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       # taz.de -- Ausschuss zum VW-Skandal: Unwissen ist Macht
       
       > Verkehrsminister Dobrindt feiert vor dem Ausschuss seine Erfolge. Zur
       > Aufklärung des Abgas-Skandals hat er wenig beizutragen.
       
   IMG Bild: Wenig erhellend, der VW-Ausschuss
       
       Berlin taz | So wichtig war Alexander Dobrindt der Verweis auf Europa lange
       nicht: Gleich zum Beginn seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des
       Bundestags mahnte der Verkehrsminister am Donnerstag nachmittag, die
       [1][EU-Verordnung zur Abgasmessung] müsse „dringend verbessert werden“. Nur
       dann lasse sich nämlich verhindern, dass „Autohersteller sich auf Ausnahmen
       berufen“, wenn sie bei den Abgastests tricksen.
       
       Dobrindt breitete vor den Abgeordneten erst einmal seine Erfolgsbilanz aus:
       die Untersuchungskommission seines Ministeriums, die 2016 ihren Bericht
       vorgelegt hat. „Umfassend“ habe sein Ministerium reagiert, Kontrollen seien
       verschärft worden, jedem Verdachtsfall werde inzwischen nachgegangen. Wer
       Abschalttechniken einsetze, müsse nun nachweisen, wie sie den Motor
       schützen. Das Kraftfahrtbundesamt bekomme eine eigene Prüfstrecke, wo 60
       bis 80 Fahrzeuge getestet werden könnten.
       
       „Natürlich“ werde von seinem Ministerium Hinweisen wie etwa von der
       Deutschen Umwelthilfe nachgegangen, erklärte der Minister. Dass das nicht
       passiert, hatten Kritiker immer wieder moniert. Dobrindt sah auch keine
       Notwendigkeit, den Kontakt zu Umweltschützern zu verbessern – dafür sei
       eher das Umweltministerium zuständig.
       
       Dobrindt brachte kaum Neues zur Sprache. Allerdings hatte er eine
       originelle Antwort auf die Frage, warum sein Haus so lange alle Hinweise
       von Experten und Verbänden aus Tests ignoriert hatte, nach denen die
       Emissionen von Stickoxiden viel zu hoch waren: „Es fehlte die Technik“.
       Erst seit kurzem seien mobile Geräte auf dem Markt, „die in den Kofferraum
       eines Pkw passen“. Und auch zur Frage des grünen Abgeordneten Krischer,
       warum die Behörden nicht früher aktiv geworden seien, sagte Dobrindt:
       „Solange es keine Kenntnis von illegalen Abschaltvorrichtungen gab, gab es
       auch keinen Anlass, nach ihnen zu suchen.“
       
       Der Ausschuss soll klären, wer wann was in der Regierung wusste. Dobrindts
       Aussagen trugen dazu bis Redaktionsschluss kaum etwas Wichtiges bei. Auch
       der niedersächsische Ministerpräsident Stefan Weil hatte sich vorher als
       ahnungslosen Kontrolleur im Aufsichtsrat von VW präsentiert. „Von
       Dieselgate habe ich am 19. September 2015 abends in der Tagesschau
       erfahren“, so der Politiker. Er sei aber von VW weder kontaktiert noch
       informiert worden. „Ich musste erst am Montag da anrufen lassen, um zu
       fragen, ob sie nicht mal den Aufsichtsrat informieren wollen.“
       
       Dabei ist Weil eng mit VW verbunden: als Ministerpräsident des
       „Stammlandes“ von VW mit 100.000 Beschäftigten; als Vertreter von 20
       Prozent der Aktien und als Aufsichtsrat im Konzern. Trotzdem könne er zum
       Thema wenig beitragen: Die Zulassung von Autos sei Sache des Bundes, im
       Aufsichtsrat sei nicht über das Thema gesprochen worden und überhaupt sei
       er als Mitglied dort zur Verschwiegenheit verpflichtet. Nur in seiner
       Kritik an Ferdinand Piëch war er sehr klar. Der hatte behauptet, Weil und
       drei andere Aufsichtsräte seien von zwei Israelis im Frühjahr 2015 über den
       Verdacht gegen VW informiert worden. „Das ist falsch“, so Weil, alle
       anderen Beteiligen hätten das ebenso dementiert. „Es steht damit 1:6.“
       
       Mit Abgasen aus Auspufftöpfen habe er als Aufsichtsrat des größten
       Autokonzerns der Welt nie zu tun gehabt – „nur in meiner Zeit als
       Oberbürgermeister von Hannover, als wir eine Umweltzone eingerichtet
       haben“. Von einer „Abschalteinrichtung“ habe er vorher noch niemals gehört.
       Da sprach er wie die ehemaligen Verkehrsminister im Bund, Tiefensee und
       Ramsauer, die am Montag erklärt hätten, mit Schadstoffen im Verkehr nie
       wirklich befasst gewesen zu sein. Und auch Dobrindt erklärte, den Begriff
       „Zykluserkennung“, eine Schlüsselvokabel in der Abgasaffäre, habe er bis
       zum Sommer 2015 nie gehört.
       
       Beide Koalitionsfraktionen stellten sich immer wieder schützend vor „ihre“
       Männer. Sobald die CDU oder die Grünen den Niedersachsen Weil ein bisschen
       ausführlicher befragten, sprangen ihm die SPD-Abgeordneten zur Seite: „Also
       das geht jetzt wirklich zu weit“, hörte man dann von denen, die den Skandal
       eigentlich aufklären sollen. Auch für Dobrindt hatte die Union angenehme
       Fragen parat.
       
       Der Ausschuss nähert sich seinem Ende. Am 8. März ist Bundeskanzlerin
       Angela Merkel geladen. Der Abschlussbericht soll Ende Juni fertig sein.
       Opposition und Große Koalition werden sicher in Sondervoten unterschiedlich
       beurteilen, was der Ausschuss gebracht hat. „Sehr viel Arbeit für wenig
       Erkenntnis“ ist das Zwischenfazit des CDU-Obmanns, „alle Zeugen
       glaubwürdig“, meint die SPD. Für den Grünen Oliver Krischer zeigt sich
       dagegen nach wie vor „organisiertes Staatsversagen“.
       
       16 Feb 2017
       
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