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       # taz.de -- Wahl in Indonesiens Hauptstadt Jakarta: Angriff der Hardliner
       
       > Bei der Gouverneurswahl entscheidet sich, ob Indonesien ein weltlicher
       > Staat bleibt. Islamisten hetzen gegen den christlich-chinesischen
       > Amtsinhaber.
       
   IMG Bild: Basuki „Ahok“ Tjahaja Purnama mit seinem Markenzeichen, dem Karohemd
       
       JAKARTA taz | „Allahu Akbar“, schreien muslimische Männer. Die weiß
       gekleideten Jugendlichen rasen Fahnen schwenkend in Autos Jakartas
       Hauptverkehrsachse Jalan Thamrin hinunter. Auf einer Fahne steht: „Der
       Koran verbietet, Ungläubige zu wählen.“
       
       Indonesiens Hauptstadt wählt am Mittwoch einen neuen Gouverneur. Der Hass
       der Islamisten richtet sich gegen Amtsinhaber Basuki „Ahok“ Tjahaja
       Purnama, einen chinesisch-stämmigen Christen.
       
       Im Café einer US-Kette an einer Straßenecke sitzen junge Indonesier hinter
       Laptops und Smartphones. „Das sind Verrückte“, sagt Azwar, der wie viele
       Indonesier nur einen Namen hat, über die Fahnen schwenkenden Landsleute.
       
       „Genau hier haben wir doch vor einem Jahr erlebt, wohin Extremismus führen
       kann“, seufzt er mit Blick auf den Terroranschlag im Januar 2016. Genau vor
       diesem Café starben sieben Menschen.
       
       ## Blasphemievorwurf gegen den Amtsinhaber
       
       Treibende Kraft gegen Ahoks Wiederwahl ist die Islamische
       Verteidigungsfront (FPI). Deren Führer Habib Rizieq hat den christlichen
       Gouverneur wegen angeblicher Blasphemie vor Gericht gebracht und Ende 2016
       mit zwei muslimischen Massendemonstrationen die Grundlagen des
       indonesischen Staates erschüttert.
       
       Der seit Jahrzehnten in Jakarta lebende deutsche Jesuit und Philosoph mit
       indonesischem Pass, Franz Magnis Suseno, sieht in der FPI-Kampagne „eine
       für Indonesien möglicherweise folgenreiche Verschiebung der Gewichte in der
       Zivilgesellschaft: Der Islam als solcher meldet sich und seine Vertreter
       sind die Hardliner.“
       
       Der Blasphemievorwurf gegen Ahok bot der FPI den willkommenen Anlass, ihr
       Ziel klar zu benennen: Die Ablösung der Staatsideologie Pancasila durch die
       Jakarta-Charta 1945.
       
       Pancasila definiert Indonesien als weltlichen Staat, während die
       Jakarta-Charta Grundlage für einen islamischen Staat ist. Die FPI agiert
       nicht im luftleeren Raum, obwohl die Hardliner im Land mit der weltgrößten
       muslimischen Bevölkerung nur eine kleine Minderheit sind. Boni Hargens
       teilt die Ansicht vieler, die FPI werde von Oligarchen und Exgenerälen zum
       Erhalt des Status quo benutzt und von ihnen finanziert.
       
       ## Alte Elite instumentalisiert die Islamisten
       
       „Gouverneur Ahok und Präsident Joko Widodo zeigen, dass auch in unserem
       Land gute Regierungsführung möglich ist. Das sehen die Oligarchen als
       Bedrohung“, sagt der 35-jährige Universitätsdozent.
       
       Frontmann der alten Elite ist Expräsident Susilo Bambang Yudhoyono. Sein
       Plan für die Rückeroberung der Macht: Erst soll sein Sohn Agus Yudhoyono,
       38, Gouverneur von Jakarta werden und dann bei den Wahlen 2019 Präsident.
       Beides mit Hilfe der FPI, die mit der Politisierung des Islam die Muslime
       mobilisieren soll.
       
       Doch bisher scheint die Rechnung nicht aufzugehen. Agus ist trotz seines
       guten Aussehens in Umfragen abgeschlagen, während Ahok den ersten Wahlgang
       für sich entscheiden dürfte. „Die meisten Wähler in Jakarta sind rational“,
       meint Boni Hargens. „Ahok kann auf erste Erfolge bei der Verwaltungsreform
       und der Bewältigung der Infrastrukturprobleme verweisen.“
       
       Budi will vielleicht für den dritten Kandidaten, Anies Baswedan, einen
       früheren Bildungsminister, stimmen. Den Yudhoyono-Clan mag der Muslim mit
       nur einem Namen nicht.
       
       Und eigentlich ist Budi, der im Arbeiterviertel Tanah Abang einen
       Straßengrill betreibt, Ahok-Fan. Er sagt aber auch: „Als Muslim muss ich
       auch die Religion achten.“
       
       Schwierig für Ahok dürfte eine mögliche Stichwahl gegen den einzigen dann
       verbleibenden muslimischen Gegenkandidaten werden.
       
       14 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Lenz
       
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