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       # taz.de -- Paul-Auster-Audienz: Ein schöner, glamouröser Abend
       
       > Das war die Woche in Berlin III: Paul Auster gab sich die Ehre und wollte
       > kaum über Trump reden. Aber über sein Buch – alles andere als eine
       > normale Lesung
       
   IMG Bild: Mister Paul Auster, hier bei einer etwas länger zurückliegenden Lesung im Berliner Ensemble
       
       Schon im Foyer des Sendesaals des RBB hatte man gar nicht das Gefühl, man
       sei hier auf einer Lesung gelandet, einer völlig normalen Wasserglaslesung.
       Auf der nichts weiter geschehen würde, als dass ein Autor aus seinem Buch
       liest, die eine oder andere mehr oder weniger originelle Frage beantwortet
       und am Ende Bücher signiert. Nicht, dass hier etwas anderes als das
       Genannte geschehen würde, aber es las eben nicht irgendein Autor.
       
       Am Montagabend fand eine der seltenen Lesungen von Paul Auster in Berlin
       statt. Von einem Autor also, der hierzulande seit Erscheinen seiner
       New-York-Trilogie 1989 von vielen kultisch verehrt, der mehr gelesen wird
       als in seiner Heimat, den USA, und der jetzt immerhin sein über 1.200
       Seiten dickes Magnum Opus geschrieben hat.
       
       Also keine der üblichen Veranstaltungen, sondern Damen in langen
       Abendkleidern mit kleinen Handtäschchen, Herren in Anzügen, mit Sekttrinken
       wie in der Oper, freudige Erwartung. Als es endlich losgeht, nimmt Sänger
       Jochen Distelmeyer in der ersten Reihe Platz, der ebenfalls bei Rowohlt ein
       Buch veröffentlicht hat, in der zweiten Reihe platziert sich
       Ex-„Tatort“-Darsteller Boris Aljinovic: Berliner Prominenz der angenehmeren
       Sorte.
       
       Plötzlich geht ein Raunen durchs Publikum, als der Autor endlich die Bühne
       betritt, ein Raunen allerdings, das sofort in schallenden Applaus übergeht.
       Paul Auster ist älter geworden – vor wenigen Tagen hat er seinen
       Siebzigsten gefeiert –, sein Lächeln aber wirkt immer noch so schelmisch
       wie das eines Dreizehnjährigen. Auch, dass er so höflich ist, Berlin sofort
       als eine der spannendsten Städte der Welt zu loben, die ihm mindestens so
       interessant erscheint wie New York, kommt prima an bei seinen Zuhörern.
       
       ## Am Ende nachdenkliche Gesichter
       
       Ein schöner, ein glamouröser Abend, den Auster den Berlinern da beschert.
       Und doch verlassen die Leute den Saal am Ende mit nachdenklichen
       Gesichtern. Austers Roman spielt zu einer Zeit, in der die
       Bürgerrechtsbewegung in den USA gerade Schwung aufnahm. Es geht darin viel
       um die Frage, wie weit sich der Mensch selbst erfinden, ob er wirklich
       einfach werden kann, was er will.
       
       Auster, der an diesem Abend lieber nicht so viel über Trump sprechen will,
       legt nahe: Es sieht so aus, als wollten viele Amerikaner dieses großartige
       Versprechen, an dem er selbstverständlich unbedingt festhält, derzeit
       wieder zurücknehmen.
       
       18 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
       ## TAGS
       
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