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       # taz.de -- Kolumne Couchreporter: Gesucht, bis nichts mehr zu finden war
       
       > Die HBO-Serie „Girls“ geht langsam zu Ende. Die sechste Staffel wird die
       > letzte sein. Ist das jetzt blöd oder doch nur konsequent?
       
   IMG Bild: Die Hauptdarstellerinnen der Serie „Girls“ bei der Premierenfeier zur letzten Staffen in New York
       
       Zuerst ist es befreiend, dann beklemmend – irgendwann setzt die Frustration
       ein. Jetzt ist „Girls“ so gut wie zu Ende – eine Serie, die alles macht,
       süchtig, fröhlich, traurig – nur eins nicht: zufrieden. Und von der man
       doch nur schwer wieder loskommt.
       
       Als „Sex and the City für Mittzwanzigerinnen“ wurde Lena Dunhams HBO-Serie
       bezeichnet, als sie 2012 an den Start ging. Könnte nicht falscher sein.
       Klar, ein neues Produkt muss sich immer an etwas Bekanntem anlehnen – „Game
       of Thrones“ soll ja zunächst als „The Sopranos in Mittelerde“ gepitcht
       worden sein. Aber mit den selbstbewussten, erfolgreichen Ladys aus
       Manhattan, deren einzige zu überwindende Hürde sexuelle Verklemmtheit ist,
       hat „Girls“ wenig zu tun. Die Figuren sind sexuell so befreit und
       aufgeklärt wie man nur sein kann, als Millennial in New York. Da wird
       rumgevögelt, selbstbefriedigt, vaginal, oral, anal, nicht selten mit Haue.
       
       Aber Aufgeklärtheit macht nicht unbedingt frei, und schon gar nicht
       glücklich – ebendas ist über nun fast sechs Staffeln Thema von „Girls“
       gewesen. Junge, weiße Menschen in einer westlichen Metropole, ausgestattet
       mit allen Möglichkeiten, frei zu wählen zwischen Lebensentwürfen,
       PartnerInnen, Jobs – erdrückt von dem selbst auferlegten Zwang, mit all
       diesen Möglichkeiten etwas „Bedeutendes“ anzufangen. Hauptfigur Hannah will
       schreiben. Aber sie will nicht einfach nur schreiben, sie will „die Stimme
       ihrer Generation“ werden. Marnie will den Durchbruch als Sängerin und ist
       bereit, sich für ein bisschen Lob und Anerkennung mit dem größten
       Vollpfosten einzulassen.
       
       Jede Kritik nehmen die „Girls“ als Angriff wahr, Kompromisse empfinden sie
       als Selbstverrat, dem Ziel, „jemand zu sein“, ordnen sie alles unter – auch
       immer wieder ihre Freundschaften. Das ist anstrengend anzusehen. Immer
       wieder will man die „Girls“ schütteln, allen voran Hannah, deren
       Selbstgerechtigkeit körperlich kaum zu ertragen ist.
       
       Und dann ist der Sog doch zu groß, auch die nächste halbstündige Folge noch
       anzuklicken. Das liegt an der Umsetzung des Stoffs, die sich auf starke
       Dialoge, auf wenige Figuren und Schauplätze stützt, sodass die Story ebenso
       gut auf einer Theaterbühne stattfinden könnte – zuletzt wurde das wieder
       deutlich an der Folge „American Bitch“. Darin findet sich Hannah in der
       schicken Wohnung eines verehrten Schriftstellers wieder, über den sie wegen
       eines angeblichen sexuellen Übergriffs auf eine Studentin gebloggt hat. Der
       Autor will ihr seine Version der Geschichte darlegen. Aber ist er wirklich
       der verletzliche Mensch, der Opfer eines Internetprangers geworden ist –
       oder wird Hannah hier subtil manipuliert?
       
       Nach der laufenden Staffel wird „Girls“ eingestellt. Laut Autorin Lena
       Dunham haben sich dann die Freundschaften der „Mädchen“ so weit
       auseinanderentwickelt, dass keine kohärente Geschichte mehr erzählt werden
       kann. Das widerspricht dem klassischen Erzählmuster, bei dem alles auf
       einen Kulminationspunkt hinläuft – selbst Carrie in „Sex and the City“
       bekommt am Ende ihren Märchenprinzen. Aber es entspricht auf schockierende
       Weise der Realität von Menschen, die so lange nach sich selbst suchen, bis
       es sonst nichts mehr zu finden gibt.
       
       15 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Weissenburger
       
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