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       # taz.de -- Kommentar Rhetorik in der Türkei: Viel Feind, viel Ehr
       
       > Erdoğan hat in den Niederlanden endlich das Feindbild gefunden, das ihm
       > ein „Ja“ zum Verfassungsreferendum im April bescheren könnte.
       
   IMG Bild: Halbmond statt Streifen: Am niederländischen Konsulat in Istanbul wurden die Fahnen getauscht
       
       Es zählt zum kleinen Einmaleins nationalistischer Chauvinisten, eine äußere
       Bedrohung zu inszenieren, um im Innern für die angestrebte Ruhe und Ordnung
       zu sorgen. Je niederträchtiger der Feind in grellen Farben geschildert
       wird, umso mehr sorgt dies dafür, dass sich die vermeintlich angegriffene
       Nation hinter ihrem Führer versammelt. Es ist erschreckend, wie gut dieses
       Prinzip immer wieder funktioniert und wie leicht sich intelligente Menschen
       hinter einer Flagge versammeln lassen, deren Ehre angeblich beschmutzt
       worden ist.
       
       Im Falle der Türkei hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit den Niederlanden
       endlich das so dringend gesuchte Feindbild gefunden, das er benötigt, um
       die richtige Atmosphäre für ein „Ja“ zum Verfassungsreferendum im April zu
       produzieren. Die Rhetorik der türkischen Staats- und Regierungsspitze ließe
       vermuten, dass das Land demnächst den Niederländern den Krieg erklärt.
       
       Dabei sind die Sprüche von den angeblich in Den Haag regierenden
       „Faschisten“ und „Nazis“ tatsächlich beleidigend, aber doch mit Bedacht
       gewählt, geht es doch darum, den Feind maximal bösartig erscheinen zu
       lassen. Dass es nun die Niederländer getroffen hat, ist aus türkischer
       Sicht beliebig, genauso hätte es Portugal oder die Mongolei erwischen
       können.
       
       Aber natürlich ist es kein Zufall, dass die Niederlande einen
       kompromisslosen Kurs gegen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker gewählt
       haben. Dort wird am Mittwoch gewählt, und der Rechtspopulist Geert Wilders
       macht mächtig Sprüche gegen Muslime im Allgemeinen und Türken im
       Besonderen.
       
       Hätte die Regierung eine ähnliche Coolness wie Angela Merkel an den Tag
       gelegt, so wäre das einer kostenfreien Wahlkampfhilfe für Wilders
       gleichgekommen. Der hätte sich dann – ähnlich wie Erdoğan– auch zum Retter
       der Nation emporschwingen können, nur eben der niederländischen.
       
       Die harsche Haltung der Regierung in Den Haag, die Präsident Erdoğanin die
       Hände spielt, ist deshalb nicht ganz unverständlich. Keinesfalls aber
       sollte sie zum Vorbild für Deutschland vor den Bundestagswahlen werden, wo
       absehbar ist, dass sich die AfD ihrerseits zum Beschützer der deutschen
       Nation gegen beleidigende Türken erklären wird. Die einzige Chance, diesen
       Irrsinn zu beenden, besteht darin, die Ohren auf Durchzug zu schalten.
       
       12 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
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