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       # taz.de -- Russlands Präsident Putin in Ungarn: Zu Gast beim gelehrigen Schüler
       
       > Für Wladimir Putin ist der EU-Quertreiber Victor Orbán ein nützlicher
       > Idiot. Dem Kreml geht es darum, seinen Einfluss in Europa auszubauen.
       
   IMG Bild: Ungarns Regierungschef Victor Orbán (l.) und Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen im russischen Nowo-Ogaryowo 2016
       
       Moskau taz | Russlands Präsident Wladimir Putin lässt sich diese Chance
       nicht entgehen. Mit einem Besuch in Budapest kann er dem heimischen
       Publikum demonstrieren, dass er trotz westlicher Sanktionen in der EU gern
       gesehen ist und sich an der westlichen Front der Sanktionsbefürworter
       deutliche Lücken auftun. Wer will nach Russlands Syrien-Coup, Trumps Wahl
       zum US-Präsidenten und einer Stippvisite in der EU eigentlich noch von
       Moskaus Isolierung sprechen?
       
       Zum dritten Mal treffen sich Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán und
       Kremlchef Putin seit 2015 auf bilateraler Ebene. Ungarn ist das einzige
       EU-Land, das Putin nach der widerrechtlichen Annexion der Krim zum zweiten
       Mal besucht. Im vergangenen Jahr kam Victor Orbán im Februar nach Moskau,
       die jährliche Visite soll Usus werden.
       
       Im Vorfeld der Budapest-Reise weilte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto
       Ende Januar in Russland. Der Kreml nahm mit Genugtuung auf, was er in einem
       langen Interview dem Kommersant sagte: Die Sanktionen gegen Russland seien
       „ineffektiv und schädlich“.
       
       Peter Szijjarto beließ es dabei aber nicht. Seinen EU-Amtskollegen riet er,
       häufiger russisches Fernsehen zu schauen, Erklärungen der politischen
       Führung mehr Aufmerksamkeit zu schenken, damit sie Russlands Haltung besser
       verstünden. Der Gastgeber war betört. Szijjarto hörte sich an, als buhle er
       um die Wiederaufnahme in den russischen Orbit.
       
       ## Gleichgeschaltete Medien
       
       Victor Orbán ist ein gelehriger Schüler des russischen Autokraten.
       Ablehnung der EU und Verachtung westlicher Werte sind beiden gemein.
       Wichtiger ist indes die Genauigkeit, mit der der Ministerpräsident das
       russische Herrschaftsmodell nachahmt und auf Ungarn überträgt:
       Gleichschaltung der Medien, Kontrolle der Regierung über die Legislative,
       Strangulierung von NGOs und der Zivilgesellschaft mithilfe von Gesetzen,
       die von russischen Originalen abgekupfert wurden.
       
       Fast noch beunruhigender: Die Verteilung von Eigentum und Ressourcen folgt
       Moskaus Blaupause und begünstigt meist die eigene Klientel. Die
       Intransparenz staatlicher Geschäfte nimmt zu, bewusst werden Gesetze so
       formuliert, dass Prüfungen nicht mehr möglich sind. Auch wachse die
       Korruption stetig, lässt sich letzten Untersuchungen entnehmen.
       
       Darunter die umfangreiche Studie vom Center for Strategic and International
       Studies CSIS „Kremlin playbook: Understanding Russian Influence in Central
       Europe“, ähnlich bewerten auch der Atlantic Council (The Kremlin’s Trojan
       Horses) und Transparency International die Lage. Korruption zersetzt die
       Funktionstüchtigkeit von Institutionen und vermindert staatliche
       Leistungsfähigkeit.
       
       Mithin setzt Moskau in Zentraleuropa Korruption als Instrument ein, um die
       Staaten zu schwächen. Je größer etwa der Anteil russischer Gelder am BIP
       eines Landes ausfällt, desto deutlicher sackt auch der Grad staatlicher
       Regulierungsfähigkeit, stellt etwa die CSIS-Studie fest.
       
       ## Einfluss ausbauen
       
       Russland will den Einfluss im ehemaligen osteuropäischen Satellitenbereich
       erneut ausbauen. Dafür ist Euroskeptiker Victor Orbán nützlich. Der Kreml
       sieht in ihm eine Kraft, die trotz aller Kritik an Brüssel die EU nicht
       verlässt. Orbán soll als Dauerstörer bleiben.
       
       Langfristig zieht das auch andere Nachbarn mit in den antieuropäischen Sog,
       so das Moskauer Kalkül. Orbáns Partei Fidesz koaliert mit der
       rechtsradikalen Partei Jobbik, zu der Russland auch Kontakte unterhält.
       
       Obwohl Wladimir Putin für Victor Orbán Vorbild ist und der
       Ministerpräsident dem Russen Avancen macht, traut ihm der Kreml nicht
       vollends. Es ist eher ein pragmatisches Verhältnis, das Moskau zu dem
       Magyaren unterhält. Nach 1990 war Orbán ein antikommunistischer
       „Freiheitskämpfer“, der nur wenig Schmeichelhaftes über die ehemalige
       Besatzungsmacht zu sagen hatte.
       
       Nach seiner Amtsübernahme 2010 beklagte Orbán noch, die sozialistische
       Partei hätte Ungarn russischen Interessen ausgeliefert. Inzwischen ist die
       Abhängigkeit von Moskau noch gewachsen. So baut Russland das ungarische AKW
       Paks in Eigenregie aus.
       
       Auf Putins Besuchsprogramm steht auch die Einweihung eines Denkmals zu
       Ehren gefallener Rotarmisten. Die Pflege historischer Gemeinsamkeit dürfte
       schwierig werden. Noch gedenkt Ungarn der Niederschlagung des
       antisowjetischen Aufstands 1956. Russland behauptet, Faschisten und CIA
       hätten die Volkserhebung angezettelt. Budapest war darüber erbost.
       
       2 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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