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       # taz.de -- Georgischer Film über Familien: Endlich allein sein
       
       > Nana Ekvtimishvili und Simon Groß sind nicht das erste Mal auf der
       > Berlinale. In „My Happy Family“ befreit sich eine Frau aus der Enge der
       > Ehe.
       
   IMG Bild: Nach Jahren der Ehe schafft es Manana (Ia Shugliashvili), sich selbst wieder zuzuhören
       
       Schon mit etwas Patina belegt, sonnig und grün präsentiert sich die
       georgische Hauptstadt Tiflis in „My Happy Family“ (Originaltitel: „Chemi
       bednieri ojakhi“). Vor dem urbanen Hintergrund, in warmen Farben und
       dichten Einstellungen erzählt der jüngste Spielfilm von Nana Ekvtimishvili
       und Simon Groß vom [1][Auszug und Aufbruch] Mananas in ein neues Leben.
       
       Die in sich gekehrte Literaturlehrerin lebt zusammen mit ihrem Mann, den
       beiden erwachsenen Kindern, mit dem Schwiegersohn und ihren Eltern in einem
       in die Jahre gekommenen Wohnblock der georgischen Hauptstadt. Ihre Mutter
       schmeißt den Haushalt, der Sohn hängt vor dem Computer.
       
       Die Abläufe in der überbelegten Wohnung scheinen seit Jahren eingespielt,
       doch verlaufen sie deshalb nicht unbedingt reibungslos. An ihrem 52.
       Geburtstag will Manana endgültig nicht mehr Teil dieses Gefüges sein und
       überrascht die Familie mit ihren Auszugsplänen.
       
       ## Der plötzliche Alleingang
       
       Die einbestellte Verwandtschaft reagiert verständnislos auf den Alleingang.
       Kurz darauf genießt Manana in ihrem notdürftig eingerichteten neuen Zuhause
       das bescheidende Vergnügen, allein sein zu können – nach Jahren wieder
       Musik hören zu können, Gitarre zu spielen oder am offenen Fenster mit einem
       Glas in der Hand ein Buch zu lesen.
       
       Bereits im Jahr 2013 präsentierten Nana Ekvtimishvili und Simon Groß im
       Forum der Berlinale ihren Spielfilm „Die langen, hellen Tage“ („Grzeli
       nateli dgeebi“), eine Coming-of-Age-Geschichte zweier Mädchen in der Zeit
       des georgischen Bürgerkriegs 1992. Nana Ekvtimishvili, 1978 in Tiflis
       geboren, studierte Drehbuch und Dramaturgie an der Filmuniversität
       Babelsberg Konrad Wolf. Ihr Partner Simon Groß, 1976 in Berlin geboren,
       besuchte die Filmhochschule in München.
       
       In ihrem aktuellen Forums-Beitrag „My Happy Family“ gelingt es dem
       georgisch-deutschen Regieduo nun mit prägnanten Momentaufnahmen und in
       atmosphärisch dichten Bildern, die Entwicklung Mananas filmisch überzeugend
       zu inszenieren.
       
       ## Betäubt Tomaten pflanzen
       
       Nach ihrem Auszug aus der Familie lässt der Zustand der Betäubung
       allmählich nach. Sie richtet sich in ihrem neuen Leben ein, pflanzt Tomaten
       auf dem Balkon und verwechselt bald nicht mehr Fenchel mit Dill.
       
       Doch als die 52-Jährige, souverän dargestellt von Schauspielerin Ia
       Shugliashvili, während eines ausgelassenen Klassentreffens durch ihre
       ehemaligen Mitschülerin erfährt, dass ihr Mann Soso mit einer Exgeliebten
       einen zwölfjährigen Sohn hat, bricht sie kurz darauf dann doch in ihrer
       kleinen Wohnung zusammen. Sie empfindet weniger Wut über den verheimlichten
       Seitensprung, als vielmehr eine nachträgliche Enttäuschung über das
       unbekannte Leben des Menschen an ihrer Seite.
       
       16 Feb 2017
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Eva-Christina Meier
       
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