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       # taz.de -- Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Party ohne Ende
       
       > Der Tourismus wächst und wächst. Manche sehen ihn als nachhaltige
       > Heilsökonomie, andere als boomenden Klimakiller.
       
   IMG Bild: Botswana soll Afrikas bestgehütetes Geheimnis sein, beispielhaft für aktiven Naturschutz und es war das Partnerland der ITB 2017
       
       Die diesjährige Leistungsschau des Tourismus, die Internationale
       Tourismusbörse in Berlin (ITB), stand unter dem Motto eines nachhaltigen
       Tourismus. Tourismus, so die Welttourismusorganisation (UNWTO), sei ein
       Instrument zur Abschaffung der Armut, zum Schutz der Umwelt, zur
       Verbesserung der Lebensqualität und zur wirtschaftlichen Stärkung von
       Frauen und Jugendlichen. Ein Alleskönner.
       
       „Globaler Marktplatz“, „Kompass für eine weltumspannende BranBrauchen wir
       eine Öko-Diktaturche“ – die ITB Berlin hat vom 8. bis 12. März mit mehr als
       10.000 ausstellenden Unternehmen aus 184 Ländern und Regionen auf 160.000
       Quadratmetern großflächig ihre neuesten Produkte präsentiert. Und die
       Reiselust ist ungebrochen. Sie wächst und wächst …
       
       Taleb Rifai, Generalsekretär der UNWTO, suggeriert, die Welt wäre ein
       besserer Ort, je mehr wir reisten. Tourismus bringe Völkerverständigung,
       Kulturaustausch und Toleranz. Die Umwelt schone er aus eigenem Interesse.
       Damit dies auch wahr wird, will die UNWTO in Kooperation mit Regierungen
       und NGOs die Umsetzung eines nachhaltigen Tourismus fördern.
       
       ## Klein-klein, gegen immer größer
       
       Zu den Akteuren, die sich wirklich nachhaltig um den nachhaltigen Tourismus
       verdient gemacht haben, gehören der Evangelische Entwicklunsdienst
       ([1][www.ekd.de/tourismwatch.html]), der Studienkreis für Tourismus und
       Entwicklung ([2][www.studienkreis.org]) und der Schweizer Arbeitskreis
       Tourismus und Entwicklung ([3][www.akte.ch]).
       
       Sie verhandeln über Menschenrechte im Tourismus, sie stellen die
       entscheidenden Fragen: Wie soll das Reisen bei ständig steigenden
       Flugzahlen nachhaltiger werden? Wie kann die lokale Bevölkerung langfristig
       vom Tourismus profitieren, ohne von diesem Sektor abhängig zu werden? Wie
       können die Gewinne aus dem Tourismus in die lokalen Strukturen
       zurückfließen? Wie soll die Bevölkerung an Entscheidungsprozessen beteiligt
       werden?
       
       Der alljährliche TO-DO!-Preis des Studienkreises für Tourismus ging dieses
       Jahr an Myanmar, Southern Shan State – das Projekt einer Dorfgemeinschaft
       ([4][www.cit-paoregion.com]) – und an Kibale Association for rural und
       environmental developement in Uganda ([5][www.bigodi-tourism.org]) – ein
       Projekt, das die Sumpfgebiete im Norden Ugandas zur Touristenattraktion
       aufwerten will. Klein-Klein gegen groß und immer größer: Auf der
       weltgrößten Tourismusmesse gehen solche Auszeichnungen unter.
       
       ## Brauchen wir eine Öko-Diktatur?
       
       Einen Preis für Menschenrechte erhielt die britische Gewerkschaft Unite.
       Sie kämpft für bessere Arbeitsbedingungen im schlecht zahlenden
       Tourismusgewerbe, dessen Londoner Angestellte zu 70 Prozent
       Migrationshintergrund und wenig Sicherheit haben.
       ([6][www.unitetheunion.org]). Preisverleihungen können die Bekanntheit und
       das Anliegen eines Projekts stärken. Schade nur, dass die Verleihung so
       trocken und freudlos inszeniert war, als wäre nachhaltiger Tourismus eine
       Strafe.
       
       Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) war in
       Sachen Tourismus auf der Messe unterwegs. Unter anderem mit einer
       Diskussion über die Auswirkungen des boomenden Kreuzfahrttourismus mit 26
       Millionen Passagieren weltweit. Die Kreuzfahrt wird in unsicheren Zeiten
       zum „Hort der Sicherheit“. Martina von Münchhausen, Tourismusexpertin bei
       WWF Deutschland, präsentierte eine Studie über Kreuzfahrttourismus in der
       Karibik: zerstörte Korallenriffs, eine gewaltige Energiebilanz,
       unzureichende Müllverklappung, Dumpingpreise bei der lokalen Wertschöpfung
       an Land, Abwasser, die ins Meer gelangen.
       
       Mehr Plastik als Fische im Meer und die Strände gehen mit dem Klimawandel
       unter – dabei liegen 80 Prozent der Reiseziele am Meer. Das könnte sich
       ändern. Schneller, höher, weiter war eigentlich gestern. Auf einer
       Diskussion über „Tourismus im Anthropozän“ stand die Frage im Mittelpunkt,
       was die enthemmte Party stoppen könnte. Außer dem Begriff „Öko-Diktatur“
       fielen keine anderen bemerkenswerte Lösungsansätze.
       
       19 Mar 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.ekd.de/tourismwatch.html
   DIR [2] http://www.studienkreis.org/
   DIR [3] http://www.akte.ch/
   DIR [4] http://www.cit-paoregion.com
   DIR [5] http://www.bigodi-tourism.org
   DIR [6] http://www.unitetheunion.org
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Edith Kresta
       
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