, oder schulzt du schon?“,
       will eine Kollegin wissen. Die Frage hat ihre Berechtigung.
       
       Auf den ersten Blick scheint es so, als könne es keine gegensätzlicheren
       Männer geben als den SPD-Kandidaten Martin Schulz und Donald Trump. Der
       eine ist ein bodenständiger, vermutlich integrer Mann, der versucht, einer
       sehr alten Partei neues Leben einzuhauchen. Der andere ist – na ja, eben
       Trump.
       
       Dennoch haben sie etwas gemeinsam: den Hype um ihre Person. Schulz kann
       dafür nichts. Auch nicht dafür, dass seine Umfragewerte durch die Decke
       gehen. Auf eine Weise, die durch seine ziemlich traditionellen Äußerungen
       alleine nicht erklärbar ist. Und dass er Reaktionen hervorruft wie ein
       Teeniestar. Wann fliegen die ersten Kuscheltiere und BHs?
       
       ## Hysterische Begeisterung
       
       Vermutlich wäre der ehemalige Präsident des EU-Parlaments der Erste
       gewesen, der allen ins Gesicht gelacht hätte, die ihm Charisma bescheinigt
       hätten. Charisma? Viele Gaben mögen Martin Schulz in die Wiege gelegt
       worden sein, diese gehört nicht dazu. Es muss also eine andere Erklärung
       für die hysterische Begeisterung geben.
       
       Da sind wir eben wieder bei Donald Trump. Leider. Offenbar gibt es in der
       westlichen Welt eine große Sehnsucht nach Erlösern. Was immer diese
       Lichtgestalten sagen mögen: Hauptsache, sie gehören nicht zum – sogenannten
       – Establishment, sie sind neu und unverbraucht und sie zwinkern nicht allen
       anderen bisherigen Darstellern auf der politischen Bühne verständnisinnig
       zu.
       
       Komplizierter ist es nicht? Nein, ich fürchte nicht. Oder aber, und dann
       wird es sehr schwierig: Selbst die abwählbaren Protagonisten der Demokratie
       können offenbar so selbstzufrieden werden, dass die Staatsform in sich
       selbst erstarrt; dass es keine Möglichkeit mehr zu geben scheint, gegen
       eine als „alternativlos“ deklarierte Politik aufzubegehren, weil alle
       politischen Spitzenkräfte die Globalisierung, den Freihandel und den Abbau
       von sozialen Rechten als unvermeidlich darstellen. Dann wächst eben die
       Zahl derjenigen, die jedes neue Gesicht begeistert begrüßen.
       
       Zum Beispiel Martin Schulz. Die – irrational erscheinende – Begeisterung
       für seine Person weist über ihn selbst hinaus. Wunderbar immerhin, dass es
       ein Sozialdemokrat und kein Rechtsradikaler ist, der solche Beifallsstürme
       entfacht.
       
       Aber es ist zu bezweifeln, dass das auf Dauer hilft. Diplomatisches
       Geschick und Kompromissbereitschaft stehen gegenwärtig nicht hoch im Kurs.
       Umfragen zeigen: Je mehr sich Donald Trump wie ein Bully verhält, desto
       toller findet das seine Gefolgschaft. (Ja, nur noch seine unmittelbare
       Gefolgschaft, und das kann für ihn gefährlich werden. Das ist jedoch ein
       anderes Thema.)
       
       Gegenwärtig gilt: Je weniger der Rest der Welt versteht, was eigentlich in
       Donald Trump vorgeht, desto beglückter reagiert seine Klientel. „Zeig’s
       ihnen!“ Tut er. Er zeigt es – allen. Ob ein nüchterner Technokrat wie
       Martin Schulz dem Paroli bieten kann? Abwarten. Optimistisch bin ich nicht.
       
       4 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bettina Gaus
       
       ## TAGS
       
   DIR Donald Trump
   DIR Martin Schulz
   DIR Westen
   DIR taz
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Krise der Demokratie
   DIR Der Spiegel
   DIR Kanzlerkandidatur
   DIR antimuslimischer Rassismus
   DIR Donald Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kolumne Macht: Nur ein beiläufiger Seitenhieb?
       
       Warum die taz keineswegs das „Zentralorgan“ der Grünen ist. Ein offener
       Brief an den Journalisten Albrecht von Lucke.
       
   DIR Kolumne Macht: Wer mit dem Teufel isst
       
       In Ägypten sucht Angela Merkel die Nähe eines weiteren Diktators. Obwohl
       das Beispiel Türkei zeigt, wie erpressbar sie sich dadurch macht.
       
   DIR Kolumne Macht: Ein Silberstreif ist sichtbar
       
       Die Popularität der AfD nimmt ab, die Umfragewerte von Trump sind schlecht.
       Falls es gut geht, wird der Wert der Demokratie hoffentlich deutlicher.
       
   DIR Kommentar Trump-Cover des „Spiegel“: Die Titelbild-Eskalation
       
       Nicht nur die Freiheitsstatue, auch der „Spiegel“ hat seinen Kopf verloren.
       Das aktuelle Schocker-Foto lässt kaum Spielraum für die Zukunft.
       
   DIR Die Meme des Martin Schulz: Was heißt hier Mega?
       
       In sozialen Netzwerken wimmelt es von Überhöhungen von SPD-Notnagelmessias
       Martin Schulz. Das hat so einiges mit US-Präsident Trump zu tun.
       
   DIR Kommentar US-Einreisestopp für Muslime: Der Firnis ist dünn geworden
       
       Der Richterspruch für ein Abschiebeverbot ist ein Funken Hoffnung – mehr
       aber nicht. Zu dicht ist die Folge der Trump'schen Abscheulichkeiten.
       
   DIR Kommentar Trumps erste Tage im Amt: Der Lügenbefehlshaber
       
       Die Unwahrheiten über seine Inauguration lassen an Trumps Verstand
       zweifeln. Das ist weder witzig gemeint noch polemisch. Leider.