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       # taz.de -- Der US-Präsident und seine Politik: Wer kann Trump jetzt noch stoppen?
       
       > Wie mächtig sind Trumps Dekrete? Kann das Parlament ihn aufhalten? Können
       > ihn Gerichte stoppen? Oder könnte man ihn tatsächlich absetzen?
       
   IMG Bild: Pompöse Symbolpolitik: Die Macht von Präsidialdekreten ist nicht besonders nachhaltig
       
       ## Was können Dekrete?
       
       Es ist schon ein gewohntes Bild geworden: Donald Trump sitzt an seinem
       Schreibtisch, jemand reicht ihm eine Lederkladde, er krakelt seine pompöse
       Unterschrift auf das Papier – und wieder ist ein neues Dekret in Kraft, mit
       dem Trump die politischen Duftmarken seiner Präsidentschaft setzt.
       
       Es ist nicht ungewöhnlich, dass neue Präsidenten in den ersten Tagen ihrer
       Amtszeit eine Reihe solcher Executive Orders auf den Weg bringen. Barack
       Obama etwa unterschrieb gleich am ersten Tag ein solches Dekret, um das
       Gefangenenlager in Guantánamo zu schließen. Das Lager aber gibt es bis
       heute – die Reichweite und Durchsetzungskraft von Präsidialdekreten hat
       Grenzen.
       
       Denn solche Dekrete sind keine Gesetze, streng genommen sind sie lediglich
       Anordnungen, wie bestehende Gesetze zu interpretieren oder auszuführen
       seien. Der Präsident kann damit zum Beispiel keine Ausgaben anordnen, die
       nicht bereits vorher vom Kongress bewilligt worden sind. Und wenn eine
       Gesetzesänderung nötig ist, um eine Anordnung durchzusetzen, braucht der
       Präsident eine Mehrheit im Kongress.
       
       Obamas Wunsch, Guantánamo zu schließen, scheiterte vor allem daran, dass
       der Kongress es strikt ablehnte, den Transfer von in Guantánamo
       einsitzenden Gefangenen in US-Gefängnisse zuzulassen. Anderes Beispiel
       Kuba-Politik: Die ab Dezember 2014 eingeleitete diplomatische und in Teilen
       wirtschaftliche Öffnung zur kommunistischen Insel bewerkstelligte Obama
       ausschließlich auf der Basis von Präsidialdekreten – vollkommen aufheben
       konnte er die Wirtschaftsblockade allerdings nicht, denn sie ist in
       mehreren Gesetzen verankert, die nur der Kongress aufheben kann. Und wenn
       Trump wollte, könnte er große Teile der Öffnung auch wieder rückgängig
       machen.
       
       Wer kann gegen Dekrete vorgehen? Wie bei dem von Trump vor einer Woche
       verhängten temporären „Muslim-Ban“, dem Einreiseverbot für Menschen aus
       sieben Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung, gesehen, können
       Bundesgerichte die präsidentiellen Anordnungen ganz oder teilweise außer
       Kraft setzen, wenn sie sie für verfassungswidrig halten. Im Zweifel kann
       ein solcher Rechtsstreit bis zur letzten Instanz gehen, dem Obersten
       Gerichtshof.
       
       Aber auch der Kongress kann Gesetze verabschieden, die Anordnungen außer
       Kraft setzen. Die könnte allerdings wiederum der Präsident per Veto
       stoppen, woraufhin es eine Zweidrittelmehrheit im Kongress bräuchte, um das
       Veto zu überstimmen. Das alles kommt selten vor, erst recht, wenn Präsident
       und Kongressmehrheit aus der gleichen Partei stammen.
       
       In jedem Fall enden die Anordnungen dann, wenn ein neuer Präsident sie
       einfach wieder zurücknimmt – so geschehen gerade mit Obamas Dekreten, die
       den Bau der Keystone XL und der Dakota Access Pipeline gestoppt hatten.
       Will ein Präsident seine Politik langfristig verankern, muss er auf die
       Mitarbeit des Kongresses hoffen.
       
       ## Wie mächtig sind die Gerichte?
       
       Wer sich einmal näher mit Donald Trumps unternehmerischer Vergangenheit
       beschäftigt, wird merken: Trump ist beinahe vollkommen gleichgültig
       gegenüber Regeln, Konventionen – und letztlich Gesetze. Zigmal ist er wegen
       krummer Geschäfte oder glatten Betrugs verklagt worden, meist hat er
       verloren, noch öfter hat er sich in einen Vergleich gerettet und dabei
       festgelegt, dass die getroffenen Regelungen geheim bleiben.
       
       Die ersten Wochen Trump-Regierung zeigen die gleiche Tendenz. Kein Wunder
       also, dass der unabhängigen Justiz eine besondere Bedeutung zugemessen
       wird. Derzeit gibt es in den USA knapp 900 Bundesrichter. Dazu zählen die
       Richter des Obersten Gerichtshofes, der 13 Bundesberufungsgerichte und der
       94 Bundesbezirksgerichte.
       
       Alle Bundesrichter auf allen Ebenen werden vom Präsidenten ernannt, müssen
       vom Senat bestätigt werden und haben ihren Job auf Lebenszeit – anders als
       die Bundesstaatsanwälte, die lediglich für vier Jahre ernannt werden.
       
       Die Ernennung auf Lebenszeit soll die Unabhängigkeit der Richter
       sicherstellen. Sie müssen nicht befürchten, wegen unliebsamer Urteile
       wieder abgesetzt zu werden. Allerdings: Sie können aufsteigen. Der jetzt
       von Donald Trump für den Obersten Gerichtshof nominierte Neil Gorsuch etwa
       diente seit 2006 als Richter bei einem Bundesberufungsgericht in Colorado:
       Seine konservativen Urteile können ihm helfen, unter einem republikanischen
       Präsidenten aufzusteigen.
       
       Für die aktuellen Auseinandersetzungen über den von Donald Trump verhängten
       „Muslim-Ban“ waren die Bundesbezirksgerichte bislang die entscheidende
       Instanz. Eine Richterin vom Bundesbezirksgericht in Brooklyn, New York,
       entschied noch am 29. Januar auf einen Eilantrag von Anwälten der
       Bürgerrechtsorganisation ACLU, dass niemand einfach abgeschoben werden
       dürfe. Minuten später entschied eine Bezirksrichterin in Virginia, dass
       Menschen mit legalem Aufenthaltsstatus und Arbeitserlaubnis in den USA
       nicht abgewiesen werden dürften. Ein halbes Dutzend weiterer Entscheidungen
       folgten.
       
       Versucht die Regierung, solche Entscheidungen anzufechten, geht es in die
       nächsten Instanzen, bis hoch zum Obersten Gerichtshof. Dessen Wort ist
       endgültig. Wenn er, wie im vergangenen Jahr aufgrund der Vakanz eines der
       neun Richtersitze nach dem Tod von Richter Antonin Scalia öfter geschehen,
       nur ein Patt von 4 zu 4 Richterstimmen produzieren kann, bleibt die
       Entscheidung der unteren Instanz bestehen.
       
       Die republikanischen Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses machen
       einen Widerstand der Legislative gegen Trumps Politik sehr
       unwahrscheinlich. Das zusammen mit Trumps Neigung, Regeln einfach zu
       missachten, lässt die Vermutung zu: Die Gerichte werden alle Hände voll zu
       tun bekommen.
       
       ## Wie wird man einen Präsidenten los?
       
       Den US-Präsidenten abzusetzen ist fast unmöglich. Eine politisch motivierte
       Entmachtung, etwas wie ein konstruktives Misstrauensvotum, gibt es in den
       USA im Gegensatz zu Deutschland nicht.
       
       Die US-Verfassung kennt zur Absetzung eines Präsidenten nur zwei Wege,
       versucht worden ist bislang nur einer: das Amtsenthebungsverfahren,
       englisch impeachment. In der Verfassung steht dazu in Artikel II, Abschnitt
       4, ein einziger Satz: „Der Präsident, der Vizepräsident und alle
       Zivilbeamten der Vereinigten Staaten werden ihres Amtes enthoben, wenn sie
       wegen Verrats, Bestechung oder anderer Verbrechen und Vergehen unter
       Amtsanklage gestellt und für schuldig befunden worden sind.“ Das klingt
       einfacher, als es ist.
       
       Im Prinzip kann ein einzelnes Mitglied des Repräsentantenhauses den Antrag
       auf Amtsenthebung des Präsidenten stellen, wenn er oder sie Hinweise auf
       kriminelles Verhalten hat. Zunächst der Geschäftsordnungs-, dann der
       Justizausschuss befinden darüber, ob ein hinreichender Verdacht gegeben
       ist. Falls ja, formulieren sie eine entsprechende Anklage, die schließlich
       vom Plenum abgestimmt wird.
       
       Entscheidet das Repräsentantenhaus mit einfacher Mehrheit für die
       Amtsenthebung, geht das Verfahren im Senat weiter, wo es im Stil eines
       Strafprozesses geführt wird, mit dem Chefrichter des Obersten Gerichtshofes
       als Vorsitzendem. Der beschuldigte Präsident kann eine Verteidigung
       aufbauen, Anwälte hinzuziehen. Wenn am Ende zwei Drittel der Senatoren für
       die Amtsenthebung stimmen, ist er abgesetzt – und kann strafrechtlich
       verfolgt werden.
       
       Zwei Präsidenten, Andrew Johnson und Bill Clinton, wurden vom
       Repräsentantenhaus impeached, vom Senat aber freigesprochen. Richard Nixon
       trat zurück und entkam so einer drohenden Amtsenthebung. Deutlich wird:
       Auch wenn das Verfahren im Stile eines Strafprozesses geführt wird, braucht
       es doch parlamentarische Mehrheiten, um es überhaupt zu beginnen.
       
       Die zweite Möglichkeit, einen Präsidenten gegen seinen Willen loszuwerden,
       beruht auf dem Artikel 4 des 25. Verfassungszusatzes. Wenn der
       Vizepräsident und eine Mehrheit der Kabinettsmitglieder den Präsidenten dem
       Kongress gegenüber für unfähig erklären, sein Amt auszuüben, übernimmt
       unverzüglich der Vizepräsident. Sobald der Präsident selbst allerdings
       schriftlich mitteilt, dass er durchaus fit ist, ist er wieder am Drücker –
       es sei denn, Vizepräsident und Kabinettsmehrheit widersprechen. Wenn
       daraufhin beide Kammern des Kongresses mit Zweidrittelmehrheit den
       Präsidenten für amtsunfähig erklären, übernimmt der Vizepräsident.
       
       Das ist allerdings noch nie vorgekommen. Und Donald Trump würden vermutlich
       sehr viele US-Amerikaner für amtsunfähig halten, nicht jedoch seine
       Kabinettsmitglieder.
       
       Historisch gesehen ist Mord am wirksamsten. Vier der 45 US-Präsidenten
       fielen Attentaten zum Opfer, zuletzt John F. Kennedy 1963.
       
       4 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
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