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       # taz.de -- Berlins Ausländerbehörde trödelt: Keine Papiere, kein Job
       
       > In Berlin warten anerkannte Flüchtlinge bis zu einem Jahr auf ihre
       > elektronische Aufenthaltserlaubnis. Bei der Suche nach Arbeit oder
       > Wohnung wird das zum Problem.
       
   IMG Bild: Optimistisches Wandbild an der Berliner Ausländerbehörde.
       
       Im Januar hat Yusuf A. Asyl bekommen. Der Eritreer lebt seit zwei Jahren in
       Deutschland, hat fleißig Deutsch gelernt und möchte im Sommer eine
       Ausbildung beginnen. Ein Handwerksmeister hat den jungen Mann, der Talent
       und handwerkliche Erfahrungen mitbringt, in die engere Wahl gezogen. Doch
       für den Chef stellt sich die Frage: Darf er Yusuf A. eigentlich ausbilden?
       
       Nach dem Gesetz darf er das. Doch eigentlich müsste der Eritreer auch eine
       sogenannte elektronische Aufenthaltserlaubnis haben, auf der das explizit
       steht. Das ist eine Chipkarte, die einem Personalausweis ähnelt. Der
       Handwerksmeister ist sogar verpflichtet, diese Karte zu kopieren und sie
       jederzeit den Behörden zu zeigen, wenn er A. ausbildet. Doch so eine
       elektronische Aufenthaltserlaubnis hat A. nicht. Die Ausländerbehörde hat
       ihn deswegen noch nicht einmal angeschrieben. A. hat sich jetzt selbst
       einen Termin besorgt: Ende Juni. Frühere Termine waren bei der
       Ausländerbehörde nicht zu haben. Er ist in Sorge, ob das mit der Ausbildung
       dann noch klappen kann.
       
       Yusuf A. ist kein Einzelfall. Ein Jahr und länger warten anerkannte
       Asylberechtigte in Berlin nach Erfahrungen von Flüchtlingsberatern auf die
       ihnen zustehende elektronische Aufenthaltserlaubnis. Manche bekommen an die
       alte, abgelaufene Aufenthaltsbefugnis ein DIN-A4-Blatt angetackert, mit dem
       sie sich ausweisen müssen. Andere erhalten nicht einmal das.
       
       Während der Wartezeit dürfen anerkannte Flüchtlinge nicht ins Ausland
       reisen. Selbst eine Reise in ein anderes Bundesland war für einen Landsmann
       von Yusuf A. schon ein Problem: In Brandenburg kannte die Polizei die
       Berliner Zettelpraxis nicht und hielt ihn über zwei Stunden fest, bis
       Berliner Behörden am Telefon beteuerten, alles sei in Ordnung. Der
       Flüchtlingsrat berichtet auch von gravierenden Problemen auf dem Arbeits-
       und Wohnungsmarkt. Vier Bezirke stellen während der Wartezeit keine
       Wohnberechtigungsscheine aus.
       
       „Wir fordern Innensenator Andreas Geisel auf, die Ausländerbehörde
       anzuweisen, ihre rechtswidrige, integrationshemmende Zettelpraxis sofort
       einzustellen und anerkannten Flüchtlingen die ihnen nach dem
       Aufenthaltsgesetz zustehende Aufenthaltserlaubnis auszustellen“, sagt Georg
       Classen, Sprecher des Flüchtlingsrats. Die Verweigerung verhindere die
       Integration, behauptet er.
       
       Dem stellt Martin Pallgen, Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD),
       Sicherheitsbedenken entgegen. Die Ausländerbehörde prüft zuerst Personen
       und deren Dokumente aus dem Heimatland. Nach dem Gesetz sei zwar das
       Bundesamt für diese Prüfungen zuständig, doch eine Stichprobe der
       Ausländerbehörde habe ergeben, „dass ein Teil der dort bereits geprüften
       Dokumente Fälschungsmerkmale aufwiesen“.
       
       Das lässt der Flüchtlingsrat nicht gelten. „Die Ausländerbehörde kann und
       soll selbstverständlich Unterlagen prüfen. Aber sie darf die Betroffenen
       nicht während der Prüfzeit ohne gültige Dokumente lassen“, sagt
       Flüchtlingsratssprecher Classen. Sollte die Prüfung ergeben, dass Ausweise
       gefälscht seien, könne nach dem Gesetz die Flüchtlingseigenschaft
       widerrufen werden. Zudem seien gerade die von der Berliner Ausländerbehörde
       selbst kreierten Zettel ohne Hologramm, Foto und Stempel leicht fälschbar
       und damit gerade kein Beitrag zur inneren Sicherheit.
       
       Im Falle des Eritreers Yusuf A. gibt es nicht einmal Dokumente, die die
       Ausländerbehörde prüfen könnte. Wie viele andere Afrikaner auch hat er nie
       einen Ausweis besessen. Ist die Prüfung von Dokumenten vielleicht nur ein
       Vorwand? Ist die Ausländerbehörde in Wirklichkeit nur so überfordert, dass
       sie ihre Arbeit nicht schafft?
       
       Das zumindest vermutet die grüne Abgeordnete Canan Bayram. „Ist es Zufall,
       dass die langen Wartezeiten bei der Ausländerbehörde gerade dann anfallen,
       wenn besonders viele Flüchtlinge eine Anerkennung bekommen haben? Das frage
       ich Andreas Geisel und fordere von ihm, anerkannten Flüchtlingen sofort
       Dokumente auszustellen. So sieht es das Gesetz vor.“
       
       24 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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