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       # taz.de -- Die Wahrheit: Bla-Bla-Land ist abgebrannt
       
       > Exklusiv: Warum der Oscar nicht mehr Oscar heißt und wer im „Convention
       > Centre Grand Far Out“ in Dallas wirklich abgeräumt hat.
       
   IMG Bild: Der Oscar heißt jetzt Charlton – hier zu sehen in voller Pracht im „Convention Centre Grand Far Out“ in Dallas
       
       Charltons? Dallas? Ja – auch die „Academy of Motion Picture Arts and
       Science-Liars“ hat notgedrungen auf den Geist der neuen Zeit reagiert.
       „Oscar“ und „Los Angeles“ sind nach Feststellung einer Regierungskommission
       nun einmal illegale mexikanische Einwanderer in die amerikanische Sprache.
       Deshalb also Texas. Und auch der legendäre rote Teppich fehlt, hier im
       „Convention Centre Grand Far Out“am Rande von Dallas. Er könnte von
       kommunistischen Islamisten als Gebetsplattform missbraucht werden.
       
       Als Vertreter des neuen Hauptsponsors, der NRA-Waffenlobby, sind Clint
       Eastwood und Charlton Heston angekündigt. Auf den Einwand, der
       Ben-Hur-Schwule sei doch schon seit neun Jahren tot, entgegnet die
       NRA-Sprecherin, das sei doch eine typische CNN-Lüge. Viele Cowboyhüte also
       im Foyer, auffällige Holster unter den Ballkleidern und zu dick
       aufgetragener Lippenstift auf den verrutschten Dekolletés: Die Zeremonie im
       „Grand Far Out“ ist deutlich volkstümlicher geworden. Keine genderneutralen
       Flirts, keine elitär veganen Häppchen mehr – hier wird den weiblichen
       Gästen schon mal beherzt ans Brötchen gegriffen, und so manch geladener
       Gast hält ein T-Bone-Steak in der Hand und „zielt“ damit scherzhaft auf
       jeden, der sich als Pressevertreter zu erkennen gibt.
       
       Aber die umwerfende Gastfreundschaft der Amerikaner gegenüber weißen
       Christen setzt sich dann doch durch. Mike und Penny aus Dallas sind mit
       jeweils 1,5 Liter Cola und einem Kubikmeter Popcorn ausgestattet; offenbar
       erwarten sie, gleich einen Film zu sehen. Bereitwillig plaudern sie über
       ihre Erwartungen.
       
       Von Bla-Bla-Land haben sie noch nicht viel gehört, und sie verwechseln ihn
       phasenweise offenbar mit Hacksaw Ridge und Hidden Figures, aber ihnen
       gefällt die Story: Tapfere Freunde der Wahrheit – konservativ, weiß, gut in
       Mathe und ausgegrenzt – besetzen die Presseabteilung des Weißen Hauses und
       erfinden mit Unterstützung nordkoreanischer Journalisten die dollsten
       Fakten. Weil das Weiße Haus den Medien misstraut, werden die Nachrichten
       nur noch durch ausgewählte Kronzeugen Jehovas von Tür zu Tür verbreitet.
       (Zum Dank wird das dreimal höchste Gebäude der Welt, der Trump Tower, gegen
       eine kleine Gebühr in Watch Tower umbenannt.)
       
       Im Showdown von Bla-Bla-Land plant Donald Trump, perfekt getarnt durch
       einen langen Breitbart, den ganz großen Rachecoup und lädt dafür alle ihm
       feindlich gesinnten Journalisten zur größten Pressekonferenz der Welt ein.
       Wird er sich mit seinem Vernichtungsplan behaupten können gegen den
       erzliberalen Erzbösewicht Desmond T. Dossier, der versucht, einen Kollegen
       nach dem anderen aus der Hölle zu retten?
       
       ## Melanias Melonen
       
       Auch hemmungslose Werbung ist bei der Charlton-Verleihung wieder in: Ein
       Schönheitschirurg verteilt im Foyer Flyer mit der Aufschrift „Melanias
       Melonen – das war ich!“. Und Melanias Mann dominiert natürlich auch die
       Gespräche. Die meisten Hollywood-Stars der alten Schule verachten ihn
       (Arnold Schwarzenegger: „Der schlechteste Präsidentendarsteller aller
       Zeiten – ich durfte ja nie“). Selbst die überraschende Wahl des Moderators
       geht zumindest indirekt auf den Präsidenten zurück, wie ein
       Academy-Sprecher bestätigt: „Chuck Norris kann zwar nicht singen, aber er
       ist das einzige Land, in das Donald Trump sich nicht einzumarschieren
       traut.“
       
       Mit erstaunlich viel Taktgefühl führt Norris durch die diesmal sehr lange
       „In-Memoriam“-Zeremonie. Sie gilt erstmals nicht mehr nur den verstorbenen
       Filmschaffenden („Most parts of Cher“ als bewegendster Moment), sondern
       auch denen, die mangels Visum nicht anwesend sein können. Für viel Rührung
       sorgt die am Rande des Gedenkens bekannt gewordene Information, dass
       Angelina Jolie und Madonna zusammen 50.000 kleine Mexikaner adoptieren
       wollen. Das Durchschnittsalter der durchweg männlichen Glückspilze beträgt
       19 Jahre.
       
       Aber sprechen wir endlich vom beliebtesten und bekanntesten Satz dieser
       Zeremonie: „And the winner is …“ Leider können die meisten Preisträger aus
       rechtlichen Gründen nicht genannt werden – Fox News als Exklusivsender hat
       sich vorbehalten, unliebsame Auszeichnungen als „Fake-Awards“ aus dem
       Nachrichtenverkehr zu ziehen. Immerhin sickert durch, dass der Charlton für
       das beste Kostüm an das von Barack Obamas Tochter Malia gebatikte T-Shirt
       gegangen wäre, das Chuck Norris unter seinen Brustmuskeln trägt. Und auch
       einige weitere Auszeichnungen werden unter der Hand bekannt.
       
       ## Under my Trump
       
       Bester Dokumentarfilm: Die friedliche Übernahme Nordkoreas durch die
       Muppets 1954 (Platz 2: Elena Reefensteele für „Trump des Willens“). Bestes
       Drehbuch: „Harry Potter and the Golden Shower“. Bester Song: Mick Jagger
       „Under my Trump“.
       
       Im Zuge der weiteren Preisverleihung gleitet der Abend zügig ins Chaos ab.
       Fox News schaltet zunächst den Präsidenten live aus der Badewanne zu, der
       seine beiden aktuellen Lieblingsfilme nennen darf. Trump entscheidet sich
       zunächst für Arrival – wegen des warnenden Charakters der dysteren
       Düstopie, in der 2047 erstmals wieder einem Iraker die Einreise in die USA
       gelingt und der skrupellose Muhammad Ahmadi (77) das wehrlose Land binnen
       Tagen ins totale Chaos stürzt.
       
       Ebenfalls gut gefallen dem Präsidenten – wenig überraschend – die beiden
       Filme, in denen er selbst auftaucht. Im Action-Blockbuster Fences sieht
       Donald Trump sich von mordlustigen Mexikanern umzingelt und besinnt sich in
       höchster Verzweiflung auf das Erbe seiner pfälzischen Vorfahren: Er
       errichtet einen unüberwindlichen und von den Eindringlingen finanzierten
       „Hunter’s Fence“ rund um Manhattan. Und im Klima-Drama Hell or High Water
       steht die Menschheit scheinbar vor der Wahl zwischen unerträglicher Hitze
       und ganz viel überlaufendem nassem Wasser. Bis Donald Trump kommt und ruft:
       „Stümmt alles nüsch!“
       
       ## Fake people
       
       Nach dieser cineastischen Einlage folgt in Dallas im „Convention Centre
       Grand Far Out“ der gesellige Teil: Der erste Mann im Staate beschimpft
       Schauspieler pauschal als „Fake-People“ und droht damit, Hollywood in
       Cottonwood zu verwandeln, wenn weiter so viele („more than 120 percent!“)
       schwarze Schauspieler beschäftigt werden.
       
       Schließlich weist er sichtlich empört („It’s not a fair deal!“) darauf hin,
       dass die Awards seit jeher nur verliehen worden seien – die Preisträger
       sollten sie gefälligst zurückgeben und Überziehungsgebühren bezahlen. Er
       werde seinen russischen Chauffeur Wladimir Inkassow vorbeischicken, um die
       Statuen wieder abholen zu lassen. Auch und gerade bei den vielen Muslimen,
       die die amerikanischen Preise gestohlen hätten.
       
       Als Chuck Norris – dessen Blackfacing-Sketch als Obama in Eight Years a
       Slave nicht so gut ankam – ungerührt fortfährt und den Charlton für den
       besten fremdsprachigen Film ankündigt, nämlich die mexikanische Produktion
       Trumpty-dumpty sat on a wall, stürmt plötzlich die Nationalgarde den Saal.
       Gäste ohne ausreichenden Yankee-Nachweis – die Vorfahren müssen mit George
       Washington Golf gespielt haben – werden mitgenommen, sodass lediglich eine
       Handvoll betagter Western-Darsteller im Saal verbleibt. Und offenbar sollen
       jetzt auch die ausländischen Korresponde…
       
       27 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Oliver Domzalski
   DIR Andreas Czech
       
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