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       # taz.de -- Streit im Berliner Fußball-Verband: Luxusbau auf Kosten der anderen
       
       > Der Berliner Fußball-Verband vergrößert seine Geschäftsstelle für 900.000
       > Euro. Amateurclubs ärgern sich über die teure Investition.
       
   IMG Bild: Wenn's ums Geld geht, wird's ernst – auch bei den Berliner Amateurfußball-Vereinen
       
       Der neue Anbau, der gerade an der Geschäftsstelle des Berliner
       Fußball-Verbandes (BFV) entsteht, soll so einiges bieten. Wer will, kann
       die Vorzüge im hauseigenen Verbandsblättchen vom April 2016 nachlesen: Neue
       Tagungsmöglichkeiten, eine Servicestelle für Passwesen, Lagerräume. All das
       auf 220 Quadratmetern; in diesem Frühjahr sollen die Bauarbeiten
       abgeschlossen sein.
       
       Ein Anbau, den sich der Verband einiges kosten lässt: 900.000 Euro sollen
       es gewesen sein. BFV-Geschäftsführer Kevin Langner soll diese Zahl auf
       einem Treffen mit Vertretern von Amateurclubs bestätigt haben.
       
       Eine beachtliche Summe für einen Verband, der einen Haushalt von vier
       Millionen hat. Und eine Summe, die für Ärger an der Amateurbasis sorgt.
       Wegen der Unverhältnismäßigkeit des Preises. Wegen der intransparenten
       Umstände der Ausschreibung. Und weil die Amateurclubs selbst mit hohen
       Strafen und Abgaben zum Verbandshaushalt beitragen. Aber über den Bau
       offenbar nicht informiert wurden.
       
       ## Eine verlorene Million
       
       „Der Ausbau an der Humboldtstraße ist dermaßen teuer im Verhältnis zu dem,
       was an Bürofläche erbaut wurde“, sagt Bernd Fiedler, erster Vorsitzender
       des Amateurclubs Stern 1900. „Das sind Baukosten von 5.000 Euro pro
       Quadratmeter. Und es gab in den letzten vier Jahren nie Informationen an
       uns Vereine. Man setzt einfach einen Bau hin.“
       
       Dabei sei die Fläche viel zu klein für die Zwecke des Verbandes; in ein
       paar Jahren müsse vermutlich wieder gebaut werden. „Es gibt keinen Plan,
       keine Perspektive. Das ist Kleinkrämerdenken. Aus wirtschaftlicher Sicht
       ist es eine verlorene Million. Und dafür ziehen sie die Vereine richtig
       schön mit Strafen ab.“
       
       Ähnlich klagt Matthias Wolf, Journalist und Jugendleiter beim SC
       Borsigwalde. „Die kleinen Vereine werden immer mehr gemolken. Das ist
       moderne Wegelagerei: Für den nicht ausgefüllten Online-Spielbericht einer
       dritten F-Jugend werden 30 Euro an Strafe fällig, oder es wird bei der
       Trikotwerbung mitkassiert, die die Vereine selbst erwirtschaftet haben.“
       
       Dazu haben die Umstände der Ausschreibung ein Geschmäckle: Hartnäckig hält
       sich in Berlin das Gerücht, die Bauleitung sei nicht ausgeschrieben
       gewesen. Bei einem Treffen von Amateurvertretern sei das Thema auf den
       Tisch gekommen, so Fiedler. „Und niemand hat widersprochen.“ Der BFV
       schlingert bei diesen Vorwürfen. Gegenüber den Amateurclubs sagt
       BFV-Geschäftsführer Langner, der Bau sei ausgeschrieben gewesen – die
       Bauleitung erwähnt er nicht. Die ging an Lutz Kiehne, Ex-vorsitzender von
       Blau-Weiß Hohen Neuendorf, zufällig Mitglied im BFV-Beirat und im Ruf,
       dicke mit BFV-Präsident Bernd Schultz zu sein.
       
       Der neue BFV-Geschäftsführer Langner bietet der taz ursprünglich zu diesen
       Vorwürfen ein Gespräch an. Zwei Tage vor dem Termin wird das Gespräch
       abgesagt: Langner habe sich schon gegenüber den Vereinen geäußert, außerdem
       werde der BFV „in den nächsten Tagen“ auf seiner Website einen Faktencheck
       zum Anbau veröffentlichen. Das ist am 28. Februar; der Faktencheck befindet
       sich bis heute nicht auf der Seite. Ein weiterer Gesprächstermin wird
       zugesagt, dann sagt Pressesprecherin Vera Krings ganz ab. Der Verband werde
       die Interviewanfrage nicht bedienen. Der Faktencheck werde aber in Kürze
       kommen.
       
       Unterdessen rumort es bei den Berliner Amateurclubs. Eine neue
       Amateurinteressengemeinschaft, die BFIG, will gegenüber dem Verband stärker
       die eigenen Rechte durchsetzen. Schon lange beklagen Amateurclubs
       deutschlandweit die Schere, die sich zwischen ihnen und den Proficlubs
       auftut. Und vor allem das Strafen- und Abgabensystem, das die Verbände
       ihnen auferlegen.
       
       Wenn ein Trainer einen Fehler beim Spielberichtsbogen macht, kostet das
       einen Berliner Club 30 Euro Strafe. Jeder Trikotsatz mit Sponsor kostet die
       Vereine zehn Euro Abgaben an den BFV, für jede Saison neu. Die Verlängerung
       einer Trainerlizenz kostet 150 Euro. „Dabei ist man froh, einen Trainer zu
       finden“, so Wolf. „Die Vereine stöhnen unter der Abgabenlast.“
       
       Nicht nur Borsigwalde und Stern 1900, auch andere befragte Vereine geben
       an, vierstellige, teils sogar fünfstellige Summen im Jahr an den BFV zu
       zahlen. „Obwohl wir uns bemühen, alles richtig auszufüllen“, heißt es.
       Problemvereine hätten noch höhere Ausgaben.
       
       Auf einem Treffen mit der BFIG habe Kevin Langner gesagt, der Verband
       kassiere jedes Jahr 160.000 Euro an Strafen, 108.000 Euro an Pass- und
       Meldegebühren sowie 125.000 Euro an anderen Gebühren von den Vereinen. Der
       BFV bestätigt diese Zahlen nicht. Der Anbau für 900.000 Euro bringt das
       Fass für einige Amateurclubs zum Überlaufen – der BFV steht unter Druck.
       
       Kevin Langner sagte den Vertretern offenbar, der Anbau sei aus Rücklagen
       der Weltmeisterschaften 2006 und 2011 finanziert worden. Unterlagen zur
       Ausschreibung des Anbaus und der Bauleitung lässt der Verband der taz auf
       Anfrage aber nicht zukommen.
       
       Derzeit führt der neue Geschäftsführer Langner, der vielen als möglicher
       Innovator gilt, Gespräche mit der Amateurbasis. Vor allem niedrigere
       Strafen wünschen sich die protestierenden Vereine, aber auch mehr
       Transparenz und Unterstützung durch den BFV. Die Berliner stehen zudem in
       Kontakt mit dem Aktionsbündnis „Rettet die Amateurvereine“ aus Bayern.
       Schon früher gab es bundesweit einzelne Initiativen für den Amateurfußball
       – die allerdings scheiterten oft an zu wenig Durchschlagskraft und dem
       notorischen Desinteresse des DFB.
       
       Ob es den protestierenden Berliner Vereinen gelingt, sich auf eine
       gemeinsame Linie zu einigen, bleibt abzuwarten. Konfrontation oder
       Kooperation? Und bleiben genug Vereine dabei, wenn es hart auf hart kommt?
       Fiedler ist optimistisch: „Wir wissen alle, wovon wir reden. Der Druck auf
       den BFV wird steigen. Frühere Initiativen sind gescheitert, weil die
       Vernetzung fehlte. Wenn uns die Vernetzung gelingt, rollt auf den DFB eine
       Welle zu. Dann haben sie ein Problem.“
       
       31 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
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