# taz.de -- Siedlungen im Westjordanland: Disput um Legalisierung
> Ein Gesetzentwurf soll Siedlungen legalisieren, die auf palästinensischen
> Grundstücken errichtet wurden. Die Knesset muss nun darüber entscheiden.
IMG Bild: Neubau südlich von Bethlehem im Westjordanland (Archivbild Dezember 2016)
Jerusalem taz | Der israelische Parlamentarier Benni Begin muss sich selbst
nicht den Vorwurf machen, ein großer Freund der Palästinenser zu sein.
Begin gehört wie sein Vater, der frühere Regierungschef Menachem Begin, zu
den Verfechtern von Groß-Israel und lehnt territoriale Kompromisse im Land,
das Gott einst dem jüdischen Volk vermachte, strikt ab.
Trotzdem weigerte sich der Likud-Abgeordnete, in der ersten Lesung für
einen Gesetzentwurf zu stimmen, der einen Rückzug aus dem biblischen Erez
Israel sehr erschweren würde: die retroaktive Legalisierung von
israelischen Siedlungen, die auf privaten palästinensischen Grundstücken
errichtet wurden.
Das „Reglementierungs-Gesetz“, wie es offiziell heißt, ist für Begin nichts
anderes als ein „Diebstahl-Gesetz“. Die Enteignung privaten
palästinensischen Landes zum Nutzen von jüdischen Siedlern, könne, so
findet Begin, nur als „Landraub“ bezeichnet werden. Am kommenden Montag
sollen die Knesset-Abgeordneten in zweiter und dritter Lesung über den
Reformentwurf entscheiden.
Zugleich hat Israel am Dienstag den Bau von 3.000 neuen Siedlerwohnungen
gebilligt. Ein Sprecher des Verteidigungsministers Avigdor Lieberman teilte
am späten Dienstagabend mit, Lieberman habe dies mit Regierungschef
Benjamin Netanjahu vereinbart. 2.000 der Wohnungen dürften sofort errichtet
werden.
## Kompensation vorgesehen
Das geplante Gesetz sieht eine Kompensation der palästinensischen
Landeigentümer in Form von Pachtgebühren oder alternativen Grundstücken
vor. Voraussetzung für die retroaktive Legalisierung ist, dass der Bau in
Unkenntnis über die Besitzverhältnisse stattfand. In zahlreichen Fällen,
seien die Siedlungen „in gutem Glauben von israelischen Bürgern errichtet
worden, die sich nicht darüber bewußt waren, dass dieses Land Privatbesitz
ist“, heißt es in dem Gesetzentwurf, der „nicht zu rechtfertigendes Leid“
an den Menschen verhindern soll, „die dort schon viele Jahre leben“. Laut
Times of Israel sei ein Nachweis über die nötige Unwissenheit schon
gegeben, wenn der Bau der Wohnungen von staatlicher Seite oder der
Bezirksverwaltung unterstützt wurde.
Die Friedensbewegung „Peace now“, die die Ausweitung der Siedlungen im
Westjordanland systematisch verfolgt, geht davon aus, dass das geplante
Gesetz die retroaktive Legalisierung von knapp 4.000 Wohneinheiten in 55
sogenannten Siedlungsvorposten (von Israel nicht offiziell anerkannete
Siedlungen) ermöglichen würde. Dazu kämen rund 3.000 Wohneinheiten in von
Israel anerkannten Siedlungen. Peace now warnt vor einem „verheerenden
Schlag für die Zweistaatenlösung“. Das Regulations-Gesetz werde den Bau
weiterer Siedlungen anspornen.
Als „Gesetz zur Gründung eines binationalen Staates“, bezeichnete
Oppositionsführer Izchak Herzog die Reforminitiative. Für Bildungsminister
Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei Das jüdische Heim, wäre die
Verabschiedung des Reglementierungs-Gesetzes indes ein politischer Erfolg.
Bennett spricht von einem „historischen Prozess der Normalisierung für die
Siedlungen“. Das nächste Ziel der Siedlerpartei wäre die Annexion von
Teilen des Westjordanlandes.
## Reaktion auf Verfahren
Generalstaatsanwalts Avichai Mandelblit glaubt nicht, dass das
Reglementierungs-Gesetz vor dem Obersten Gericht in Jerusalem Bestand haben
würde. Mandelblit kündigte bereits an, den Staat in dieser Sache nicht
vertreten zu wollen. Auch Verteidigungsminister Avigdor Lieberman glaubt
nicht daran, dass das Gesetz von Dauern sein wird, will aber dennoch dafür
stimmen. Grundsätzlich teilt Lieberman die Meinung von Regierungschef
Benjamin Netanjahu, der findet, es müsse „ein für allemal“ eine Regelung
geben für die Israelis, die im Westjordanland leben.
Hintergrund der Reform sind mehrere Verfahren, die zu Gunsten der
palästinensischen Grundstückseigentümer ausgingen. Zuletzt entschied der
Oberste Gerichtshof über die Räumung von 40 Häusern in Amona, die auf
palästinensischen Privatgrundstücken stehen. Für die Siedler von Amona
kommt die Gesetzinitiative zu spät. Die Armee forderte die Bewohner auf,
Amona schon bis diese Woche Mittwoch um Mitternacht zu verlassen. [1][Laut
Haaretz ] hat die Räumung an diesem Mittwoch begonnen.
1 Feb 2017
## LINKS
DIR [1] http://www.haaretz.com/israel-news/LIVE-1.768926
## AUTOREN
DIR Susanne Knaul
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