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       # taz.de -- Kampf gegen den IS in Nordsyrien: Der Wettlauf um Al-Bab
       
       > Noch ist die strategisch wichtige Stadt Al-Bab nicht zurückerobert. Aber
       > jeder will bereits Sieger sein: Türken, Kurden, Russen und Assad.
       
   IMG Bild: Schneller sein als Assad und Russland: die türkische Armee und die gemäßigte Freie Syrische Armee im Kampf gegen den IS in Nordsyrien (Archivbild)
       
       Istanbul taz | Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) ist in Nordsyrien
       noch gar nicht besiegt, da wird schon um die zukünftige Kontrolle des
       Gebietes gestritten. Insbesondere die Stadt Al-Bab (Das Tor) nimmt eine
       Schlüsselstellung für die Kontrolle des syrischen Gebietes nördlich von
       Aleppo und der türkischen Grenze ein.
       
       „Unsere Soldaten sind in das Zentrum von Al-Bab vorgestoßen“, verkündete
       der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bereits am Sonntag. Und am
       Dienstag legte Ministerpräsident Binali Yıldırım noch einmal nach und
       behauptete: „Unsere Truppen haben einen Großteil von Al-Bab unter
       Kontrolle.“ Tatsächlich wäre es der bislang größte Erfolg der türkischen
       Militäroperation „Schild Euphrat“, wenn denn die Behauptungen der
       türkischen Staatsspitze stimmen würden.
       
       Die Stadt Al-Bab mit ehemals rund 70.000 Einwohnern liegt 30 Kilometer
       nordöstlich der früheren syrischen Handelsmetropole und wird seit 2013 vom
       IS kontrolliert. Über Al-Bab geht die wichtigste Straße von Aleppo weiter
       nach Manbidsch und Rakka. In Manbidsch wurde im Vorjahr der IS von
       kurdischen YPG-Kämpfern vertrieben. Der Ort wird seither von den Kurden und
       ihren Verbündeten kontrolliert. Und Rakka ist die „Hauptstadt“ des IS in
       Syrien und wird der letzte Rückzugsort der Terrororganisation sein, wenn
       Mossul erst einmal von irakischen Truppen zurückerobert ist.
       
       Erdoğan verkündete deshalb schon vor Wochen großspurig, wenn die türkische
       Armee im Verbund mit der Freien Syrischen Armee (FSA) Al-Bab erobert habe,
       würde sie umgehend nach Manbidsch und von dort nach Rakka marschieren.
       Erdoğans Ziel ist es, die Kurden aus Manbidsch wieder zurück über den
       Euphrat nach Osten zu drängen. Dadurch will er verhindern, dass die Kurden
       ihre östlichen Kantone mit dem westlichen Kanton Afrin verbinden und selbst
       ein größeres Gebiet kontrollieren, das dann zu einer „Sicherheitszone“
       erklärt werden kann, in die syrischen Flüchtlinge aus der Türkei nach
       Syrien zurückgeschickt werden.
       
       ## Russen verletzen türkische Soldaten
       
       Allerdings dementierte die syrische Beobachtungsstelle in London schon am
       Dienstag die türkischen Siegesmeldungen und behauptete stattdessen, nicht
       die türkischen Truppen seien in Al-Bab auf dem Vormarsch. Vielmehr würden
       die Regierungstruppen von al-Assad von Aleppo aus mit russischer
       Unterstützung in die südlichen Vororte von Al-Bab eindringen, während die
       Türken in den nördlichen Vororten steckengeblieben seien. Die türkische
       Hürriyet schrieb dagegen, türkische Truppen und Assad-Kämpfer hätten sich
       um Al-Bab auf eine Pufferzone verständigt, um sich nicht gegenseitig zu
       beschießen.
       
       Tatsächlich findet im Moment ein Wettlauf zwischen Assad und Erdoğan um
       Al-Bab und damit um die Kontrolle einer strategischen Schlüsselstellung in
       Nordsyrien statt, bei dem die Russen das Zünglein an der Waage sind. Ende
       letzter Woche wurden drei türkische Soldaten getötet und weitere elf schwer
       verletzt, als russische Kampfflugzeuge einen Vorort von Al-Bab
       bombardierten.
       
       Sowohl Erdoğan als auch der russische Präsident Putin stellten das
       Geschehen als ein tragisches Versehen da. Doch an dieser Version sind
       Zweifel angebracht. Während die Russen behaupten, sie hätten keine
       Zielkoordinaten von der türkischen Armee bekommen, behauptet diese
       vielmehr, sie hätte den Russen bereits Tage zuvor mitgeteilt, dass dorthin
       türkische Soldaten vorgedrungen seien.
       
       War der Angriff also gar kein Versehen, sondern ein russisches Stoppsignal
       an die Türkei zugunsten ihres Verbündeten Assad? Soll Assad Al-Bab erobern
       und nicht Erdoğan? Wollen die Russen indirekt die syrischen Kurden
       unterstützen, statt Erdoğan den Weg nach Manbidsch zu ebnen?
       
       An diesem Donnerstag und Freitag werden die Syrien-Gespräche im
       kasachischen Astana zwischen Regime und Opposition, aber auch Russland,
       Iran und der Türkei fortgesetzt. Russland muss dann seine Karten auf den
       Tisch legen. Es könnte sein, dass der Honeymoon zwischen Erdoğan und Putin
       schon wieder beendet ist.
       
       15 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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