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       # taz.de -- Furtwängler-Komödie in Berlin: Die Welt geht unter, sie kocht
       
       > „Alles muss glänzen“ mit Maria Furtwängler hatte Premiere im
       > Boulevardtheater am Kurfürstendamm. Das Publikum ist entsetzt!
       
   IMG Bild: Betont fröhlich, irre langweilig: Die Schauspieler Maria Furtwängler. Jerry Hoffmann und Sarah Alles retten da auch nichts.
       
       Sie möchten lösen: Maria Furtwängler. Und kaufen: „Alles muss glänzen“. Zu
       keinem billigen Preis. Im Parkett des Berliner Theaters am Kurfürstendamm
       zahlen die Zuschauer bis zu 44 Euro. Stark mussten bei dem knapp
       zweistündigen Stück aber vor allem die Muskeln sein. Die im Gesicht konnten
       schon mal entgleisen – im besten Fall nur aufgrund eines herzhaften
       Gähnens.
       
       Donner, viel Blitzlicht und Regen. Dazu ein Radiomoderator der die „10
       Gebote einer Hausfrau“ verliest. Maria Furtwängler steht als Rebecca im
       roten Kleid am Herd, swingt kochend zur Radiomusik und erntet schon dafür
       den ersten Applaus. Eindeutig eine Art Furtwängler-Effekt, der sich
       standhaft bis zum langen Schlussapplaus hält.
       
       Denn vor Beginn der Vorstellung werden begeistert Fotos am roten Teppich
       des Ku’damm Theaters gemacht. Hinter den älteren Besuchern mit
       Digitalkamera erstrahlt im Blitzlicht Maria Furtwängler. Adrett sieht sie
       auf dem Plakat aus im roten Kleid samt Schärpe. Bekannt ist sie vor allem
       in ihrer Rolle als kühle Kommissarin Charlotte Lindholm im Tatort Hannover.
       Die seit 2013 am Ku’damm gastierende Theaterproduktionsfirma „santinis
       production“ hat die Schauspielerin schon vor vier Jahren für ihre erste
       Theaterrolle in dem Stück „Gerüchte, Gerüchte“ an die Ku'dammbühne
       gebracht. Jetzt kommt sie für einen Monat in ihrer ersten Hauptrolle ans
       Theater zurück.
       
       Das Stück „Alles muss glänzen“ von Noah Haidle [OT: The Homemaker] wurde
       2015 von „Theater heute“ zum besten ausländischen Stück des Jahres gewählt.
       In der Inszenierung in Berlin von Regisseur Ilan Ronen ist davon nichts zu
       merken.
       
       ## Öde Figuren, öder Abend
       
       Furtwängler mimt in der Komödie die perfekte Hausfrau Rebecca, die durch
       Kochen, repetitive „Alles wird gut“-Sätze und unerschütterliche Naivität
       versucht ihre zerrütte Familie zusammen zu halten. Ihr Mann ist seit einem
       Jahr weg, der Sohn den Vater suchen und die Tochter ist sich sicher: So
       enden wie ihre Mutter, will sie niemals. Doch Rebecca möchte daran glauben,
       dass eine liebende Mutter und Ehefrau ausreicht, um die Familienidylle
       wieder herzustellen. Während draußen vor ihrem Küchenfenster die Welt unter
       geht, gibt sie Schminktipps und kocht Fisch. Denn der Weltuntergang lässt
       die Hausfrau ebenso unbeeindruckt, wie der Selbstmord der Nachbarin oder
       eine versuchte Vergewaltigung. Man muss auch wissen, wo die eigenen
       Prioritäten liegen: Darf’s vorher noch ein Martini sein?
       
       Außer den bekannteren Fernsehgesichtern ist auf der Bühne nichts
       Interessantes zu sehen oder hören. Anna Stieblich, Ludger Pistor, Jerry
       Hoffmann, Sarah Alles und Daniel Mühe spielen stellenweise humorvolle
       Nebenfiguren, die aber ebenso oft platt und vorhersehbar agieren. Die
       Dialoge drehen sich im Kreis, ihre Naivität, Eitelkeit und die Rolle der
       Übermutter muss Rebecca in jedem Gespräch anbringen.
       
       Unterhalten kann das höchstens zu Beginn. Ertragbarer wäre das Stück, wenn
       der schwarze Humor oder die surrealen Gesprächsinhalte häufiger überraschen
       könnten. Das passiert selten. Aber der Humor von Autor Haidle war ja
       bereits im Veranstaltungstext als „absurd“ angekündigt. Die Figuren hätten
       Entwicklungspotential, kommen aber nicht über Stereotypen hinaus.
       Stattdessen wird von Schulball-Anekdote zum ständigen Essensangebot bis hin
       zu Muttis Spucke der tiefe Hausfrauensumpf weiter breitgelatscht. Die
       beabsichtigte Gesellschaftskritik, die man mit viel Wohlwollen in die
       Dialoge reinlesen könnte, bleibt hinter Kunstblut, fliegenden Fischen und
       Hausmutterrhetorik gut verborgen.
       
       Rebecca sagt dann in einem pathetischen Monolog über ihre Rolle als
       Hausfrau und Mutter den Satz „Wer hört mir zu?“ Dafür greift sie zum
       Mikrofon und spricht das Publikum direkt an. Ich fühle mich bei dem Satz
       ertappt. Allerdings nicht, weil ich als weibliche Zuhörerin mitfühle.
       Sondern weil das Zuhören bei den immer gleichen Inhalten bei lediglich
       wechselnden Personenkonstellationen schwer fällt. Die triviale Geschichte
       ist lange erzählt, was noch folgt ist Slapstick, der selten komisch genug
       für Schmunzler ist.
       
       ## Ohne Euphorie nach Hause
       
       Am Ende ist nicht nur das Gesicht von Furtwängler, sondern auch der
       Besucher angestrengt: „Schauspielerisch war’s meinetwegen ne Leistung, aber
       das Stück war zum Kotzen“, sagt eine ältere Besucherin zu ihrer Begleitung.
       „Tja, weiß man leider vorher nicht, wir wollten ja die Furtwängler sehen“,
       erwidert besagter Anhang trocken.
       
       „Das hätte ich auch keine fünfzehn Minuten mehr ausgehalten“, sagt ein
       Mann, Mitte 70, beim Verlassen des Theaters. Etwas positivere Stimmen gibt
       es am Sonntagabend auch: „Ich würde es zwar nicht weiterempfehlen, aber ich
       habe mich als Mutter teilweise wieder erkannt in der Rebecca“, meint eine
       Besucherin.
       
       Immerhin: Die Musik- und Tanzeinlagen, wie zu Chubby Checker’s [1][„Lets
       Twist Again“,] waren eine willkommene Abwechslung. Die Tontechniker,
       Kostümbildner und Bühnenausstatter haben einen guten Job gemacht. Doch wer
       nicht nur ins Ku'Damm Theater kam, um mal die spielende Prominenz zu sehen,
       quälte sich durch knapp zwei Stunden Redundanz.
       
       28 Feb 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=eh8eb_ACLl8
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Linda Gerner
       
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       Eine tote Pilotengattin, ein toter „Bild“-Chefredakteur, viele Overalls und
       Sonnenbrillen. Willkommen bei der Luftwaffe, Frau Lindholm!