# taz.de -- Klimapolitik in der EU: Kein Preissignal in Sicht
> Die EU-Umweltminister wollen den Emissionshandel erneuern. Er wird etwas
> verschärft – wirkungsvoll wird er damit trotzdem nicht.
IMG Bild: Das Kraftwerk Jänschwalde im Winter
Berlin taz | Am Tag nach der mühevollen Einigung gibt sich Jochen Flasbarth
zufrieden. „Ich bin entspannter aus Brüssel abgereist, als ich hingereist
bin“, sagte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium am Mittwoch. Denn
entgegen mancher Erwartung haben sich die EU-Umweltminister am
Dienstagabend auf eine gemeinsame Position zur Reform des
EU-Emissionshandels geeinigt.
Dieses Kernelement der europäischen Klimaschutzpolitik, das der Industrie
den Ausstoß von Treibhausgasen nur erlaubt, wenn sie über entsprechende
Zertifikate verfügen, funktioniert seit Jahren nicht richtig: Weil deutlich
zu viele Zertifikate auf dem Markt sind, kosten diese so wenig, dass die
Unternehmen keinen Anreiz haben, auf klimafreundlichere Technologien
umzusteigen.
Nun soll der Überschuss zumindest ein wenig reduziert werden, indem die
Zahl der Zertifikate pro Jahr ab 2021 um 2,2 statt bisher um 1,7 Prozent
reduziert wird. Daneben werden doppelt so viele Zertifikate in eine Reserve
verschoben wie bisher geplant. Und Zertifikate oberhalb einer bestimmten
Schwelle sollen dauerhaft gelöscht werden. Dem hat entgegen der bisherigen
Haltung auch Deutschland zugestimmt.
Wird dieser Vorschlag umgesetzt, werden die Preise für die
Emissionszertifikate, die derzeit um 5 Euro pendeln, deutlich steigen,
hofft Flasbarth. Allerdings nicht hoch genug, um dafür zu sorgen, dass
Kohlekraftwerke durch klimafreundlichere Gaskraftwerke verdrängt werden,
was ab etwa 30 Euro der Fall ist. „Dafür wird das Preissignal nicht
reichen“, so Flasbarth. Bei der Umstellung der Energieversorgung könne der
Emissionshandel darum „nur ein flankierendes Element“ sein.
Im Gegenzug für diese Verschärfung beschlossen die Minister eine Entlastung
für die Industrie: Sie kann künftig einen größeren Anteil an Zertifikaten
kostenlos bekommen. Damit solle verhindert werden, dass Unternehmen ins
Ausland abwandern, begründete Flasbarth den Beschluss, auf den vor allem
das deutsche Wirtschaftsministerium gedrängt hatte.
## Das EU-Parlament hatte stärkere Verschärfung gefordert
Umweltverbände reagierten unterschiedlich auf die Entscheidung. Während der
Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch,
Christoph Bals, von einem „Schritt in die richtige Richtung“ sprach, sagte
der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger: „Dieser schwache Kompromiss vergeudet
wertvolle Zeit beim Klimaschutz.“ Ebenso wie die Grünen fordert der BUND,
den Emissionshandel durch einen nationalen Mindestpreis für CO2 zu
ergänzen. Diese Maßnahme, die andere EU-Staaten bereits umgesetzt haben,
lehnt die Bundesregierung ab.
Die endgültige Entscheidung über die Reform des Emissionshandels fällt in
den nächsten Monaten in Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und
Kommission der EU. Das EU-Parlament hatte in einigen Bereichen eine
stärkere Verschärfung des Emissionshandels gefordert; die Kommission hatte
hingegen einen sehr schwachen Reformvorschlag vorgelegt.
1 Mar 2017
## AUTOREN
DIR Malte Kreutzfeldt
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