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       # taz.de -- Gentrifizierung in Berlin-Kreuzberg: Mit Eispickeln gegen Verdrängung
       
       > Die autonome Szene kämpft gegen das Aus für eine Kiezbäckerei – auch mit
       > Gewalt. Betroffen ist ein angebliches Schickeria-Restaurant
       
   IMG Bild: Claire D`Orsay vor ihrem Restaurant „Vertikal“ in Kreuzberg
       
       Gentrifizierung pur und wer alles einen Preis dafür zahlt – das lässt sich
       derzeit sehr gut in Kreuzberg verfolgen. Die Bäckerei Filou und das
       Restaurant Vertikal in der Reichenberger Straße sind Nachbarn im selben
       Gebäudekomplex. Das ist aber die einzige Gemeinsamkeit.
       
       Die Hauseigentümer, zwei Londoner Investoren, haben das Gebäude in den
       letzten zwei Jahren teilweise zu einem Ferienapartmenthaus ausgebaut. Die
       Bäckerei wird seit 16 Jahren von einer Familie betrieben. „Uns wurde immer
       versichert, dass wir bleiben können“, sagte Filou-Betreiber Daniel Spülbeck
       am Freitag zur taz.
       
       ## Überraschende Kündigung
       
       Im Dezember kam dann überraschend die Kündigung zum 31. Juli 2017. Die drei
       Töchter der Familie sind noch in Ausbildung. „Für uns bedeutet das das
       existienzielle Aus“, sagt Spülbeck. Aber noch etwas ist ihm wichtig:
       „Angriffe gegen Menschen und Sachen gehen gar nicht.“ Gewalt sei kein
       Mittel zur Lösung. Seit die Kündigung bekannt ist, hagelt es Proteste von
       Nachbarn und aus der linken Szene.
       
       „Häuserkampf in Kreuzberg: Anschlag auf Café“ – schlagzeilte die Berliner
       Morgenpost am Freitag. „15 Vermummte greifen Restaurant Vertikal an und
       schlagen mit Eispickeln die Scheiben ein“, geht es weiter. Laut Polizei hat
       sich der Vorfall am Mittwochabend gegen 22.30 Uhr ereignet. Elf Scheiben
       seien beschädigten worden. Drei Angestellte hätten sich zu diesem Zeit noch
       in dem Lokal befunden. Sie seien nicht verletzt worden. Der Staatsschutz
       ermittelt.
       
       Das Restaurant Vertikal hatte erst im Dezember aufgemacht. Im Kiez gilt es
       einigen als „Hipster-Schickeria“. Geschäftsführerin ist die aus den USA
       stammende Claire D’Orsay. Hauseigentümer Charles Skinner ist
       Mitgeschäftsführer des Restaurants. Auf ihrer Facebook-Seite beschrieb
       D’Orsay ihre Erlebnisse. „Gestern Abend wurde auf unsere Fenster gespuckt
       (wie jeden Tag) und ich wurde auf der Straße angegriffen und musste die
       Polizei rufen. Ich werde jeden Tag von Fremden auf meiner privaten Facebook
       Seite attackiert, ebenso wie meine Mitarbeiter.“
       
       Der Eintrag ist vom 27. Februar, erschien also vor der Attacke auf die
       Scheiben. Dazugestellt ist ein Foto von einem Graffito: „Ausländer Bonzen
       raus“. Dazu D’Orsay weiter: „Hier wird keinem Investor geschadet, sondern
       einem Team von jungen Leuten aus ganzer Welt. Wir kommen aus Frankreich, El
       Salvador, Italien, England, Syrien, Venezuela, Holland, Belgien und
       Deutschland. Uns wollt Ihr raus haben?“
       
       ## „Ich gebe nicht auf“
       
       Auf der linksradikalen Internetplattform Indymedia haben sich autonome
       Gruppen zu dem Anschlag bekannt: An dem Restaurant Vertikal lasse sich die
       Verdrängung in Kreuzberg aufzeigen. Es sei somit direkt für das Ende des
       „Cafe Filou“ mitverantwortlich. D’Osay sagte am Freitag der taz: „Ich gebe
       nicht auf.“ Hätte sie geahnt, dass es solche Probleme gibt, hätte sie einen
       Kredit bei einer Bank aufgenommen. Skinner sei nur ihr Investor. „Den
       Schaden trage ich.“
       
       Eine Nachbarschaftsinitiative, die bereits 2.000 Unterschriften für den
       Erhalt des „Filou“ gesammelt hat, hat bereits vor dem Anschlag erklärt:
       „Solche Taten sind nicht Teil unserer politischen Praxis, und sie schaden
       nicht zuletzt auch unserem Protest und unseren Zielen.“
       
       3 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Plutonia Plarre
       
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