URI: 
       # taz.de -- Privatisierung von Autobahnen: Eigene Experten widerlegen SPD
       
       > Wissenschaftler gehen mit dem Gesetzesentwurf für eine
       > Infrastrukturgesellschaft hart ins Gericht. Dieser biete Schlupflöcher
       > für Privatisierungen.
       
   IMG Bild: Schnelle Autos unter einer Mautbrücke bei Leipzig
       
       BERLIN taz | Es sind ungewöhnliche Koalitionen, die der Plan zur Gründung
       einer Infrastrukturgesellschaft hervorbringt: Nachdem bereits ADAC und BUND
       einhellig vor einer drohenden Privatisierung der Autobahnen gewarnt hatten,
       gingen am Montag im Finanzausschuss des Bundestags auch fast sämtliche
       eingeladenen Expert*innen hart mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
       ins Gericht: vom Bundesrechnungshof bis zum DGB, vom
       privatisierungskritischen Verein „Gemeingut in BürgerInnenhand“ bis zu
       renommierten Juristen und Verwaltungswissenschaftlern.
       
       Die Pläne der Regierung sehen vor, die Autobahnen und einige weitere
       Fernstraßen auf eine neue bundesweite Infrastrukturgesellschaft zu
       übertragen. Im November hatte der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel
       verkündet, dass es dadurch zu keinerlei Privatisierungen kommen werde.
       
       Dem widersprachen am Montag mehrere Experten. Es gebe mehrere „Hintertüren,
       durch die Privatisierungen möglich sind“, sagte Thorsten Beckers,
       Wirtschaftsingenieur an der TU Berlin. So sei es möglich,
       Tochtergesellschaften der neuen Infrastrukturgesellschaft zu
       privatisieren.
       
       Daneben könnte privates Kapital in Form von stillen Beteiligungen oder
       Genussscheinen eingebracht werden. Größte Gefahr seien aber
       öffentlich-private Partnerschaften. Dabei übernehmen Privatunternehmen den
       Bau und Betrieb von Autobahnen und erhalten im Gegenzug die dort anfallende
       Maut. „Es spricht alles dafür, dass es dadurch Kostensteigerungen gibt“,
       sagte Beckers.
       
       ## Bundestag künftig „nichts mehr zu melden“
       
       Scharfe Kritik kam auch von Georg Hermes, Professor für öffentliches Recht
       an der Frankfurter Goethe-Universität. Hauptziel des Gesetzes sei es,
       privaten Anlegern bessere Renditen als auf dem Kapitalmarkt zu verschaffen,
       sagte er. „Anders macht das alles keinen Sinn.“ Daneben könne durch
       Übertragung von Verbindlichkeiten auf die neue Gesellschaft die
       Schuldenbremse umgangen werden. Und der Bundestag habe beim Straßenbau
       künftig „nichts mehr zu melden“, warnte Hermes, der von der SPD eingeladen
       worden war.
       
       Ähnlich äußert sich der Jurist auch in einem Gutachten, das er im Auftrag
       der SPD-Fraktionsführung erstellt hat. „Zur Umsetzung der Ziele der
       SPD-Bundestagsfraktion sind erhebliche Anpassungen an den Gesetzesentwürfen
       der Bundesregierung notwendig“, heißt es in dem letzte Woche
       veröffentlichten Gutachten, von dem viele Abgeordnete erst aus den Medien
       erfuhren.
       
       ## Vertagt auf Mitte Mai
       
       Bis zur Beschlussfassung im Bundestag, die kürzlich auf Mitte Mai vertagt
       wurde, werde ihre Fraktion auf Änderungen drängen, sagte
       SPD-Berichterstatterin Bettina Hagedorn am Rande der Anhörung. Einig sei
       sich die Koalition bereits darüber, dass die Infrastrukturgesellschaft
       ohne erneutes Votum des Bundestags nicht in eine Aktiengesellschaft
       umgewandelt werden dürfe.
       
       Zudem soll der Bundesrechnungshof Kontrollrechte eingeräumt bekommen. Noch
       keine Einigung gibt es über das vom SPD-Gutachter geforderte Verbot von
       Privatisierungen in jeder Form. „Der Drops ist noch nicht gelutscht“, sagte
       Hagedorn.
       
       Erhebliche Änderungen fordern auch die Grünen. „Die Bundesregierung möchte
       gern der Allianz-Versicherung und der Deutschen Bank ein großes Geschenk
       überreichen“, sagte Haushaltsexperte Sven Kindler. „Das muss unbedingt
       verhindert werden.“ Für die Linke sagte Roland Claus, das Gesetz sei „der
       Gipfel bürokratischen Unsinns“.
       
       27 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
       ## TAGS
       
   DIR Privatisierung
   DIR Autobahn
   DIR Infrastruktur
   DIR Große Koalition
   DIR Autobahn
   DIR Autobahn
   DIR Pkw-Maut
   DIR Verkehr
   DIR Autobahn
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kritiker über Autobahn-Gesellschaft: „Ganz offen durch die Vordertür“
       
       Auch nach den von der SPD durchgesetzten Änderungen sieht Carl Waßmuth die
       geplante Infrastrukturgesellschaft als große Gefahr. Denn „die
       Privatisierung droht weiter“.
       
   DIR Streit um Autobahn-Gesellschaft: SPDler gegen jede Privatisierung
       
       Ein neues Gutachten zeigt: Der Beschluss des Koalitionsauschusses löst die
       Probleme der geplanten Infrastrukturgesellschaft nicht.
       
   DIR Bundesrechnungshof kritisiert Mautpläne: Gutachter fürchten höhere Kosten
       
       Durch die Autobahn-Gesellschaft wird das Fahren teurer: Auf die Maut fällt
       Mehrwertsteuer an – und künftig wird sie wohl doch nach Strecke berechnet.
       
   DIR Gesetz für Infrastruktur-Gesellschaft: DGB warnt vor privaten Straßen
       
       Die Gewerkschaft drängt auf Änderungen am Gesetzentwurf. Sonst drohten
       teure ÖPP-Projekte und ein Verlust politischer Kontrolle.
       
   DIR Kabinett billigt Autobahn-Gesetz: Versteckte Privatisierung möglich
       
       Das Bundeskabinett hat das umstrittene Gesetzespaket zur Autobahn
       verabschiedet. Indirekte Privatisierung durch ÖPPs wird damit einfacher.