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       # taz.de -- Der Weg in den Islamismus: Bremer Terrorist verhaftet
       
       > Adnan S. sitzt in der Türkei in Haft. 2015 reiste er mit seinem Freund
       > Harry S. aus Bremen nach Syrien, um sich der Terrormiliz IS anzuschließen
       
   IMG Bild: Adnan S. als Fahnenträger des „Islamischen Staates“
       
       BREMEN taz | Der Weg von Adnan S. endet vorerst in einem türkischen
       Gefängnis. Der verschollene Wegbegleiter des Bremer Harry S., der vom
       „Islamischen Staat“ (IS) zurückkehrte, wurde nun mit einem weiteren Mann,
       der wohl aus Hamburg stammen soll, in Ankara verhaftet. Ihm wird
       vorgeworfen, ein Anhänger der IS-Terrormiliz zu sein und einen Anschlag in
       Europa geplant zu haben. Doch wer ist Adnan S.? Was machte den 26-Jährigen
       zu einem Anhänger der Menschenfeinde vom IS?
       
       Als Adnan S. 2009 mit anderen Schülern in Bremen an einer Diskussion über
       konfessionsübergreifenden Religionsunterricht teilnahm, brannte der
       19-Jährige vor Leidenschaft: Aber noch nicht für den Dschihad, sondern für
       die Verständigung der Religionen. Er sagte, dass er es nicht mit seinem
       Gewissen vereinbaren können, jemandem das Leben zu nehmen. Aber er
       berichtete auch davon, wie er, der gläubige Muslim, versuche, „so
       tugendhaft wie möglich zu leben“. Und er beklagte, dass „jeder sein
       moralisch-ethisches Denken“ verliere.
       
       Ein paar Jahre später schließt sich Adnan S. dem IS an. Vieles von dem, das
       man aus der Zeit über ihn weiß, erfuhr man durch Harry S. Der war 2015 mit
       ihm in Richtung Syrien zum IS gereist, aber war nach wenigen Wochen wieder
       abgehauen. Nach seiner Rückreise wurde er in Bremen festgenommen und 2016
       in Hamburg verurteilt. Beim Prozess sagte Harry S. umfassend aus – auch
       über Adnan S. Zum Zeitpunkt der Verhandlung vermutete man, dass dieser
       gestorben sei. Adnan sei es gewesen, der ihn dazu überredet habe, in den
       Dschihad zu ziehen, sagte Harry S. vor Gericht. Sein Freund soll von den
       Zielen des Islamischen Staates überzeugt gewesen sein.
       
       Adnan S. hat einen montenegrinischen Pass. Laut dem Politikwissenschaftler
       Heiner Vogel, der auf seinem Watchblogs „Erasmus Monitor“ über Harry S. und
       Adnan S. berichtete, wuchs Adnan S. im Bremer Stadtteil Neustadt auf. Er
       sei auf ein Gymnasium gegangen, habe dann aber die Schule abgebrochen. Wie
       Vogel recherchierte, machte Adnan S. daraufhin diverse Aushilfsjobs und
       meldete ein Gewerbe an, doch das ging schief. „Er verliert in dieser Zeit
       den Halt in seinem Leben“, sagte Vogel. Er habe sich radikalisiert.
       
       Adnan S. kommt mit Leuten aus dem mittlerweile verbotenen Kultur- und
       Familienverein in Bremen Gröpelingen in Kontakt, aus deren Umfeld mehrere
       Menschen ausreisten, um sich dem Dschihad anzuschließen. Die Mitglieder
       folgen einer besonders radikalen Ausformung des Salafismus, bei der die
       Welt in Gläubige und Ungläubige eingeteilt ist.
       
       Anfang 2015 wird Adnan S. beschuldigt, mit Harry S. ein Ehepaar in Oyten
       überfallen und beraubt zu haben. Harry S. bestreitet die Tat bis heute,
       gegen eine Verurteilung hat er Revision eingelegt.
       
       Anfang April 2015 beginnen beide ihre Reise nach Syrien. Beide erhalten
       eine Ausbildung in einer Spezialeinheit der Dschihadisten. Wenig später
       werden sie Protagonisten in dem ersten deutschsprachigen Propaganda-Video
       des IS, bei dem auch die Erschießung von Geiseln zu sehen ist. Adnan S.
       taucht gleich zu Beginn des Video auf, wie er die schwarze Fahnen des IS
       trägt.
       
       Laut Harry S. soll Adnan dann aus gesundheitlichen Gründen aus der
       Spezialeinheit ausgeschieden sein. Sie verlieren sich aus den Augen. Als
       sie sich wiedertreffen, sei Adnan S. desillusioniert gewesen. Während
       Harry S. abhaut, bleibt Adnan S. vor Ort. Zeitweise soll er im Irak gewesen
       sein, womöglich in Mossul.
       
       Schließlich wird Adnan in der Türkei mit einem weiteren mutmaßlichen
       Dschihadisten gefasst – womöglich aber schon vor Wochen und nicht erst im
       Januar, wie es zuletzt hieß. Adnan S. soll unter dem Decknamen Aleksandar
       Mitic agiert haben. Die Staatsanwaltschaft in Ankara soll ihnen die
       Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorwerfen und über 22 Jahre Haft
       fordern. Die beiden Verdächtigen sollen Anschläge in Europa vorbereitet
       haben. Adnan S. habe nach seiner Festnahme zunächst angegeben, nach Ankara
       gereist zu sein, um eine Haartransplantation durchführen zu lassen. Später
       habe er zugegeben IS-Mitglied zu sein.
       
       In Bremen läuft laut Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen der
       Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Straftaten gegen Adnan S. Gegen
       Harry S. wird demnächst erneut Anklage erhoben: Der IS hatte Material
       verbreitet, das ihn wegen möglicher Beteiligung an Erschießungen belastet.
       
       6 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jean-Philipp Baeck
   DIR Eiken Bruhn
       
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