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       # taz.de -- Smartphones im Unterricht: Handyverbot auf der Kippe
       
       > Bremens Bildungssenatorin Bogedan (SPD) bezeichnet Datenschutzbedenken
       > gegen die Nutzung von Smartphones im Schulunterricht als „Denkfehler“.
       
   IMG Bild: Früh übt sich, wer in der digitalen Welt zurechtkommen will – meint die Bildungssenatorin
       
       BREMEN taz | Das Handyverbot an Schulen steht auf dem Prüfstand: Die
       Oberschule Findorff testet derzeit, ob und wie sich Smartphones im
       Schulalltag nutzen lassen. Anlässlich des diesjährigen „Safer Internet Day“
       haben SchülerInnen und Lehrkräfte gemeinsame Regeln für die private Nutzung
       von Handys entwickelt. Die Ergebnisse des Projekts, an dem unter anderem
       die Landesmedienanstalt beteiligt ist, sollen in die neue Schulordnung
       einfließen, die am sechsten März vorgestellt wird.
       
       In Bremen entscheidet jede Schule selbst, ob sie Handys auf dem
       Schulgelände verbietet. An der Oberschule Findorff gelten derzeit zwei
       Regelungen: Während SchülerInnen von der fünften bis zur zehnten Klasse
       kein Handy nutzen dürfen, gilt dieses Verbot nicht für SchülerInnen der
       Oberstufe. Der 16-jährige SchülerInnenvertreter Tim sagt, seine Freunde
       wünschten sich, dass das Verbot aufgehoben wird.
       
       Christian Gloede von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft
       begrüßt das Projekt: „SchülerInnen lernen, sich in der digitalen Welt zu
       bewegen und werden für Möglichkeiten und Gefahren sensibilisiert.“ Ein
       „pädagogischer Pessimismus“ werde der Herausforderung nicht gerecht.
       
       Auch Cornelia Holsten, Direktorin der Landesmedienanstalt, hält das
       Handyverbot für nicht mehr zeitgemäß. 95 Prozent der 14 bis 29-Jährigen
       besäßen ein Smartphone. „Weniger Menschen putzen sich abends regelmäßig die
       Zähne“, so Holsten. Medienkompetenz werde aber niemandem in die Wiege
       gelegt. Sie müsse „wie Fahrradfahren“ erlernt werden.
       
       Laut Länderindikator der Deutschen Telekom gehört Bremen in der digitalen
       Bildung aktuell zur Spitzengruppe und konnte seine Position im Vergleich zu
       2015 noch verbessern. Cornelia Holsten führt das auch auf Bildungssenatorin
       Claudia Bogedan (SPD) zurück, die sie als „Fels in der Brandung“ für die
       digitale Bildung bezeichnet.
       
       Bogedan hatte im November noch als Vorsitzende der Kultusministerkonferenz
       (KMK) Handyverbote als „von gestern“ bezeichnet und dafür plädiert, diese
       im Unterricht zu nutzen. „Ein Verbot verhindert Gespräche“, sagt Bogedan
       auch jetzt. Dabei seien gemeinsame Gespräche und zusammen aufgestellte
       Regeln wichtig für die digitale Selbstbestimmung.
       
       Handys können pädagogisch sinnvoll genutzt werden. Der Deutsche Lehrerpreis
       des Philologenverbands ging im vergangenen Jahr an ein Projekt, das
       Smartphones in den naturwissenschaftlichen Fächern einsetzte. Thomas vom
       Bruch, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, sieht
       Smartphones zwar als mögliche Ergänzung des Unterrichts: „Aber kein Handy
       der Welt kann die Missstände in der bremischen Bildungspolitik
       kompensieren.“ Kristina Vogt, Vorsitzende der Linksfraktion, befürchtet,
       dass SchülerInnen, die kein oder nur ein altes Smartphone besitzen,
       stigmatisiert werden. Aber diese Diskussion sei derzeit ein
       Nebenschauplatz. „Das Bremer Schulsystem hat dringendere Probleme“, so
       Vogt.
       
       „Das glaube ich nicht“, erwidert Bogedan. Eine gute Bildung müsse sich der
       gesellschaftlichen Realität und den technologischen Möglichkeiten anpassen.
       Die Digitalisierung des Unterrichts dürfe nicht an der Finanzierung
       scheitern. Deswegen wolle sie nutzen, was da ist: Smartphones.
       
       Probleme wegen der Lehrmittelfreiheit sieht sie nicht: „Für Schüler ohne
       Smartphone muss die Schule entsprechende Geräte bereithalten“, so die
       Bildungssenatorin. Bedenken der Landesdatenschutzbeauftragten Imke Sommer
       bezeichnet sie als „Denkfehler“.
       
       Laut Sommer sind Smartphones im Unterricht nur datenschutzkonform zu
       nutzen, wenn die Schulnutzung von der privaten Nutzung „abgeschottet“
       werden könne. Ob das möglich ist, darf laut Sommer „stark bezweifelt
       werden“. Da die Handys in einem geschlossenen und daher sicherem System
       genutzt würden, sieht Bogedan indes keine Gefahr für die Daten. „Die Daten
       sind nicht auf dem Handy.“
       
       12 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lukas Thöle
       
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