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       # taz.de -- Streit zwischen Afghanistan und Pakistan: Nicht einmal Lust auf Reden
       
       > Nach einem Anschlag in Pakistan kriselt die Beziehung zu Afghanistan. Die
       > Länder beschuldigen sich jeweils, Terroristen zu beherbergen.
       
   IMG Bild: Auslöser der Krise: Trauernde am Schrein in Pakistan, wo 72 Menschen bei einem Anschlag starben
       
       Kabul taz | Pakistans Versuch, die derzeit angespannte Beziehung zum
       Nachbarland Afghanistan bei einem Wirtschaftsgipfel zu verbessern, ist
       gescheitert. Nach einem islamistischen Anschlag in Pakistan mit 72 Toten
       hat das bilaterale Verhältnis zwischen den beiden Nachbarländern einen
       erneuten Tiefpunkt erreicht. Pakistans Regierung behauptet, die Anschläge
       seien von afghanischer Seite organisiert worden, schloss die Grenze und
       beschoss die afghanische Seite. Dabei starben zwei Kinder.
       
       Beim Gipfel der der zentral- und südasiatischen Staatenorganisation
       Economic Cooperation Organisation (ECO) am Mittwoch strebte die
       pakistanische Seite Verhandlungen über ein gemeinsames Vorgehen gegen
       Terrorismus an. Doch Afghanistan erteilte dem eine Abfuhr. Zum ECO-Gipfel
       reiste Staatspräsident Aschraf Ghani gar nicht erst an und Außenminister
       Salahuddin Rabbani blieb dem Vortreffen seiner ECO-Amtskollegen fern.
       Stattdessen saß Kabuls Botschafter in beiden Meetings. Viel näher an einen
       Boykott kann man nicht kommen.
       
       Unmittelbarer Auslöser der derzeitigen Krise war der blutige Anschlag
       [1][auf den Sufi-Schrein von Sehwan in Pakistan] am 16. Februar mit 72
       Toten, für den der regionale Ableger des Islamischen Staates (IS), genannt
       IS Chorasan-Provinz, die Verantwortung übernahm. Sechs weitere Anschläge
       folgten innerhalb weniger Tage. Afrasiab Chattak, früherer Chef der
       Menschenrechtskommission und Senator, schrieb von der „blutigsten Woche in
       der Geschichte Pakistans“.
       
       Darauf folgte die Eskalation Pakistans: Die Regierung schloss die Grenze
       und ließ angebliche Schlupfwinkel des IS und der Pakistanischen
       Talibanbewegung (TTP) beschießen. Stattdessen wurden afghanische Dörfer
       getroffen, darunter auch eine Schule, in der die Kinder starben.
       
       Zudem legte die pakistanische Regierung Afghanistan eine Liste mit den
       Namen von 76 Führern militanter Gruppen vor, deren Verhaftung und
       Auslieferung man verlangt. Afghanistan revanchierte sich mit einer Liste
       von 85 Taliban-Führern und 32 terroristischen Trainingscamps, die sich in
       Pakistan befinden sollen.
       
       Am Donnerstag beschloss Pakistan nun Reformen zur Verwaltung der
       umstrittenen, bisher direkt der Zentralregierung unterstehenden sogenannten
       Stammesgebiete entlang der afghanischen Grenze. Die sieben „Stammesgebiete
       unter Bundesverwaltung“ (Fata) sollen ab 2021 offiziell Teil der Provinz
       Khyber-Pakhtunkhwa werden. Das Parlament muss noch zustimmen. Dies könnte
       die Spannungen mit Afghanistan weiter verschärfen. Kabul betrachtet die
       Fata- sowie weitere von Paschtunen und Belutschen besiedelten Gebiete als
       unrechtmäßig abgetrennte, afghanische Territorien und erkennt den
       Grenzverlauf dort nicht an.
       
       ## Alte und neue Animositäten
       
       Wegen der umstrittenen Grenze, die auf die britische Kolonialzeit
       zurückgeht, sitzen die gegenseitigen Animositäten zwischen Afghanistan und
       Pakistan tief. Seit Staatsgründung Pakistans 1947 haben beide Seiten immer
       wieder militante, zum Teil separatistische Bewegungen im jeweiligen
       Nachbarland unterstützt.
       
       Heute operieren Teile sowie Splittergruppen der pakistanischen Taliban in
       unkontrollierbaren Gebieten Ost-Afghanistans. Einige arbeiten mit dem
       örtlichen IS-Ableger zusammen. Unstrittig ist seit Langem auch, dass sich
       Mitglieder des Führungsrats der afghanischen Taliban in Pakistan aufhalten
       – nach einer dortigen Großstadt ist das Gremium als Quetta-Schura bekannt.
       
       Ebenso unstrittig, obwohl von Pakistan stets dementiert, ist, dass
       zumindest Teile des pakistanischen Militärs die afghanischen Taliban
       unterstützen. Zusätzlich gibt es derzeit pakistanische Massenabschiebungen
       und sogenannte freiwillige Rückkehr afghanischer Flüchtlinge. Seit Anfang
       2016 wurden fast 630.000 Menschen nach Afghanistan geschoben.
       
       Aus Angst vor Anschlägen wurde für Islamabad auch der Tag des ECO-Gipfels
       zum Feiertag erklärt. Geknallt hat es am Mittwoch aber in Kabul, wo
       vermutliche [2][Taliban-Kommando zwei Geheimdienstbüros und ein
       Ausbildungszentrum der Armee angriffen]: Mindestens 23 Menschen starben,
       mehr als hundert wurden verletzt.
       
       2 Mar 2017
       
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