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       # taz.de -- Hängende Plastiken: Kanten aus nacktem Karton
       
       > Die Werke von Florian Baudrexel liegen irgendwo zwischen Bildern und
       > Plastiken. Dabei hat er zunächst nie einen Plan davon, was er erschafft.
       
   IMG Bild: Ohne Plan, mit Intuition: Künstler Florian Baudrexel
       
       Oldenburg taz | Wahrscheinlich stellen sie überhaupt nichts dar – diese
       eigenartigen, kantigen Wandarbeiten des Berliner Künstlers Florian
       Baudrexel, die derzeit im Oldenburger Kunstverein zu sehen sind. Es sind
       sehr schöne, wenn auch ebenso rätselhafte Werke. Natürlich aber ist man
       stets geneigt, herauszufinden, was die großformatigen dreidimensionalen
       Gebilde sein könnten. Und bei aller abstrakter Gestalt ist es so, dass
       diese stets, auch ganz unwillkürlich, an etwas Gegenständliches erinnert.
       Die ganz abstrakte Form gibt es möglicherweise gar nicht.
       
       Gleich am Eingang ist ein solches Gebilde zu sehen. „Coar“ ist der Titel
       der Arbeit, die wie alle ausgestellten Werke zu den neueren des Künstlers
       gehören. Es besteht aus nacktem Karton und ist mit Klammern montiert, die
       Kanten sind recht grob zugeschnitten. Von Weitem wirkt das Werk, als
       handele es sich um eine feine Holzarbeit. Man verfolgt gestisch
       geschwungene Linien, Flächen und Fluchten, findet Kuben, Stufen und Gräben
       und denkt an Architektur- oder Stadtmodelle, aber auch an Landschaften, die
       jemand in die Vertikale gebracht hat.
       
       ## Bild oder Bildhauerei?
       
       Plastische Kunst gehört der Bildhauerei an; vertikal an eine Wand gehängt
       jedoch werden meistens Bilder daraus. Das kann beim Betrachter schon für
       Verwirrung sorgen.
       
       Der 1968 in München geborene Baudrexel arbeitet intuitiv. Er entwirft seine
       komplexen Arbeiten nicht vorher, nicht am Computer, auch nicht am
       Skizzenblock. Seine Strukturen entstehen spontan, deshalb wohl auch ihr
       gestischer Charakter. Man könnte das, was er plastisch tut, als
       dreidimensionale, informelle Malerei bezeichnen. Auch Assoziationen zu
       anderen Kunstrichtungen und Künstlern kommen beim Betrachten seiner Werke
       in den Sinn: Minimal- und Pop-Art, Frank Stella und Robert Rauschenberg.
       Solche Bezüge führen allerdings nur bedingt weiter, denn die Arbeitsweise
       Baudrexels ist zu eigen.
       
       „Stanton“ und „Arpi“ sind ebenfalls solche Objektbilder aus Karton.
       Allerdings sind sie schwarz angemalt, was ihnen einen vollkommen anderen
       Charakter verleiht. Auch sie kippen zwischen Bild und Plastik und je
       nachdem, in welche Richtung die Wahrnehmung geht, wirken sie in ihrer
       leuchtenden Farbe wie Kunststoff oder Lack. Das hat etwas von einem
       Graffiti: Geschwungene, fette Linien, Wölbungen und Einbuchtungen frei
       stilisierter Buchstaben, klare Outlines.
       
       ## Anleihen bei der Popkultur
       
       Anleihen an Motive der Popkultur findet man bei Baudrexel einige: „Oneiric“
       etwa ist eine riesige Kartonplastik. Als einzige Arbeit innerhalb der
       Ausstellung steht sie auf dem Boden. Sie ist mit dicker heller Lackfarbe
       überzogen und wirkt so wie eines jener ungeliebten Kunst-am-Bau-Exponate
       aus Beton, die in den 80er-Jahren in deutschen Städten auf die rostigen
       Stahlträger der 70er-Jahre folgte. Das leichte Pappgebilde, das im Inneren
       von einem Holzskelett zusammengehalten wird, wirkt schwer und massiv. Durch
       seine Flächenordnung wirkt es jedoch auch extrem dynamisch, in Bewegung, im
       Wandel. Möglicherweise wie ein Transformer in einer Zwischenposition, so
       eine Assoziation von Jörg Kinner, dem Direktor des Kunstvereins und Kurator
       der Ausstellung.
       
       Bemerkenswert ist, dass die als „Circusplakate“ betitelte
       Druckcollagenserie aus diesem Jahr, die auch in der Ausstellung zu sehen
       ist, obwohl ihre Exponate flach sind, plastisch wirkt. Baudrexel hat
       farbige Schnipsel und Teile von zerrissenen Flyern und Plakaten digital
       zusammengesetzt. Eigentlich wirken die Bilder ziemlich billig, mit ihren
       matten Farben, ihrer groben Auflösung und ihrem Trägerstoff, diesen
       transparenten Kunststoffbögen, wie man sie für Werbetafeln einsetzt.
       
       Wenn dem Betrachter aber die plastische Art auffällt, wandeln sich die
       Flächen vor dem eigenen Auge zu Erhebungen und Vertiefungen. Die Struktur
       erinnert an Camouflage, und tatsächlich tarnt sich hier eine Fläche als
       Relief. So behält Künstler Florian Baudrexel die Verwirrung um die
       Kunstgattungen bei – durch alle Kunstgattungen hindurch.
       
       14 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Radek Krolczyk
       
       ## TAGS
       
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   DIR Oldenburg
   DIR Nachhaltigkeit
       
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