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       # taz.de -- Übernahme von Opel durch Peugeot: Die Import-Braut
       
       > Der Opel-Deal zeigt, dass das altbackene fossile Denken prächtig in
       > Europas Autoindustrie lebt. Es bleibt wenig Zeit, das zu überwinden.
       
   IMG Bild: Lange her: Ein Opel Manta A aus dem Jahr 1970
       
       Mit Frankreich hat Opel eigentlich gute Erfahrungen gemacht: Urvater Adam
       Opel hatte Ende des 19. Jahrhunderts in Paris gelernt, wie man Nähmaschinen
       baut, später produzierte er auch schnittige Fahrräder. Es war der
       erfolgreiche Beginn einer langen Unternehmensgeschichte. Seine Söhne
       fertigten 1899 die ersten Autos, 1902 in Lizenz auch französische
       Darracq-Modelle.
       
       115 Jahre später sind es schon wieder die Franzosen: Die traditionelle
       Rüsselsheimer Blitzmarke, in Glanzzeiten Nummer eins in Europa, wird von
       dem französischen Konkurrenten PSA (Peugeot, Citroën, DS) übernommen. Die
       alte Mutter GM wird die verlustreiche deutsche Tochter endgültig los. Eine
       neue überraschende Volte in der langen Opel-Leidensgeschichte. Die ist noch
       nicht zu Ende.
       
       Alle von uns befragten Experten sind sich einig. Opel wird unter der neuen
       französischen Mutter Federn lassen. Für Peugeot ist die Übernahme Teil
       einer klassischen Expansionsstrategie mit Einspareffekt: Die eigene
       Fahrzeugarchitektur und die Entwicklungskosten werden auf mehr Modelle und
       größere Stückzahlen ausgedehnt. Das einzelne Auto kann damit billiger
       hergestellt werden, die Profitabilität steigt. Es ist das bekannte Spiel.
       Nach Verstreichen einer Schamfrist, so die Expertenprognosen, wird Peugeot
       „Doppelstrukturen“ ins Visier nehmen, also Standorte und Arbeitsplätze
       abbauen.
       
       „Die Automobilindustrie befindet sich in einem mörderischen Konkurrenzkampf
       mit hohen Überkapazitäten“, sagt Stephan Krull, früherer Betriebsrat bei
       VW. Heute leitet er das Projekt „Zukunft der Automobilindustrie“ bei der
       Rosa-Luxemburg-Stiftung. Haben die deutschen Opel-Standorte und die 18.000
       Mitarbeiter eine gute Zukunft? Wohl kaum. Krull gibt Opel noch zwei Jahre
       Restlaufzeit, dann spätestens würden Arbeitsplätze abgebaut; „vernichtet“,
       wie Krull es formuliert.
       
       ## Auch GM hatte sich nicht an Zusagen gehalten
       
       Peugeot-Chef Carlos Tavares hat Kanzlerin Angela Merkel diese Woche eine
       Bestands- und Jobgarantie für die deutschen Standorte und Mitarbeiter bis
       Ende 2018 gegeben. „Das sind knapp zwei Jahre, das ist lächerlich“, sagt
       Krull. „Albern“ nennt auch der angesehene Verkehrsberater Axel Friedrich,
       die Peugeot-Zusage. Der ehemalige Beamte im Umweltbundesamt ist einer der
       Chefankläger der Autoindustrie im Zusammenhang mit der Abgasaffäre. Krull
       und Friedrich wissen: Auch GM hat sich nach der letzten großen Krise 2009
       nicht an die Zusagen gehalten; das Opel-Werk Bochum wurde 2014 geschlossen
       und ist heute nur noch Ersatzteilzentrum.
       
       Mit Peugeot-Opel entsteht der nach VW zweitgrößte europäische Autobauer.
       Doch Europa ist kein Wachstumsmarkt mehr. China ist heute der wichtigste
       Automarkt. Dort hat VW letztes Jahr 40 Prozent seiner Fahrzeuge verkauft.
       Peugeot ist in China denkbar schlecht aufgestellt und Opel war ohnehin in
       Europa gefangen, das wollte die GM-Mutter genau so. Für die Strategie einer
       stärkeren Internationalisierung hat die Übernahme also wenig Sinn.
       
       ## Abschied vom Manta-Image
       
       Für Axel Friedrich hat sie auch sonst keinen Sinn. Beide Marken würden mit
       ihren Modellen überwiegend dasselbe Segment bedienen, Kleinwagen und
       Mittelklasse. Es gebe ein stark überlappendes Produktspektrum „mit
       erheblichen Kannibalisierungseffekten“. Allenfalls sichere sich Peugeot mit
       der Übernahme noch ein wenig deutsche Ingenieurskunst und womöglich auch
       ein wenig technologischen Input, sagt der Kasseler Verkehrswissenschaftler
       Helmut Holzapfel. Im Vergleich zur Konkurrenz sind „die Kisten, die Opel
       derzeit baut, ja gar nicht so schlecht.“
       
       US-Autobauer GM verzichtet mit Opel auf den Zugang zum europäischen Markt
       und damit auf den Anspruch eines echten Global Players. Weil Opel sogar im
       relativ guten Autojahr 2016 257 Millionen Euro Verlust eingefahren habe,
       sei die Geduld der Amerikaner, so die gängige Interpretation, zu Ende. Die
       Zahlen sind allerdings umstritten. Opel musste an die US-Mutter stets hohe
       Lizenz- und Patentgebühren zahlen, die Bilanzen und die Geldflüsse zwischen
       Detroit und Rüsselsheim „sind ziemlich undurchsichtig“, sagt Friedrich.
       
       Dabei hatte es für Opel in letzter Zeit gar nicht so schlecht ausgesehen.
       Das piefig-verstaubte Image war spürbar gelüftet worden, der Autobauer kam
       mit seinen neuen Modellen dynamischer und jünger daher. Und mit dem neuen
       Elektroauto Opel Ampera-e – weitgehend baugleich mit dem Chevrolet Bolt von
       GM – hat man einen der besten Stromer im Angebot. Selten hatte man
       Opel-Chef Thomas Neumann so gut gelaunt gesehen wie bei der Präsentation
       des neuen E-Mobils Anfang November.
       
       Neumann sprach von einem Durchbruch, kündigte schnelle Ladezeiten,
       Akkukapazitäten für 500 Kilometer und damit das „Ende der Reichweitenangst“
       an, eines der wichtigsten Gründe für den bisher schweren Stand von
       Elektroautos im Privatkundengeschäft. Im realistischen Alltagsbetrieb
       schafft der Ampera-e zwar höchstens 400 Kilometer, aber auch das ist ein
       deutlicher Sprung. Pech, dass Opels wichtigstes Zukunftsauto in weiten
       Teilen eine GM-Entwicklung ist, was künftig weiter hohe Lizenzzahlungen
       bedeuten dürfte.
       
       Die Herausforderungen der Branche sind ohnehin gewaltig: gesättigte Märkte
       für fossile Fahrzeuge, der schwierige Systemwechsel zum Elektroauto, dazu
       autonomes digitales Fahren, erste Fahrverbote für Dieselfahrzeuge infolge
       von Dieselgate, flankiert vom Siegeszug des Carsharing und von einer jungen
       Generation, die zunehmend auf ein eigenes Auto pfeift. Mehr Umbruch war
       nie.
       
       ## Peugeots Antwort ist eher altbacken
       
       Und gerade die europäischen Autobauer scheinen schlecht gerüstet zu sein.
       Newcomer Tesla hat ihnen einen erheblichen Teil der Luxusklasse
       weggeschnappt und steht mit seinen Elektroautos zusammen mit Nissan und
       den chinesischen Herstellern BYD, BAIC und Zotye in der Poleposition. Die
       Antwort von Peugeot ist eher altbacken: die Einverleibung eines weitgehend
       fossil fahrenden Konkurrenten und Rationalisierung durch höhere
       Stückzahlen.
       
       Für Stephan Krull ist noch offen, wer im beinharten weltweiten
       Konkurrenzkampf kapituliert und wer vorläufiger Sieger wird. Sichtbar ist
       aber, „dass sich das Kräfteverhältnis zugunsten Chinas verschiebt“. Und:
       „Der Untergang bisheriger Autoimperien ist absehbar.“
       
       Für Opel geht es jetzt um den Erhalt der drei Standorte in Rüsselsheim,
       Eisenach und Kaiserslautern über 2018 hinaus. Der frühere
       Opel-Betriebsratschef in Bochum, Rainer Einenkel, sieht die deutschen Werke
       „akut bedroht“. Sein Rat: sich frühzeitig zusammenschließen und gemeinsam
       agieren. Vielleicht wird Peugeot aber auch zuerst eine der beiden
       britischen Fabriken in Ellesmere Port und Luton dichtmachen. Dass
       langfristig alle Standorte erhalten werden, glaubt jedenfalls niemand.
       Spätestens für 2019 wird ein harter Sanierungskurs erwartet.
       
       Genau ein Jahr später, ab 2020, soll Österreich nach Vorschlag des Wiener
       Umweltbundesamts keine fossilen Fahrzeuge mehr zulassen. Ab 2025 wollen die
       Niederlande und Norwegen, so die bisher diskutierten Pläne, die Ära der
       benzin- und dieselgetriebenen Fahrzeuge bei Neuzulassungen beenden. Andere
       Länder werden folgen. Vielleicht wird es nicht ganz so schnell gehen, wie
       die genannten Jahreszahlen verheißen. Doch das Ende des Automobils wie wir
       es kannten, scheint absehbar.
       
       Peugeot und Opel haben wenig Zeit, Denkbarrieren zu überwinden und neue
       Strategien zu entwickeln. Mit viel Gebrumm zum Brötchenholen unter Ausstoß
       von reichlich Klimakillern und Stickoxiden? Das klingt genauso überholt wie
       Einspritzer, Doppelauspuffrohr und die vielen anderen Neurosezutaten der
       alten Automobilität.
       
       25 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Kriener
       
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